diese alte Zeit mit Hoffnungen, die Todtenfarbe schimmert hindurch; vergebens sucht sie sich an das junge Leben anzuklammern, jeder Pulsschlag drängt sie weiter zurück.
Unsere Zeit gleicht der Zeit des Kaisers Ju¬ lian und sie gleicht ihr in so überraschenden Zü¬ gen, daß wir darin eine wunderbare Fügung des Schicksals erblicken müssen. Unserer Zeit ging vorauf die Revolution und Napoleon ihr Erbe, der Konduktor ihrer elektrischen Freiheitsschläge; dann kam die heilige Allianz, der Bund der alten Mächte gegen die neuen und es begann der Kampf zwischen dem alten und neuen Genius, überall, wo dieser aus dem webenden Dunkel hervortrat und Gestalt anzunehmen versuchte, glücklich oder unglücklich, bisher ohne Sieg, Niederlage und Ab¬ schluß. Auch der Zeit des Julian ging eine Re¬ volution vorher und Konstantin hieß der Kaiser, der die Klugheit hatte, sich an ihre Spitze zu stel¬ len und ihr Symbol, das Kreuz, auf die Standar¬ ten jener Legionen zu pflanzen, welche Christum gekreuzigt und Jerusalem zerstört hatten. Aber noch schwankte der Sieg, denn die Institute des Heidenthums waren zu massiv und das Christen¬ thum war nur noch ein reiner Spiritus, ein über¬ irdischer Pilger, der ohne Schimmer und Prunk einherging und sein zweischneidiges Schwert unter
dieſe alte Zeit mit Hoffnungen, die Todtenfarbe ſchimmert hindurch; vergebens ſucht ſie ſich an das junge Leben anzuklammern, jeder Pulsſchlag draͤngt ſie weiter zuruͤck.
Unſere Zeit gleicht der Zeit des Kaiſers Ju¬ lian und ſie gleicht ihr in ſo uͤberraſchenden Zuͤ¬ gen, daß wir darin eine wunderbare Fuͤgung des Schickſals erblicken muͤſſen. Unſerer Zeit ging vorauf die Revolution und Napoleon ihr Erbe, der Konduktor ihrer elektriſchen Freiheitsſchlaͤge; dann kam die heilige Allianz, der Bund der alten Maͤchte gegen die neuen und es begann der Kampf zwiſchen dem alten und neuen Genius, uͤberall, wo dieſer aus dem webenden Dunkel hervortrat und Geſtalt anzunehmen verſuchte, gluͤcklich oder ungluͤcklich, bisher ohne Sieg, Niederlage und Ab¬ ſchluß. Auch der Zeit des Julian ging eine Re¬ volution vorher und Konſtantin hieß der Kaiſer, der die Klugheit hatte, ſich an ihre Spitze zu ſtel¬ len und ihr Symbol, das Kreuz, auf die Standar¬ ten jener Legionen zu pflanzen, welche Chriſtum gekreuzigt und Jeruſalem zerſtoͤrt hatten. Aber noch ſchwankte der Sieg, denn die Inſtitute des Heidenthums waren zu maſſiv und das Chriſten¬ thum war nur noch ein reiner Spiritus, ein uͤber¬ irdiſcher Pilger, der ohne Schimmer und Prunk einherging und ſein zweiſchneidiges Schwert unter
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dieſe alte Zeit mit Hoffnungen, die Todtenfarbe
ſchimmert hindurch; vergebens ſucht ſie ſich an
das junge Leben anzuklammern, jeder Pulsſchlag
draͤngt ſie weiter zuruͤck.
Unſere Zeit gleicht der Zeit des Kaiſers Ju¬
lian und ſie gleicht ihr in ſo uͤberraſchenden Zuͤ¬
gen, daß wir darin eine wunderbare Fuͤgung des
Schickſals erblicken muͤſſen. Unſerer Zeit ging
vorauf die Revolution und Napoleon ihr Erbe,
der Konduktor ihrer elektriſchen Freiheitsſchlaͤge;
dann kam die heilige Allianz, der Bund der alten
Maͤchte gegen die neuen und es begann der Kampf
zwiſchen dem alten und neuen Genius, uͤberall,
wo dieſer aus dem webenden Dunkel hervortrat
und Geſtalt anzunehmen verſuchte, gluͤcklich oder
ungluͤcklich, bisher ohne Sieg, Niederlage und Ab¬
ſchluß. Auch der Zeit des Julian ging eine Re¬
volution vorher und Konſtantin hieß der Kaiſer,
der die Klugheit hatte, ſich an ihre Spitze zu ſtel¬
len und ihr Symbol, das Kreuz, auf die Standar¬
ten jener Legionen zu pflanzen, welche Chriſtum
gekreuzigt und Jeruſalem zerſtoͤrt hatten. Aber
noch ſchwankte der Sieg, denn die Inſtitute des
Heidenthums waren zu maſſiv und das Chriſten¬
thum war nur noch ein reiner Spiritus, ein uͤber¬
irdiſcher Pilger, der ohne Schimmer und Prunk
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/131>, abgerufen am 24.11.2024.
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