Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

und etwanige Gewissensskrupel, die sich dieserhalb
regen möchten, zu beseitigen.

Gingen wir nun von der Ansicht aus, daß
eine allgemeine Kunstlehre eben ein solches Ding
und Unding sei, als eine allgemeine Moral, so
wollten wir doch damit keineswegs den allgemei¬
nen Theil einer Moral und Kunstlehre negiren,
vielmehr hätte ich schon in frühern Stunden bei
der ideellen Konstruktion einer künftigen Aesthetik,
dieses allgemeinen Theils, als eines solchen Er¬
wähnung thun sollen, der die Aufzählung der ästhe¬
tischen Elemente, die aller Moral und Kunst zu
Grunde liegen, mit möglichst größter Vollständig¬
keit enthalten müßte. Dagegen verlangt jede ein¬
zelne Kunstlehre, gehöre sie der Poesie oder Prosa,
der Malerei oder Bildhauerei an, daß sie vom
besondern Standpunkt der Zeit und des Volkes
aufgefaßt und dargestellt werde. Ein Anderes
hieße, in den Tag hineinzureden und einen bun¬
ten Kolibri in einem Netz mit meilenweiten Ma¬
schen fangen zu wollen.

Es bleibt mir nun immer noch übrig, ehe ich
für diese Vorlesungen den angekündigten Weg ein¬
schlage, im Allgemeinen der Art und Weise zu
gedenken, wie nach Goethe's Ausdruck das glück¬
lichste Ergebniß einer kunstreichen Behandlung des

und etwanige Gewiſſensſkrupel, die ſich dieſerhalb
regen moͤchten, zu beſeitigen.

Gingen wir nun von der Anſicht aus, daß
eine allgemeine Kunſtlehre eben ein ſolches Ding
und Unding ſei, als eine allgemeine Moral, ſo
wollten wir doch damit keineswegs den allgemei¬
nen Theil einer Moral und Kunſtlehre negiren,
vielmehr haͤtte ich ſchon in fruͤhern Stunden bei
der ideellen Konſtruktion einer kuͤnftigen Aeſthetik,
dieſes allgemeinen Theils, als eines ſolchen Er¬
waͤhnung thun ſollen, der die Aufzaͤhlung der aͤſthe¬
tiſchen Elemente, die aller Moral und Kunſt zu
Grunde liegen, mit moͤglichſt groͤßter Vollſtaͤndig¬
keit enthalten muͤßte. Dagegen verlangt jede ein¬
zelne Kunſtlehre, gehoͤre ſie der Poeſie oder Proſa,
der Malerei oder Bildhauerei an, daß ſie vom
beſondern Standpunkt der Zeit und des Volkes
aufgefaßt und dargeſtellt werde. Ein Anderes
hieße, in den Tag hineinzureden und einen bun¬
ten Kolibri in einem Netz mit meilenweiten Ma¬
ſchen fangen zu wollen.

Es bleibt mir nun immer noch uͤbrig, ehe ich
fuͤr dieſe Vorleſungen den angekuͤndigten Weg ein¬
ſchlage, im Allgemeinen der Art und Weiſe zu
gedenken, wie nach Goethe's Ausdruck das gluͤck¬
lichſte Ergebniß einer kunſtreichen Behandlung des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0199" n="185"/>
und etwanige Gewi&#x017F;&#x017F;ens&#x017F;krupel, die &#x017F;ich die&#x017F;erhalb<lb/>
regen mo&#x0364;chten, zu be&#x017F;eitigen.</p><lb/>
        <p>Gingen wir nun von der An&#x017F;icht aus, daß<lb/>
eine allgemeine Kun&#x017F;tlehre eben ein &#x017F;olches Ding<lb/>
und Unding &#x017F;ei, als eine allgemeine Moral, &#x017F;o<lb/>
wollten wir doch damit keineswegs den allgemei¬<lb/>
nen Theil einer Moral und Kun&#x017F;tlehre negiren,<lb/>
vielmehr ha&#x0364;tte ich &#x017F;chon in fru&#x0364;hern Stunden bei<lb/>
der ideellen Kon&#x017F;truktion einer ku&#x0364;nftigen Ae&#x017F;thetik,<lb/>
die&#x017F;es allgemeinen Theils, als eines &#x017F;olchen Er¬<lb/>
wa&#x0364;hnung thun &#x017F;ollen, der die Aufza&#x0364;hlung der a&#x0364;&#x017F;the¬<lb/>
ti&#x017F;chen Elemente, die aller Moral und Kun&#x017F;t zu<lb/>
Grunde liegen, mit mo&#x0364;glich&#x017F;t gro&#x0364;ßter Voll&#x017F;ta&#x0364;ndig¬<lb/>
keit enthalten mu&#x0364;ßte. Dagegen verlangt jede ein¬<lb/>
zelne Kun&#x017F;tlehre, geho&#x0364;re &#x017F;ie der Poe&#x017F;ie oder Pro&#x017F;a,<lb/>
der Malerei oder Bildhauerei an, daß &#x017F;ie vom<lb/>
be&#x017F;ondern Standpunkt der Zeit und des Volkes<lb/>
aufgefaßt und darge&#x017F;tellt werde. Ein Anderes<lb/>
hieße, in den Tag hineinzureden und einen bun¬<lb/>
ten Kolibri in einem Netz mit meilenweiten Ma¬<lb/>
&#x017F;chen fangen zu wollen.</p><lb/>
        <p>Es bleibt mir nun immer noch u&#x0364;brig, ehe ich<lb/>
fu&#x0364;r die&#x017F;e Vorle&#x017F;ungen den angeku&#x0364;ndigten Weg ein¬<lb/>
&#x017F;chlage, im Allgemeinen der Art und Wei&#x017F;e zu<lb/>
gedenken, wie nach Goethe's Ausdruck das glu&#x0364;ck¬<lb/>
lich&#x017F;te Ergebniß einer kun&#x017F;treichen Behandlung des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0199] und etwanige Gewiſſensſkrupel, die ſich dieſerhalb regen moͤchten, zu beſeitigen. Gingen wir nun von der Anſicht aus, daß eine allgemeine Kunſtlehre eben ein ſolches Ding und Unding ſei, als eine allgemeine Moral, ſo wollten wir doch damit keineswegs den allgemei¬ nen Theil einer Moral und Kunſtlehre negiren, vielmehr haͤtte ich ſchon in fruͤhern Stunden bei der ideellen Konſtruktion einer kuͤnftigen Aeſthetik, dieſes allgemeinen Theils, als eines ſolchen Er¬ waͤhnung thun ſollen, der die Aufzaͤhlung der aͤſthe¬ tiſchen Elemente, die aller Moral und Kunſt zu Grunde liegen, mit moͤglichſt groͤßter Vollſtaͤndig¬ keit enthalten muͤßte. Dagegen verlangt jede ein¬ zelne Kunſtlehre, gehoͤre ſie der Poeſie oder Proſa, der Malerei oder Bildhauerei an, daß ſie vom beſondern Standpunkt der Zeit und des Volkes aufgefaßt und dargeſtellt werde. Ein Anderes hieße, in den Tag hineinzureden und einen bun¬ ten Kolibri in einem Netz mit meilenweiten Ma¬ ſchen fangen zu wollen. Es bleibt mir nun immer noch uͤbrig, ehe ich fuͤr dieſe Vorleſungen den angekuͤndigten Weg ein¬ ſchlage, im Allgemeinen der Art und Weiſe zu gedenken, wie nach Goethe's Ausdruck das gluͤck¬ lichſte Ergebniß einer kunſtreichen Behandlung des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/199
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/199>, abgerufen am 21.11.2024.