Wir haben uns in die Weltanschauung der In¬ dier, der Griechen, des christkatholischen Mittel¬ alters versetzt, und gesehen, wie eine nach der andern mit Leben, Kunst und Dichtung ihren Kreis in der Zeit beschloß und einem unabänder¬ lichen Schicksal anheimfiel. Dadurch bestätigte sich uns die aufgestellte Ansicht, daß die Aesthetik, wenn irgend etwas eine geschichtlich geschlossene Dißiplin ist, und als solche einem viel höhern, aber zugleich auch beschränkteren Standpunkt an¬ gehört, als man ihr gewöhnlich einräumt, näm¬ lich dem Standpunkt der jedesmaligen Weltan¬ schauung selber. In diesem Sinne ist freilich keine Aesthetik der Indier, der Griechen, des Mittelalters vorhanden, wenn wir unter diesem
Neunte Vorleſung.
Wir haben uns in die Weltanſchauung der In¬ dier, der Griechen, des chriſtkatholiſchen Mittel¬ alters verſetzt, und geſehen, wie eine nach der andern mit Leben, Kunſt und Dichtung ihren Kreis in der Zeit beſchloß und einem unabaͤnder¬ lichen Schickſal anheimfiel. Dadurch beſtaͤtigte ſich uns die aufgeſtellte Anſicht, daß die Aeſthetik, wenn irgend etwas eine geſchichtlich geſchloſſene Diſziplin iſt, und als ſolche einem viel hoͤhern, aber zugleich auch beſchraͤnkteren Standpunkt an¬ gehoͤrt, als man ihr gewoͤhnlich einraͤumt, naͤm¬ lich dem Standpunkt der jedesmaligen Weltan¬ ſchauung ſelber. In dieſem Sinne iſt freilich keine Aeſthetik der Indier, der Griechen, des Mittelalters vorhanden, wenn wir unter dieſem
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Neunte Vorleſung.
Wir haben uns in die Weltanſchauung der In¬
dier, der Griechen, des chriſtkatholiſchen Mittel¬
alters verſetzt, und geſehen, wie eine nach der
andern mit Leben, Kunſt und Dichtung ihren
Kreis in der Zeit beſchloß und einem unabaͤnder¬
lichen Schickſal anheimfiel. Dadurch beſtaͤtigte
ſich uns die aufgeſtellte Anſicht, daß die Aeſthetik,
wenn irgend etwas eine geſchichtlich geſchloſſene
Diſziplin iſt, und als ſolche einem viel hoͤhern,
aber zugleich auch beſchraͤnkteren Standpunkt an¬
gehoͤrt, als man ihr gewoͤhnlich einraͤumt, naͤm¬
lich dem Standpunkt der jedesmaligen Weltan¬
ſchauung ſelber. In dieſem Sinne iſt freilich
keine Aeſthetik der Indier, der Griechen, des
Mittelalters vorhanden, wenn wir unter dieſem
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/141>, abgerufen am 21.11.2024.
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