in sinnlich-geistiger Eintracht organische Monaden bildeten und ein Leben der Frische und Gesund¬ heit führten. Von dem Einen berichtet uns die Sage des Paradieses, von dem Andern die Ge¬ schichte Griechenlands. Indien vernichtete das Sinnliche, Palästina überhob das Geistige, zwi¬ schen beiden blühte Griechenland wie zwischen zwei Abgründen, deren bodenlose Tiefe es ahnungs¬ los mit Rosen und Lorbeeren überstreute. Aber die Menschheit mußte hinüber und dem germani¬ schen Stamm war es vorbehalten, in die tiefste Tiefe hinabzuschauen und selig den zu preisen, "der lebt im rosigen Licht." Dem germanisirten Europa bleibt die dritte Entwicklungsstufe der Menschheit vorbehalten, in der das Sinnliche durchgeistigter wie bei den Griechen, das Gei¬ stige durchsinnlichter wie bei den Christen zur Er¬ scheinung kommt. So gleicht das Menschenge¬ schlecht in seiner geschichtlichen Entwicklung einem wahren Organismus, einer erhabenen Pflanze, die von Zeit zu Zeit in neue Knoten anschießt, sich zusammenschließt, um sich desto kräftiger wieder zu entfalten.
in ſinnlich-geiſtiger Eintracht organiſche Monaden bildeten und ein Leben der Friſche und Geſund¬ heit fuͤhrten. Von dem Einen berichtet uns die Sage des Paradieſes, von dem Andern die Ge¬ ſchichte Griechenlands. Indien vernichtete das Sinnliche, Palaͤſtina uͤberhob das Geiſtige, zwi¬ ſchen beiden bluͤhte Griechenland wie zwiſchen zwei Abgruͤnden, deren bodenloſe Tiefe es ahnungs¬ los mit Roſen und Lorbeeren uͤberſtreute. Aber die Menſchheit mußte hinuͤber und dem germani¬ ſchen Stamm war es vorbehalten, in die tiefſte Tiefe hinabzuſchauen und ſelig den zu preiſen, „der lebt im roſigen Licht.“ Dem germaniſirten Europa bleibt die dritte Entwicklungsſtufe der Menſchheit vorbehalten, in der das Sinnliche durchgeiſtigter wie bei den Griechen, das Gei¬ ſtige durchſinnlichter wie bei den Chriſten zur Er¬ ſcheinung kommt. So gleicht das Menſchenge¬ ſchlecht in ſeiner geſchichtlichen Entwicklung einem wahren Organismus, einer erhabenen Pflanze, die von Zeit zu Zeit in neue Knoten anſchießt, ſich zuſammenſchließt, um ſich deſto kraͤftiger wieder zu entfalten.
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in ſinnlich-geiſtiger Eintracht organiſche Monaden
bildeten und ein Leben der Friſche und Geſund¬
heit fuͤhrten. Von dem Einen berichtet uns die
Sage des Paradieſes, von dem Andern die Ge¬
ſchichte Griechenlands. Indien vernichtete das
Sinnliche, Palaͤſtina uͤberhob das Geiſtige, zwi¬
ſchen beiden bluͤhte Griechenland wie zwiſchen zwei
Abgruͤnden, deren bodenloſe Tiefe es ahnungs¬
los mit Roſen und Lorbeeren uͤberſtreute. Aber
die Menſchheit mußte hinuͤber und dem germani¬
ſchen Stamm war es vorbehalten, in die tiefſte
Tiefe hinabzuſchauen und ſelig den zu preiſen,
„der lebt im roſigen Licht.“ Dem germaniſirten
Europa bleibt die dritte Entwicklungsſtufe der
Menſchheit vorbehalten, in der das Sinnliche
durchgeiſtigter wie bei den Griechen, das Gei¬
ſtige durchſinnlichter wie bei den Chriſten zur Er¬
ſcheinung kommt. So gleicht das Menſchenge¬
ſchlecht in ſeiner geſchichtlichen Entwicklung einem
wahren Organismus, einer erhabenen Pflanze, die
von Zeit zu Zeit in neue Knoten anſchießt, ſich
zuſammenſchließt, um ſich deſto kraͤftiger wieder
zu entfalten.
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/140>, abgerufen am 18.12.2024.
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