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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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89.
Er bleibt am ziel noch eine weile stehen,
Ob jemand um den Dank noch kämpfen will, zu sehen;
Und da sich niemand zeigt, eilt er mit schnellem trab
Amanden zu, die, hoch auf ihrem schönen rosse,
Wie eine Göttin glänzt, und führt sie nach dem Schlosse.
Sie langen an. Er hebt gar höflich sie herab,
Und führt sie, unter stetem Vivat rufen
Des Volks, hinauf, die hohen marmorstufen.
90.
Wie eine Silberwolk umwebt
Amandens angesicht ein undurchsichtger schleyer,
Durch den sich jedes aug umsonst zu bohren strebt.
Voll ungeduld, wie sich dies Abenteuer
Entwickeln werde, strömt die Menge, ohne zahl,
Dem edlen Paare nach. Izt öfnet sich ein Saal;
Hoch sizt auf seinem Thron, von seinem Fürstenrathe
Umringt, der alte Karl in Kayserlichem staate.
91.
Herr Hüon nimmt den Helm von seinem haubt,
Und tritt hinein, in seinen schönen locken
Dem Gott des Tages gleich. Und alle sehn erschrocken
Den Schnellerkannten an. Der alte Karlmann glaubt
Des Ritters Geist zu sehn. Und Hüon, mit Amanden
An seiner hand, naht ehrerbietig sich
Dem Thron, und spricht: Mein Lehnsherr! Siehe mich,
Gehorsam meiner pflicht, zurük in deinen Landen!
92.
Denn, was du zum Beding gemacht
Vor meiner wiederkehr, mit Gott hab ichs vollbracht!
In diesem kästchen sich des Sultans Bart und Zähne,
An die, o Herr, nach deinem wort, ich Leib
Und
89.
Er bleibt am ziel noch eine weile ſtehen,
Ob jemand um den Dank noch kaͤmpfen will, zu ſehen;
Und da ſich niemand zeigt, eilt er mit ſchnellem trab
Amanden zu, die, hoch auf ihrem ſchoͤnen roſſe,
Wie eine Goͤttin glaͤnzt, und fuͤhrt ſie nach dem Schloſſe.
Sie langen an. Er hebt gar hoͤflich ſie herab,
Und fuͤhrt ſie, unter ſtetem Vivat rufen
Des Volks, hinauf, die hohen marmorſtufen.
90.
Wie eine Silberwolk umwebt
Amandens angeſicht ein undurchſichtger ſchleyer,
Durch den ſich jedes aug umſonſt zu bohren ſtrebt.
Voll ungeduld, wie ſich dies Abenteuer
Entwickeln werde, ſtroͤmt die Menge, ohne zahl,
Dem edlen Paare nach. Izt oͤfnet ſich ein Saal;
Hoch ſizt auf ſeinem Thron, von ſeinem Fuͤrſtenrathe
Umringt, der alte Karl in Kayſerlichem ſtaate.
91.
Herr Huͤon nimmt den Helm von ſeinem haubt,
Und tritt hinein, in ſeinen ſchoͤnen locken
Dem Gott des Tages gleich. Und alle ſehn erſchrocken
Den Schnellerkannten an. Der alte Karlmann glaubt
Des Ritters Geiſt zu ſehn. Und Huͤon, mit Amanden
An ſeiner hand, naht ehrerbietig ſich
Dem Thron, und ſpricht: Mein Lehnsherr! Siehe mich,
Gehorſam meiner pflicht, zuruͤk in deinen Landen!
92.
Denn, was du zum Beding gemacht
Vor meiner wiederkehr, mit Gott hab ichs vollbracht!
In dieſem kaͤſtchen ſich des Sultans Bart und Zaͤhne,
An die, o Herr, nach deinem wort, ich Leib
Und
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[0317] 89. Er bleibt am ziel noch eine weile ſtehen, Ob jemand um den Dank noch kaͤmpfen will, zu ſehen; Und da ſich niemand zeigt, eilt er mit ſchnellem trab Amanden zu, die, hoch auf ihrem ſchoͤnen roſſe, Wie eine Goͤttin glaͤnzt, und fuͤhrt ſie nach dem Schloſſe. Sie langen an. Er hebt gar hoͤflich ſie herab, Und fuͤhrt ſie, unter ſtetem Vivat rufen Des Volks, hinauf, die hohen marmorſtufen. 90. Wie eine Silberwolk umwebt Amandens angeſicht ein undurchſichtger ſchleyer, Durch den ſich jedes aug umſonſt zu bohren ſtrebt. Voll ungeduld, wie ſich dies Abenteuer Entwickeln werde, ſtroͤmt die Menge, ohne zahl, Dem edlen Paare nach. Izt oͤfnet ſich ein Saal; Hoch ſizt auf ſeinem Thron, von ſeinem Fuͤrſtenrathe Umringt, der alte Karl in Kayſerlichem ſtaate. 91. Herr Huͤon nimmt den Helm von ſeinem haubt, Und tritt hinein, in ſeinen ſchoͤnen locken Dem Gott des Tages gleich. Und alle ſehn erſchrocken Den Schnellerkannten an. Der alte Karlmann glaubt Des Ritters Geiſt zu ſehn. Und Huͤon, mit Amanden An ſeiner hand, naht ehrerbietig ſich Dem Thron, und ſpricht: Mein Lehnsherr! Siehe mich, Gehorſam meiner pflicht, zuruͤk in deinen Landen! 92. Denn, was du zum Beding gemacht Vor meiner wiederkehr, mit Gott hab ichs vollbracht! In dieſem kaͤſtchen ſich des Sultans Bart und Zaͤhne, An die, o Herr, nach deinem wort, ich Leib Und

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/317>, abgerufen am 15.05.2024.