einen Stachel zurückzulassen. Die Töne, sagt Heinse in seinem musikalischen Roman, greifen die Nerven und alle Theile des Gehörs an und ver¬ ändern dadurch das innere Gefühl außer allen Vorstellungen der Phantasie. Unser Gefühl selbst ist nichts Anderes, als eine innere Musik, immer¬ währende Schwingung der Lebensnerven. Die Musik rührt sie so, daß es ein eigenes Spiel, eine ganz besondere Mittheilung ist, die alle Beschrei¬ bung von Worten übersteigt. Sie stellt das innere Gefühl von außen in der Luft dar. Das Ohr, sagt er an einer andern Stelle, ist gewiß unser wichtigster Sinn und selbst das Gefühl, was man bisher für den untrüglichsten gehalten hat, bildet sich nach ihm. Das geübteste Auge eines Ma¬ lers, Meßkünstlers ist gewiß nicht im Stande, uns so, wie der Musiker, die leichten Verhältnisse der Hälften, Drittel, Fünftel und Sechstel einer Linie, irgend einer Länge und Größe in Wirklich¬ keit auf ein Haar zu treffen. Deswegen sind die Taubstummen um so Vieles unglücklicher als die Blinden, weil sie den Hauptsinn des Verstandes, der die andern zur Richtigkeit gewöhnt, nicht ha¬ ben und so gibt die Musik unter allen Künsten der Seele den hellesten und frischesten Genuß. Ein Glück, daß das Ohr des Menschen an feiner und mannigfaltiger Aufnehmung und Unterschei¬
einen Stachel zuruͤckzulaſſen. Die Toͤne, ſagt Heinſe in ſeinem muſikaliſchen Roman, greifen die Nerven und alle Theile des Gehoͤrs an und ver¬ aͤndern dadurch das innere Gefuͤhl außer allen Vorſtellungen der Phantaſie. Unſer Gefuͤhl ſelbſt iſt nichts Anderes, als eine innere Muſik, immer¬ waͤhrende Schwingung der Lebensnerven. Die Muſik ruͤhrt ſie ſo, daß es ein eigenes Spiel, eine ganz beſondere Mittheilung iſt, die alle Beſchrei¬ bung von Worten uͤberſteigt. Sie ſtellt das innere Gefuͤhl von außen in der Luft dar. Das Ohr, ſagt er an einer andern Stelle, iſt gewiß unſer wichtigſter Sinn und ſelbſt das Gefuͤhl, was man bisher fuͤr den untruͤglichſten gehalten hat, bildet ſich nach ihm. Das geuͤbteſte Auge eines Ma¬ lers, Meßkuͤnſtlers iſt gewiß nicht im Stande, uns ſo, wie der Muſiker, die leichten Verhaͤltniſſe der Haͤlften, Drittel, Fuͤnftel und Sechſtel einer Linie, irgend einer Laͤnge und Groͤße in Wirklich¬ keit auf ein Haar zu treffen. Deswegen ſind die Taubſtummen um ſo Vieles ungluͤcklicher als die Blinden, weil ſie den Hauptſinn des Verſtandes, der die andern zur Richtigkeit gewoͤhnt, nicht ha¬ ben und ſo gibt die Muſik unter allen Kuͤnſten der Seele den helleſten und friſcheſten Genuß. Ein Gluͤck, daß das Ohr des Menſchen an feiner und mannigfaltiger Aufnehmung und Unterſchei¬
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einen Stachel zuruͤckzulaſſen. Die Toͤne, ſagt
Heinſe in ſeinem muſikaliſchen Roman, greifen die
Nerven und alle Theile des Gehoͤrs an und ver¬
aͤndern dadurch das innere Gefuͤhl außer allen
Vorſtellungen der Phantaſie. Unſer Gefuͤhl ſelbſt
iſt nichts Anderes, als eine innere Muſik, immer¬
waͤhrende Schwingung der Lebensnerven. Die
Muſik ruͤhrt ſie ſo, daß es ein eigenes Spiel, eine
ganz beſondere Mittheilung iſt, die alle Beſchrei¬
bung von Worten uͤberſteigt. Sie ſtellt das innere
Gefuͤhl von außen in der Luft dar. Das Ohr,
ſagt er an einer andern Stelle, iſt gewiß unſer
wichtigſter Sinn und ſelbſt das Gefuͤhl, was man
bisher fuͤr den untruͤglichſten gehalten hat, bildet
ſich nach ihm. Das geuͤbteſte Auge eines Ma¬
lers, Meßkuͤnſtlers iſt gewiß nicht im Stande,
uns ſo, wie der Muſiker, die leichten Verhaͤltniſſe
der Haͤlften, Drittel, Fuͤnftel und Sechſtel einer
Linie, irgend einer Laͤnge und Groͤße in Wirklich¬
keit auf ein Haar zu treffen. Deswegen ſind die
Taubſtummen um ſo Vieles ungluͤcklicher als die
Blinden, weil ſie den Hauptſinn des Verſtandes,
der die andern zur Richtigkeit gewoͤhnt, nicht ha¬
ben und ſo gibt die Muſik unter allen Kuͤnſten
der Seele den helleſten und friſcheſten Genuß.
Ein Gluͤck, daß das Ohr des Menſchen an feiner
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/233>, abgerufen am 21.11.2024.
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