Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

rigsten Reden halten, als Politiker die feinsten
Staatspläne spinnen, aber du kannst es auch zum
Heil der Welt eben so gut lassen, denn dein Traum
entzückt nicht, deine Rede bekehrt nicht, dein Ge¬
spinnst hält nicht, du bist der Zeit verfallen, die
Geschichte kennt dich nicht und wenn du dem Le¬
bendigen und Wachen über den Weg kommst, so
wirst du bei Seite geschoben.

Kaum aber läßt sich erwarten, daß ein auf¬
richtiger und unparteilicher Zuschauer der Weltbe¬
gebenheiten, ein Prüfer seines eigenen Herzens
die mächtige Scheidewand verkennen wird, die un¬
widerruflich zwischen uns und der alten Zeit nie¬
dergefallen ist. Schon vor 400 Jahren begann
die Bildung der neuern Zeit und ein Deutscher
war es, der den ersten Grundstein dazu legte.
Die Erfindung der Buchdruckerkunst durch Faust
hat die geistige Kastenordnung in der europäischen
Welt zuerst gebrochen, und indem sie eine unbe¬
schränkte Gemeinschaft der Geister einführte, die
Schranken umgestürzt, welche der Despotismus
des Staats und der Wissenschaft um sich erbaut.
Eine unendliche Masse von Licht hat sich über
Europa ausgegossen und Luther Flammen aus
Licht gezaubert und verzehrend die alten Heiligthü¬
mer angetastet. Der Sohn dieses Lichts und die¬
ser Flamme, der Verstand, errang die Herrschaft

8 **

rigſten Reden halten, als Politiker die feinſten
Staatsplaͤne ſpinnen, aber du kannſt es auch zum
Heil der Welt eben ſo gut laſſen, denn dein Traum
entzuͤckt nicht, deine Rede bekehrt nicht, dein Ge¬
ſpinnſt haͤlt nicht, du biſt der Zeit verfallen, die
Geſchichte kennt dich nicht und wenn du dem Le¬
bendigen und Wachen uͤber den Weg kommſt, ſo
wirſt du bei Seite geſchoben.

Kaum aber laͤßt ſich erwarten, daß ein auf¬
richtiger und unparteilicher Zuſchauer der Weltbe¬
gebenheiten, ein Pruͤfer ſeines eigenen Herzens
die maͤchtige Scheidewand verkennen wird, die un¬
widerruflich zwiſchen uns und der alten Zeit nie¬
dergefallen iſt. Schon vor 400 Jahren begann
die Bildung der neuern Zeit und ein Deutſcher
war es, der den erſten Grundſtein dazu legte.
Die Erfindung der Buchdruckerkunſt durch Fauſt
hat die geiſtige Kaſtenordnung in der europaͤiſchen
Welt zuerſt gebrochen, und indem ſie eine unbe¬
ſchraͤnkte Gemeinſchaft der Geiſter einfuͤhrte, die
Schranken umgeſtuͤrzt, welche der Despotismus
des Staats und der Wiſſenſchaft um ſich erbaut.
Eine unendliche Maſſe von Licht hat ſich uͤber
Europa ausgegoſſen und Luther Flammen aus
Licht gezaubert und verzehrend die alten Heiligthuͤ¬
mer angetaſtet. Der Sohn dieſes Lichts und die¬
ſer Flamme, der Verſtand, errang die Herrſchaft

8 **
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="121"/>
rig&#x017F;ten Reden halten, als Politiker die fein&#x017F;ten<lb/>
Staatspla&#x0364;ne &#x017F;pinnen, aber du kann&#x017F;t es auch zum<lb/>
Heil der Welt eben &#x017F;o gut la&#x017F;&#x017F;en, denn dein Traum<lb/>
entzu&#x0364;ckt nicht, deine Rede bekehrt nicht, dein Ge¬<lb/>
&#x017F;pinn&#x017F;t ha&#x0364;lt nicht, du bi&#x017F;t der Zeit verfallen, die<lb/>
Ge&#x017F;chichte kennt dich nicht und wenn du dem Le¬<lb/>
bendigen und Wachen u&#x0364;ber den Weg komm&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
wir&#x017F;t du bei Seite ge&#x017F;choben.</p><lb/>
        <p>Kaum aber la&#x0364;ßt &#x017F;ich erwarten, daß ein auf¬<lb/>
richtiger und unparteilicher Zu&#x017F;chauer der Weltbe¬<lb/>
gebenheiten, ein Pru&#x0364;fer &#x017F;eines eigenen Herzens<lb/>
die ma&#x0364;chtige Scheidewand verkennen wird, die un¬<lb/>
widerruflich zwi&#x017F;chen uns und der alten Zeit nie¬<lb/>
dergefallen i&#x017F;t. Schon vor 400 Jahren begann<lb/>
die Bildung der neuern Zeit und ein Deut&#x017F;cher<lb/>
war es, der den er&#x017F;ten Grund&#x017F;tein dazu legte.<lb/>
Die Erfindung der Buchdruckerkun&#x017F;t durch Fau&#x017F;t<lb/>
hat die gei&#x017F;tige Ka&#x017F;tenordnung in der europa&#x0364;i&#x017F;chen<lb/>
Welt zuer&#x017F;t gebrochen, und indem &#x017F;ie eine unbe¬<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkte Gemein&#x017F;chaft der Gei&#x017F;ter einfu&#x0364;hrte, die<lb/>
Schranken umge&#x017F;tu&#x0364;rzt, welche der Despotismus<lb/>
des Staats und der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft um &#x017F;ich erbaut.<lb/>
Eine unendliche Ma&#x017F;&#x017F;e von Licht hat &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
Europa ausgego&#x017F;&#x017F;en und Luther Flammen aus<lb/>
Licht gezaubert und verzehrend die alten Heiligthu&#x0364;¬<lb/>
mer angeta&#x017F;tet. Der Sohn die&#x017F;es Lichts und die¬<lb/>
&#x017F;er Flamme, der Ver&#x017F;tand, errang die Herr&#x017F;chaft<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8 **<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0135] rigſten Reden halten, als Politiker die feinſten Staatsplaͤne ſpinnen, aber du kannſt es auch zum Heil der Welt eben ſo gut laſſen, denn dein Traum entzuͤckt nicht, deine Rede bekehrt nicht, dein Ge¬ ſpinnſt haͤlt nicht, du biſt der Zeit verfallen, die Geſchichte kennt dich nicht und wenn du dem Le¬ bendigen und Wachen uͤber den Weg kommſt, ſo wirſt du bei Seite geſchoben. Kaum aber laͤßt ſich erwarten, daß ein auf¬ richtiger und unparteilicher Zuſchauer der Weltbe¬ gebenheiten, ein Pruͤfer ſeines eigenen Herzens die maͤchtige Scheidewand verkennen wird, die un¬ widerruflich zwiſchen uns und der alten Zeit nie¬ dergefallen iſt. Schon vor 400 Jahren begann die Bildung der neuern Zeit und ein Deutſcher war es, der den erſten Grundſtein dazu legte. Die Erfindung der Buchdruckerkunſt durch Fauſt hat die geiſtige Kaſtenordnung in der europaͤiſchen Welt zuerſt gebrochen, und indem ſie eine unbe¬ ſchraͤnkte Gemeinſchaft der Geiſter einfuͤhrte, die Schranken umgeſtuͤrzt, welche der Despotismus des Staats und der Wiſſenſchaft um ſich erbaut. Eine unendliche Maſſe von Licht hat ſich uͤber Europa ausgegoſſen und Luther Flammen aus Licht gezaubert und verzehrend die alten Heiligthuͤ¬ mer angetaſtet. Der Sohn dieſes Lichts und die¬ ſer Flamme, der Verſtand, errang die Herrſchaft 8 **

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/135
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/135>, abgerufen am 21.11.2024.