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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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39.
Der Ritter ganz allein steht fest auf seinen Füßen,
Und lacht (wer hätt' auch hier nicht lachen müssen?)
Aus voller brust, dem veitstanz zuzusehn;
Wie hoch die dicken wänste hüpfen,
Wie flink die nonnen daher auf kurzem grase schlüpfen,
Wie schnell und üppig sich die runden hüften drehn;
Kurz, wie, des wohlstands quitt, dem sie aus zwang gefröhnet,
Die liebe natur sich tummelt, bäumt und dehnet.
40.
Indessen naht sich ihm der schöne Zwerg, und spricht
In seiner sprach ihn an, mit ernstem angesicht:
Warum entfliehn vor mir, o Hüon von Güyenne? --
Wie? du verstummst? beym Gott des Himmels den ich kenne
Antworte mir! -- Nun kehrt die zuversicht
In Hüons brust zurück. Was willst du mein, erwiedert
Der jüngling. -- Fürchte nichts, spricht jener; wer das licht
Nicht scheuen darf, der ist mit mir verbrüdert.
41.
Ich liebte dich von deiner kindheit an,
Und was ich gutes dir bestimme
An keinem Adamskind hab ich es je gethan!
Dein herz ist rein, dein wandel ohne krümme,
Wo pflicht und ehre ruft, fragst du nicht fleisch und blut,
Hast glauben an dich selbst, hast in der prüfung muth;
So kann mein schutz dir niemals fehlen,
Denn meine strafgewalt trift nur befleckte seelen.
42. War
C 5
39.
Der Ritter ganz allein ſteht feſt auf ſeinen Fuͤßen,
Und lacht (wer haͤtt' auch hier nicht lachen muͤſſen?)
Aus voller bruſt, dem veitstanz zuzuſehn;
Wie hoch die dicken waͤnſte huͤpfen,
Wie flink die nonnen daher auf kurzem graſe ſchluͤpfen,
Wie ſchnell und uͤppig ſich die runden huͤften drehn;
Kurz, wie, des wohlſtands quitt, dem ſie aus zwang gefroͤhnet,
Die liebe natur ſich tummelt, baͤumt und dehnet.
40.
Indeſſen naht ſich ihm der ſchoͤne Zwerg, und ſpricht
In ſeiner ſprach ihn an, mit ernſtem angeſicht:
Warum entfliehn vor mir, o Huͤon von Guͤyenne? —
Wie? du verſtummſt? beym Gott des Himmels den ich kenne
Antworte mir! — Nun kehrt die zuverſicht
In Huͤons bruſt zuruͤck. Was willſt du mein, erwiedert
Der juͤngling. — Fuͤrchte nichts, ſpricht jener; wer das licht
Nicht ſcheuen darf, der iſt mit mir verbruͤdert.
41.
Ich liebte dich von deiner kindheit an,
Und was ich gutes dir beſtimme
An keinem Adamskind hab ich es je gethan!
Dein herz iſt rein, dein wandel ohne kruͤmme,
Wo pflicht und ehre ruft, fragſt du nicht fleiſch und blut,
Haſt glauben an dich ſelbſt, haſt in der pruͤfung muth;
So kann mein ſchutz dir niemals fehlen,
Denn meine ſtrafgewalt trift nur befleckte ſeelen.
42. War
C 5
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[0047] 39. Der Ritter ganz allein ſteht feſt auf ſeinen Fuͤßen, Und lacht (wer haͤtt' auch hier nicht lachen muͤſſen?) Aus voller bruſt, dem veitstanz zuzuſehn; Wie hoch die dicken waͤnſte huͤpfen, Wie flink die nonnen daher auf kurzem graſe ſchluͤpfen, Wie ſchnell und uͤppig ſich die runden huͤften drehn; Kurz, wie, des wohlſtands quitt, dem ſie aus zwang gefroͤhnet, Die liebe natur ſich tummelt, baͤumt und dehnet. 40. Indeſſen naht ſich ihm der ſchoͤne Zwerg, und ſpricht In ſeiner ſprach ihn an, mit ernſtem angeſicht: Warum entfliehn vor mir, o Huͤon von Guͤyenne? — Wie? du verſtummſt? beym Gott des Himmels den ich kenne Antworte mir! — Nun kehrt die zuverſicht In Huͤons bruſt zuruͤck. Was willſt du mein, erwiedert Der juͤngling. — Fuͤrchte nichts, ſpricht jener; wer das licht Nicht ſcheuen darf, der iſt mit mir verbruͤdert. 41. Ich liebte dich von deiner kindheit an, Und was ich gutes dir beſtimme An keinem Adamskind hab ich es je gethan! Dein herz iſt rein, dein wandel ohne kruͤmme, Wo pflicht und ehre ruft, fragſt du nicht fleiſch und blut, Haſt glauben an dich ſelbſt, haſt in der pruͤfung muth; So kann mein ſchutz dir niemals fehlen, Denn meine ſtrafgewalt trift nur befleckte ſeelen. 42. War C 5

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/47>, abgerufen am 29.04.2024.