Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
66.
Zeuch hin nach Babylon, und in der festlichen stunde
Wann der Kalif', im staat, an seiner tafelrunde,
Mit seinen Emirn sich beym hohen mahl vergnügt,
Tritt hin, und schlage dem, der ihm zur linken liegt,
Den kopf ab, daß sein blut die tafel überspritzet.
Ist dies gethan, so nahe züchtig dich
Der erbin seines throns, die ihm zur rechten sitzet,
Und küß' als deine braut sie dreymal öffentlich.
67.
Und wenn dann der Kalif, der einer solchen scene
In seiner eignen gegenwart
Sich nicht versah, vor deiner kühnheit starrt,
So wirf dich, an der goldnen lehne
Von seinem stuhle, hin, nach Morgenländer art,
Und, zum geschenk für mich, das unsre freundschaft kröne,
Erbitte dir von ihm vier seiner backenzähne
Und eine handvoll haar aus seinem grauen bart.
68.
Geh hin, und wie gesagt, eh du gestraks vollzogen
Was ich dir hier von stück zu stück gebot,
Ist deine wiederkunft unmittelbarer tod.
Wir bleiben übrigens in gnaden dir gewogen.
Der Kayser sprachs und schwieg. Allein wie uns dabey
Zu muthe war, ist nothlos zu beschreiben.
Ein jeder sah, daß so gewogen bleiben
Nichts besser als ein todesurtheil sey.
69. Ein
B 5
66.
Zeuch hin nach Babylon, und in der feſtlichen ſtunde
Wann der Kalif', im ſtaat, an ſeiner tafelrunde,
Mit ſeinen Emirn ſich beym hohen mahl vergnuͤgt,
Tritt hin, und ſchlage dem, der ihm zur linken liegt,
Den kopf ab, daß ſein blut die tafel uͤberſpritzet.
Iſt dies gethan, ſo nahe zuͤchtig dich
Der erbin ſeines throns, die ihm zur rechten ſitzet,
Und kuͤß' als deine braut ſie dreymal oͤffentlich.
67.
Und wenn dann der Kalif, der einer ſolchen ſcene
In ſeiner eignen gegenwart
Sich nicht verſah, vor deiner kuͤhnheit ſtarrt,
So wirf dich, an der goldnen lehne
Von ſeinem ſtuhle, hin, nach Morgenlaͤnder art,
Und, zum geſchenk fuͤr mich, das unſre freundſchaft kroͤne,
Erbitte dir von ihm vier ſeiner backenzaͤhne
Und eine handvoll haar aus ſeinem grauen bart.
68.
Geh hin, und wie geſagt, eh du geſtraks vollzogen
Was ich dir hier von ſtuͤck zu ſtuͤck gebot,
Iſt deine wiederkunft unmittelbarer tod.
Wir bleiben uͤbrigens in gnaden dir gewogen.
Der Kayſer ſprachs und ſchwieg. Allein wie uns dabey
Zu muthe war, iſt nothlos zu beſchreiben.
Ein jeder ſah, daß ſo gewogen bleiben
Nichts beſſer als ein todesurtheil ſey.
69. Ein
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0031"/>
            <lg n="66">
              <head> <hi rendition="#c">66.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">Z</hi>euch hin nach Babylon, und in der fe&#x017F;tlichen &#x017F;tunde</l><lb/>
              <l>Wann der Kalif', im &#x017F;taat, an &#x017F;einer tafelrunde,</l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;einen Emirn &#x017F;ich beym hohen mahl vergnu&#x0364;gt,</l><lb/>
              <l>Tritt hin, und &#x017F;chlage dem, der ihm zur linken liegt,</l><lb/>
              <l>Den kopf ab, daß &#x017F;ein blut die tafel u&#x0364;ber&#x017F;pritzet.</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t dies gethan, &#x017F;o nahe zu&#x0364;chtig dich</l><lb/>
              <l>Der erbin &#x017F;eines throns, die ihm zur rechten &#x017F;itzet,</l><lb/>
              <l>Und ku&#x0364;ß' als deine braut &#x017F;ie dreymal o&#x0364;ffentlich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="67">
              <head> <hi rendition="#c">67.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">U</hi>nd wenn dann der Kalif, der einer &#x017F;olchen &#x017F;cene</l><lb/>
              <l>In &#x017F;einer eignen gegenwart</l><lb/>
              <l>Sich nicht ver&#x017F;ah, vor deiner ku&#x0364;hnheit &#x017F;tarrt,</l><lb/>
              <l>So wirf dich, an der goldnen lehne</l><lb/>
              <l>Von &#x017F;einem &#x017F;tuhle, hin, nach Morgenla&#x0364;nder art,</l><lb/>
              <l>Und, zum ge&#x017F;chenk fu&#x0364;r mich, das un&#x017F;re freund&#x017F;chaft kro&#x0364;ne,</l><lb/>
              <l>Erbitte dir von ihm vier &#x017F;einer backenza&#x0364;hne</l><lb/>
              <l>Und eine handvoll haar aus &#x017F;einem grauen bart.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="68">
              <head> <hi rendition="#c">68.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">G</hi>eh hin, und wie ge&#x017F;agt, eh du ge&#x017F;traks vollzogen</l><lb/>
              <l>Was ich dir hier von &#x017F;tu&#x0364;ck zu &#x017F;tu&#x0364;ck gebot,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t deine wiederkunft unmittelbarer tod.</l><lb/>
              <l>Wir bleiben u&#x0364;brigens in gnaden dir gewogen.</l><lb/>
              <l>Der Kay&#x017F;er &#x017F;prachs und &#x017F;chwieg. Allein wie uns dabey</l><lb/>
              <l>Zu muthe war, i&#x017F;t nothlos zu be&#x017F;chreiben.</l><lb/>
              <l>Ein jeder &#x017F;ah, daß &#x017F;o gewogen bleiben</l><lb/>
              <l>Nichts be&#x017F;&#x017F;er als ein todesurtheil &#x017F;ey.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">B 5</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">69. Ein</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] 66. Zeuch hin nach Babylon, und in der feſtlichen ſtunde Wann der Kalif', im ſtaat, an ſeiner tafelrunde, Mit ſeinen Emirn ſich beym hohen mahl vergnuͤgt, Tritt hin, und ſchlage dem, der ihm zur linken liegt, Den kopf ab, daß ſein blut die tafel uͤberſpritzet. Iſt dies gethan, ſo nahe zuͤchtig dich Der erbin ſeines throns, die ihm zur rechten ſitzet, Und kuͤß' als deine braut ſie dreymal oͤffentlich. 67. Und wenn dann der Kalif, der einer ſolchen ſcene In ſeiner eignen gegenwart Sich nicht verſah, vor deiner kuͤhnheit ſtarrt, So wirf dich, an der goldnen lehne Von ſeinem ſtuhle, hin, nach Morgenlaͤnder art, Und, zum geſchenk fuͤr mich, das unſre freundſchaft kroͤne, Erbitte dir von ihm vier ſeiner backenzaͤhne Und eine handvoll haar aus ſeinem grauen bart. 68. Geh hin, und wie geſagt, eh du geſtraks vollzogen Was ich dir hier von ſtuͤck zu ſtuͤck gebot, Iſt deine wiederkunft unmittelbarer tod. Wir bleiben uͤbrigens in gnaden dir gewogen. Der Kayſer ſprachs und ſchwieg. Allein wie uns dabey Zu muthe war, iſt nothlos zu beſchreiben. Ein jeder ſah, daß ſo gewogen bleiben Nichts beſſer als ein todesurtheil ſey. 69. Ein B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/31
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/31>, abgerufen am 22.12.2024.