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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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Indem ich dies Geständniß, das ich schon
in der ersten Stunde ablegte, wiederhole, nach¬
dem mir alles Bisherige zur Erläuterung und Ar¬
gumentation desselben gedient hat, schreite ich zur
Beantwortung der Frage, was denn, da die Aesthe¬
tik gegenwärtig ihrer Aufgabe, eine lebendig ge¬
schichtliche zu sein, durchaus nicht entsprechen kann,
von Aesthetik noch bleibt.

Zunächst wird Jeder gleich sehen, daß uns
hier ein reicher Spielraum für individuelle An¬
sichten aufnimmt, und daß jeder heutige Aestheti¬
ker sich in den Fall versetzt findet, mit hinlängli¬
cher Willkühr den alten Weg zu verfolgen und
aus dem Chaos untergegangener Schönheiten belie¬
big Dies und Jenes auszuwählen, bald mehr die
klassischen, bald mehr die romantischen zu begün¬
stigen, bald mehr die Kunst, bald mehr die Poesie
in sein Gebiet hereinzuziehen, oder auch den rhe¬
torischen Schönheiten das Uebergewicht zu ver¬
statten.

Aus diesem Wirrwarr ist wirklich das, was
wir heutiges Tags Aesthetik nennen, entsprungen.
Man ist ausgegangen, sagt Herbart, von der
Thatsache, daß über Sachen des Geschmacks ver¬
schieden geurtheilt wird; man wünscht aber zu
einer sichern Entscheidung zu kommen, und nun
betrachtet und behandelt man die Aesthetik als

Indem ich dies Geſtaͤndniß, das ich ſchon
in der erſten Stunde ablegte, wiederhole, nach¬
dem mir alles Bisherige zur Erlaͤuterung und Ar¬
gumentation deſſelben gedient hat, ſchreite ich zur
Beantwortung der Frage, was denn, da die Aeſthe¬
tik gegenwaͤrtig ihrer Aufgabe, eine lebendig ge¬
ſchichtliche zu ſein, durchaus nicht entſprechen kann,
von Aeſthetik noch bleibt.

Zunaͤchſt wird Jeder gleich ſehen, daß uns
hier ein reicher Spielraum fuͤr individuelle An¬
ſichten aufnimmt, und daß jeder heutige Aeſtheti¬
ker ſich in den Fall verſetzt findet, mit hinlaͤngli¬
cher Willkuͤhr den alten Weg zu verfolgen und
aus dem Chaos untergegangener Schoͤnheiten belie¬
big Dies und Jenes auszuwaͤhlen, bald mehr die
klaſſiſchen, bald mehr die romantiſchen zu beguͤn¬
ſtigen, bald mehr die Kunſt, bald mehr die Poeſie
in ſein Gebiet hereinzuziehen, oder auch den rhe¬
toriſchen Schoͤnheiten das Uebergewicht zu ver¬
ſtatten.

Aus dieſem Wirrwarr iſt wirklich das, was
wir heutiges Tags Aeſthetik nennen, entſprungen.
Man iſt ausgegangen, ſagt Herbart, von der
Thatſache, daß uͤber Sachen des Geſchmacks ver¬
ſchieden geurtheilt wird; man wuͤnſcht aber zu
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[136/0150] Indem ich dies Geſtaͤndniß, das ich ſchon in der erſten Stunde ablegte, wiederhole, nach¬ dem mir alles Bisherige zur Erlaͤuterung und Ar¬ gumentation deſſelben gedient hat, ſchreite ich zur Beantwortung der Frage, was denn, da die Aeſthe¬ tik gegenwaͤrtig ihrer Aufgabe, eine lebendig ge¬ ſchichtliche zu ſein, durchaus nicht entſprechen kann, von Aeſthetik noch bleibt. Zunaͤchſt wird Jeder gleich ſehen, daß uns hier ein reicher Spielraum fuͤr individuelle An¬ ſichten aufnimmt, und daß jeder heutige Aeſtheti¬ ker ſich in den Fall verſetzt findet, mit hinlaͤngli¬ cher Willkuͤhr den alten Weg zu verfolgen und aus dem Chaos untergegangener Schoͤnheiten belie¬ big Dies und Jenes auszuwaͤhlen, bald mehr die klaſſiſchen, bald mehr die romantiſchen zu beguͤn¬ ſtigen, bald mehr die Kunſt, bald mehr die Poeſie in ſein Gebiet hereinzuziehen, oder auch den rhe¬ toriſchen Schoͤnheiten das Uebergewicht zu ver¬ ſtatten. Aus dieſem Wirrwarr iſt wirklich das, was wir heutiges Tags Aeſthetik nennen, entſprungen. Man iſt ausgegangen, ſagt Herbart, von der Thatſache, daß uͤber Sachen des Geſchmacks ver¬ ſchieden geurtheilt wird; man wuͤnſcht aber zu einer ſichern Entſcheidung zu kommen, und nun betrachtet und behandelt man die Aeſthetik als

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/150>, abgerufen am 24.11.2024.