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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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Standpunkte. Allein, man ist nur zu geneigt,
diesen Standpunkt zu verlassen, und sich auf einen
höhern stellend, zu behaupten, daß die echte Schön¬
heit nur in der Harmonie zwischen unserm Auge
und dem Objekte beruhe und daß andere Augen
aus Ungeschmack Schönheiten bemerken, welche
keine wären. Dies erregt einen Streit, bei dem
Jeder sich auf sein Gefühl zu berufen pflegt, wie
auf den letzten Schiedsrichter, und das mit Recht,
da im Aesthetischen keine andere Appellation zu¬
lässig ist, als auf Gefühl und Gewissen. Damit
soll aber nicht gesagt sein, daß das subjektive
Recht auch ein objektives sei; vielmehr findet sich
der Nachdenkende veranlaßt, eine größere und ge¬
ringere Kapazität des Schönen, ein Plus und
Minus in der Bildung des Schönheitssinns unter
den Menschen zu statuiren. Haben wir doch
selbst, von diesem Standpunkte aus, über die in¬
dische Kunst den Stab gebrochen, obgleich wir sie
als historische Erscheinung, in ihrer Gültigkeit
anzuerkennen gezwungen waren. Dagegen sahen
wir in der griechischen Kunst und Sitte eine Art
der Schönheit, welche wir unserm Geschmack bei
weitem angemessener fanden, was kein Wunder, da
wir wirklich das Bessere unseres Geschmacks eben
den Griechen verdanken, das Bessere, Höhere und
Edlere aber, das wir an Geschmack und Gesin¬

Standpunkte. Allein, man iſt nur zu geneigt,
dieſen Standpunkt zu verlaſſen, und ſich auf einen
hoͤhern ſtellend, zu behaupten, daß die echte Schoͤn¬
heit nur in der Harmonie zwiſchen unſerm Auge
und dem Objekte beruhe und daß andere Augen
aus Ungeſchmack Schoͤnheiten bemerken, welche
keine waͤren. Dies erregt einen Streit, bei dem
Jeder ſich auf ſein Gefuͤhl zu berufen pflegt, wie
auf den letzten Schiedsrichter, und das mit Recht,
da im Aeſthetiſchen keine andere Appellation zu¬
laͤſſig iſt, als auf Gefuͤhl und Gewiſſen. Damit
ſoll aber nicht geſagt ſein, daß das ſubjektive
Recht auch ein objektives ſei; vielmehr findet ſich
der Nachdenkende veranlaßt, eine groͤßere und ge¬
ringere Kapazitaͤt des Schoͤnen, ein Plus und
Minus in der Bildung des Schoͤnheitsſinns unter
den Menſchen zu ſtatuiren. Haben wir doch
ſelbſt, von dieſem Standpunkte aus, uͤber die in¬
diſche Kunſt den Stab gebrochen, obgleich wir ſie
als hiſtoriſche Erſcheinung, in ihrer Guͤltigkeit
anzuerkennen gezwungen waren. Dagegen ſahen
wir in der griechiſchen Kunſt und Sitte eine Art
der Schoͤnheit, welche wir unſerm Geſchmack bei
weitem angemeſſener fanden, was kein Wunder, da
wir wirklich das Beſſere unſeres Geſchmacks eben
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[187/0201] Standpunkte. Allein, man iſt nur zu geneigt, dieſen Standpunkt zu verlaſſen, und ſich auf einen hoͤhern ſtellend, zu behaupten, daß die echte Schoͤn¬ heit nur in der Harmonie zwiſchen unſerm Auge und dem Objekte beruhe und daß andere Augen aus Ungeſchmack Schoͤnheiten bemerken, welche keine waͤren. Dies erregt einen Streit, bei dem Jeder ſich auf ſein Gefuͤhl zu berufen pflegt, wie auf den letzten Schiedsrichter, und das mit Recht, da im Aeſthetiſchen keine andere Appellation zu¬ laͤſſig iſt, als auf Gefuͤhl und Gewiſſen. Damit ſoll aber nicht geſagt ſein, daß das ſubjektive Recht auch ein objektives ſei; vielmehr findet ſich der Nachdenkende veranlaßt, eine groͤßere und ge¬ ringere Kapazitaͤt des Schoͤnen, ein Plus und Minus in der Bildung des Schoͤnheitsſinns unter den Menſchen zu ſtatuiren. Haben wir doch ſelbſt, von dieſem Standpunkte aus, uͤber die in¬ diſche Kunſt den Stab gebrochen, obgleich wir ſie als hiſtoriſche Erſcheinung, in ihrer Guͤltigkeit anzuerkennen gezwungen waren. Dagegen ſahen wir in der griechiſchen Kunſt und Sitte eine Art der Schoͤnheit, welche wir unſerm Geſchmack bei weitem angemeſſener fanden, was kein Wunder, da wir wirklich das Beſſere unſeres Geſchmacks eben den Griechen verdanken, das Beſſere, Hoͤhere und Edlere aber, das wir an Geſchmack und Geſin¬

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/201>, abgerufen am 21.11.2024.