thum, darin blühten seine Hoffnungen, darin reif¬ ten seine Pläne, darin herrschte seine That; was draußen und dahinter lag, war für ihn kein Ge¬ genstand der Sehnsucht und der Aufopferungen. Nur das menschlich Gestaltete, das Organische ge¬ dieh ihm zur Lust und Freude, und daher belebte er die ganze Natur, Erde, Himmel und Meer, mit Gestalten, die ihm glichen und die zum Mit¬ gefühl seiner Leiden und Freuden sich herabließen. Und nicht allein auf den Gipfeln des Olymps und des poetischen Parnassus lebte eine persönliche, vielgestaltige Götterwelt, sondern auch auf den Höhen der Philosophie regte sich das plastische Streben des griechischen Geistes und ich sehe in der platonischen Ideenlehre nur Götter, die Plato Ideen nennt und denen er die Idee der Ideen, das Eine, das Gute, als einen Ideenzeus über¬ ordnet, so aber, daß jede durch Theilnahme an der Natur des Einen, eine volle und selbstständige Göttlichkeit genießt.
Wie in Philosophie, Poesie und Kunst, so insbesondere im Staate war das plastische Prin¬ zip der Griechen wirksam, welches wir als ihr oberstes ästhetisches Grundgesetz betrachteten. Un¬ ter den Griechen tritt die Beseelung des Staates, als eines Kunstwerks zuerst hervor, und zwar nach dem allgemeinen Gang und der Natur des Prin¬
thum, darin bluͤhten ſeine Hoffnungen, darin reif¬ ten ſeine Plaͤne, darin herrſchte ſeine That; was draußen und dahinter lag, war fuͤr ihn kein Ge¬ genſtand der Sehnſucht und der Aufopferungen. Nur das menſchlich Geſtaltete, das Organiſche ge¬ dieh ihm zur Luſt und Freude, und daher belebte er die ganze Natur, Erde, Himmel und Meer, mit Geſtalten, die ihm glichen und die zum Mit¬ gefuͤhl ſeiner Leiden und Freuden ſich herabließen. Und nicht allein auf den Gipfeln des Olymps und des poetiſchen Parnaſſus lebte eine perſoͤnliche, vielgeſtaltige Goͤtterwelt, ſondern auch auf den Hoͤhen der Philoſophie regte ſich das plaſtiſche Streben des griechiſchen Geiſtes und ich ſehe in der platoniſchen Ideenlehre nur Goͤtter, die Plato Ideen nennt und denen er die Idee der Ideen, das Eine, das Gute, als einen Ideenzeus uͤber¬ ordnet, ſo aber, daß jede durch Theilnahme an der Natur des Einen, eine volle und ſelbſtſtaͤndige Goͤttlichkeit genießt.
Wie in Philoſophie, Poeſie und Kunſt, ſo insbeſondere im Staate war das plaſtiſche Prin¬ zip der Griechen wirkſam, welches wir als ihr oberſtes aͤſthetiſches Grundgeſetz betrachteten. Un¬ ter den Griechen tritt die Beſeelung des Staates, als eines Kunſtwerks zuerſt hervor, und zwar nach dem allgemeinen Gang und der Natur des Prin¬
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thum, darin bluͤhten ſeine Hoffnungen, darin reif¬
ten ſeine Plaͤne, darin herrſchte ſeine That; was
draußen und dahinter lag, war fuͤr ihn kein Ge¬
genſtand der Sehnſucht und der Aufopferungen.
Nur das menſchlich Geſtaltete, das Organiſche ge¬
dieh ihm zur Luſt und Freude, und daher belebte
er die ganze Natur, Erde, Himmel und Meer,
mit Geſtalten, die ihm glichen und die zum Mit¬
gefuͤhl ſeiner Leiden und Freuden ſich herabließen.
Und nicht allein auf den Gipfeln des Olymps
und des poetiſchen Parnaſſus lebte eine perſoͤnliche,
vielgeſtaltige Goͤtterwelt, ſondern auch auf den
Hoͤhen der Philoſophie regte ſich das plaſtiſche
Streben des griechiſchen Geiſtes und ich ſehe in
der platoniſchen Ideenlehre nur Goͤtter, die Plato
Ideen nennt und denen er die Idee der Ideen,
das Eine, das Gute, als einen Ideenzeus uͤber¬
ordnet, ſo aber, daß jede durch Theilnahme an
der Natur des Einen, eine volle und ſelbſtſtaͤndige
Goͤttlichkeit genießt.
Wie in Philoſophie, Poeſie und Kunſt, ſo
insbeſondere im Staate war das plaſtiſche Prin¬
zip der Griechen wirkſam, welches wir als ihr
oberſtes aͤſthetiſches Grundgeſetz betrachteten. Un¬
ter den Griechen tritt die Beſeelung des Staates,
als eines Kunſtwerks zuerſt hervor, und zwar nach
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/120>, abgerufen am 21.11.2024.
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