Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

drüßig, sie will nicht länger im Umkreis weniger
Schritte, im verdeckten Kasten, auf den Wink
ihres Bereiters ihre edle Kraft vergeuden, und
peitscht sie nur, quält sie nur, reißt sie nur im
Zügel, sie hat die offene Thür und das reiche,
grüne Feld gesehen, ein Schlag, ein Satz und
ihr liegt unter ihren Hufen und ein anderer Rei¬
ter schwebt mit ihr der Freiheit entgegen.

Ich habe bisher nur von der philosophischen
Moral dieses und des vorigen Jahrhunderts ge¬
sprochen, von dieser Antagonistin der menschlichen
Kraft und Schönheit, die mit der Anmaßung, eine
absolute zu sein, in Deutschland auftrat. Ich
darf Ihnen wohl kaum erklären, daß jede philoso¬
phische Moral, erscheine sie, zu welcher Zeit sie
wolle, die sich für absolut ausgibt, nur ein Mach¬
werk der Schule und keine Moral des Lebens sei,
da dieses immer nur unter konkreten Bedingungen
zur Erscheinung kommt. Jede geschichtliche Welt¬
anschauung hat ihr eignes moralisches Prinzip und
so lange die christliche blühte, gab es außer der
christlichen Moral keine andere, die das Gesetz des
Lebens in sich trug: Man schreibe, wenn man
kann, ein Moralkompendium des 13. Jahrhunderts,
eine Moral christlichen Ritterthums und Bürger¬
thums, da besäße man doch wenigstens ein ver¬
dienstvolles historisches Werk, das alle die aus

druͤßig, ſie will nicht laͤnger im Umkreis weniger
Schritte, im verdeckten Kaſten, auf den Wink
ihres Bereiters ihre edle Kraft vergeuden, und
peitſcht ſie nur, quaͤlt ſie nur, reißt ſie nur im
Zuͤgel, ſie hat die offene Thuͤr und das reiche,
gruͤne Feld geſehen, ein Schlag, ein Satz und
ihr liegt unter ihren Hufen und ein anderer Rei¬
ter ſchwebt mit ihr der Freiheit entgegen.

Ich habe bisher nur von der philoſophiſchen
Moral dieſes und des vorigen Jahrhunderts ge¬
ſprochen, von dieſer Antagoniſtin der menſchlichen
Kraft und Schoͤnheit, die mit der Anmaßung, eine
abſolute zu ſein, in Deutſchland auftrat. Ich
darf Ihnen wohl kaum erklaͤren, daß jede philoſo¬
phiſche Moral, erſcheine ſie, zu welcher Zeit ſie
wolle, die ſich fuͤr abſolut ausgibt, nur ein Mach¬
werk der Schule und keine Moral des Lebens ſei,
da dieſes immer nur unter konkreten Bedingungen
zur Erſcheinung kommt. Jede geſchichtliche Welt¬
anſchauung hat ihr eignes moraliſches Prinzip und
ſo lange die chriſtliche bluͤhte, gab es außer der
chriſtlichen Moral keine andere, die das Geſetz des
Lebens in ſich trug: Man ſchreibe, wenn man
kann, ein Moralkompendium des 13. Jahrhunderts,
eine Moral chriſtlichen Ritterthums und Buͤrger¬
thums, da beſaͤße man doch wenigſtens ein ver¬
dienſtvolles hiſtoriſches Werk, das alle die aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="166"/>
dru&#x0364;ßig, &#x017F;ie will nicht la&#x0364;nger im Umkreis weniger<lb/>
Schritte, im verdeckten Ka&#x017F;ten, auf den Wink<lb/>
ihres Bereiters ihre edle Kraft vergeuden, und<lb/>
peit&#x017F;cht &#x017F;ie nur, qua&#x0364;lt &#x017F;ie nur, reißt &#x017F;ie nur im<lb/>
Zu&#x0364;gel, &#x017F;ie hat die offene Thu&#x0364;r und das reiche,<lb/>
gru&#x0364;ne Feld ge&#x017F;ehen, ein Schlag, ein Satz und<lb/>
ihr liegt unter ihren Hufen und ein anderer Rei¬<lb/>
ter &#x017F;chwebt mit ihr der Freiheit entgegen.</p><lb/>
        <p>Ich habe bisher nur von der philo&#x017F;ophi&#x017F;chen<lb/>
Moral die&#x017F;es und des vorigen Jahrhunderts ge¬<lb/>
&#x017F;prochen, von die&#x017F;er Antagoni&#x017F;tin der men&#x017F;chlichen<lb/>
Kraft und Scho&#x0364;nheit, die mit der Anmaßung, eine<lb/>
ab&#x017F;olute zu &#x017F;ein, in Deut&#x017F;chland auftrat. Ich<lb/>
darf Ihnen wohl kaum erkla&#x0364;ren, daß jede philo&#x017F;<lb/>
phi&#x017F;che Moral, er&#x017F;cheine &#x017F;ie, zu welcher Zeit &#x017F;ie<lb/>
wolle, die &#x017F;ich fu&#x0364;r ab&#x017F;olut ausgibt, nur ein Mach¬<lb/>
werk der Schule und keine Moral des Lebens &#x017F;ei,<lb/>
da die&#x017F;es immer nur unter konkreten Bedingungen<lb/>
zur Er&#x017F;cheinung kommt. Jede ge&#x017F;chichtliche Welt¬<lb/>
an&#x017F;chauung hat ihr eignes morali&#x017F;ches Prinzip und<lb/>
&#x017F;o lange die chri&#x017F;tliche blu&#x0364;hte, gab es außer der<lb/>
chri&#x017F;tlichen Moral keine andere, die das Ge&#x017F;etz des<lb/>
Lebens in &#x017F;ich trug: Man &#x017F;chreibe, wenn man<lb/>
kann, ein Moralkompendium des 13. Jahrhunderts,<lb/>
eine Moral chri&#x017F;tlichen Ritterthums und Bu&#x0364;rger¬<lb/>
thums, da be&#x017F;a&#x0364;ße man doch wenig&#x017F;tens ein ver¬<lb/>
dien&#x017F;tvolles hi&#x017F;tori&#x017F;ches Werk, das alle die aus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0180] druͤßig, ſie will nicht laͤnger im Umkreis weniger Schritte, im verdeckten Kaſten, auf den Wink ihres Bereiters ihre edle Kraft vergeuden, und peitſcht ſie nur, quaͤlt ſie nur, reißt ſie nur im Zuͤgel, ſie hat die offene Thuͤr und das reiche, gruͤne Feld geſehen, ein Schlag, ein Satz und ihr liegt unter ihren Hufen und ein anderer Rei¬ ter ſchwebt mit ihr der Freiheit entgegen. Ich habe bisher nur von der philoſophiſchen Moral dieſes und des vorigen Jahrhunderts ge¬ ſprochen, von dieſer Antagoniſtin der menſchlichen Kraft und Schoͤnheit, die mit der Anmaßung, eine abſolute zu ſein, in Deutſchland auftrat. Ich darf Ihnen wohl kaum erklaͤren, daß jede philoſo¬ phiſche Moral, erſcheine ſie, zu welcher Zeit ſie wolle, die ſich fuͤr abſolut ausgibt, nur ein Mach¬ werk der Schule und keine Moral des Lebens ſei, da dieſes immer nur unter konkreten Bedingungen zur Erſcheinung kommt. Jede geſchichtliche Welt¬ anſchauung hat ihr eignes moraliſches Prinzip und ſo lange die chriſtliche bluͤhte, gab es außer der chriſtlichen Moral keine andere, die das Geſetz des Lebens in ſich trug: Man ſchreibe, wenn man kann, ein Moralkompendium des 13. Jahrhunderts, eine Moral chriſtlichen Ritterthums und Buͤrger¬ thums, da beſaͤße man doch wenigſtens ein ver¬ dienſtvolles hiſtoriſches Werk, das alle die aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/180
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/180>, abgerufen am 18.12.2024.