die gemeinsamen Symbole dieses Geistes? Es ist wahr, er weht durch die ganze Welt und wir hören sein Brausen, aber wissen wir auch, woher er kommt, wohin er geht? Es ist wahr, wir rei¬ ßen uns allmählig aus der Umarmung des starr¬ gewordenen Lebens los, wir fühlen uns mit Geist und Sinnen in eine neue Strömung versetzt, die uns unaufhaltsam mit sich fortreißt, wir sehen neue Sterne vor unserm Blicke aufgehen, aber wissen wir auch, welchen Ufern die Welle uns zutreibt? Prophetisch ist jede Zeile, die gedruckt, jedes Wort, das gesprochen, jede That, die voll¬ führt wird, aber messianisch keine. Sollen wir, wie die Juden, den Messias erwarten, als eine Person, oder sollen wir einer innern Ahnung Glauben schenken, die uns zuflüstert, vorüber sind die messianischen Zeiten, wo die Offenbarung aus¬ ging von einem Einzigen, die Zeit selbst ist fort¬ hin der gebenedeite Schooß der Jungfrau, der vom Geist befruchtet wird und das ist die Erfül¬ lung der alten Weissagung von einer Zeit, wo alle Jünglinge und Jungfrauen sich dem Zuge der Begeisterung überlassen?
Wie dem auch ist, so unbezeugt hat sich die Zukunft nicht gelassen, so unsicher, verwirrt und schwach sind nicht die Aeußerungen des neuen Gei¬ stes bisher gewesen, um jeden divinatorischen Ver¬
die gemeinſamen Symbole dieſes Geiſtes? Es iſt wahr, er weht durch die ganze Welt und wir hoͤren ſein Brauſen, aber wiſſen wir auch, woher er kommt, wohin er geht? Es iſt wahr, wir rei¬ ßen uns allmaͤhlig aus der Umarmung des ſtarr¬ gewordenen Lebens los, wir fuͤhlen uns mit Geiſt und Sinnen in eine neue Stroͤmung verſetzt, die uns unaufhaltſam mit ſich fortreißt, wir ſehen neue Sterne vor unſerm Blicke aufgehen, aber wiſſen wir auch, welchen Ufern die Welle uns zutreibt? Prophetiſch iſt jede Zeile, die gedruckt, jedes Wort, das geſprochen, jede That, die voll¬ fuͤhrt wird, aber meſſianiſch keine. Sollen wir, wie die Juden, den Meſſias erwarten, als eine Perſon, oder ſollen wir einer innern Ahnung Glauben ſchenken, die uns zufluͤſtert, voruͤber ſind die meſſianiſchen Zeiten, wo die Offenbarung aus¬ ging von einem Einzigen, die Zeit ſelbſt iſt fort¬ hin der gebenedeite Schooß der Jungfrau, der vom Geiſt befruchtet wird und das iſt die Erfuͤl¬ lung der alten Weiſſagung von einer Zeit, wo alle Juͤnglinge und Jungfrauen ſich dem Zuge der Begeiſterung uͤberlaſſen?
Wie dem auch iſt, ſo unbezeugt hat ſich die Zukunft nicht gelaſſen, ſo unſicher, verwirrt und ſchwach ſind nicht die Aeußerungen des neuen Gei¬ ſtes bisher geweſen, um jeden divinatoriſchen Ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0133"n="119"/>
die gemeinſamen Symbole dieſes Geiſtes? Es iſt<lb/>
wahr, er weht durch die ganze Welt und wir<lb/>
hoͤren ſein Brauſen, aber wiſſen wir auch, woher<lb/>
er kommt, wohin er geht? Es iſt wahr, wir rei¬<lb/>
ßen uns allmaͤhlig aus der Umarmung des ſtarr¬<lb/>
gewordenen Lebens los, wir fuͤhlen uns mit Geiſt<lb/>
und Sinnen in eine neue Stroͤmung verſetzt, die<lb/>
uns unaufhaltſam mit ſich fortreißt, wir ſehen<lb/>
neue Sterne vor unſerm Blicke aufgehen, aber<lb/>
wiſſen wir auch, welchen Ufern die Welle uns<lb/>
zutreibt? Prophetiſch iſt jede Zeile, die gedruckt,<lb/>
jedes Wort, das geſprochen, jede That, die voll¬<lb/>
fuͤhrt wird, aber meſſianiſch keine. Sollen wir,<lb/>
wie die Juden, den Meſſias erwarten, als eine<lb/>
Perſon, oder ſollen wir einer innern Ahnung<lb/>
Glauben ſchenken, die uns zufluͤſtert, voruͤber ſind<lb/>
die meſſianiſchen Zeiten, wo die Offenbarung aus¬<lb/>
ging von einem Einzigen, die Zeit ſelbſt iſt fort¬<lb/>
hin der gebenedeite Schooß der Jungfrau, der<lb/>
vom Geiſt befruchtet wird und das iſt die Erfuͤl¬<lb/>
lung der alten Weiſſagung von einer Zeit, wo alle<lb/>
Juͤnglinge und Jungfrauen ſich dem Zuge der<lb/>
Begeiſterung uͤberlaſſen?</p><lb/><p>Wie dem auch iſt, ſo unbezeugt hat ſich die<lb/>
Zukunft nicht gelaſſen, ſo unſicher, verwirrt und<lb/>ſchwach ſind nicht die Aeußerungen des neuen Gei¬<lb/>ſtes bisher geweſen, um jeden divinatoriſchen Ver¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[119/0133]
die gemeinſamen Symbole dieſes Geiſtes? Es iſt
wahr, er weht durch die ganze Welt und wir
hoͤren ſein Brauſen, aber wiſſen wir auch, woher
er kommt, wohin er geht? Es iſt wahr, wir rei¬
ßen uns allmaͤhlig aus der Umarmung des ſtarr¬
gewordenen Lebens los, wir fuͤhlen uns mit Geiſt
und Sinnen in eine neue Stroͤmung verſetzt, die
uns unaufhaltſam mit ſich fortreißt, wir ſehen
neue Sterne vor unſerm Blicke aufgehen, aber
wiſſen wir auch, welchen Ufern die Welle uns
zutreibt? Prophetiſch iſt jede Zeile, die gedruckt,
jedes Wort, das geſprochen, jede That, die voll¬
fuͤhrt wird, aber meſſianiſch keine. Sollen wir,
wie die Juden, den Meſſias erwarten, als eine
Perſon, oder ſollen wir einer innern Ahnung
Glauben ſchenken, die uns zufluͤſtert, voruͤber ſind
die meſſianiſchen Zeiten, wo die Offenbarung aus¬
ging von einem Einzigen, die Zeit ſelbſt iſt fort¬
hin der gebenedeite Schooß der Jungfrau, der
vom Geiſt befruchtet wird und das iſt die Erfuͤl¬
lung der alten Weiſſagung von einer Zeit, wo alle
Juͤnglinge und Jungfrauen ſich dem Zuge der
Begeiſterung uͤberlaſſen?
Wie dem auch iſt, ſo unbezeugt hat ſich die
Zukunft nicht gelaſſen, ſo unſicher, verwirrt und
ſchwach ſind nicht die Aeußerungen des neuen Gei¬
ſtes bisher geweſen, um jeden divinatoriſchen Ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/133>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.