dung von Tönen das Ohr aller andern Thiere übertrifft, obwohl ein vollkommen zartes, festes, reines und noch mehr, ausgebildetes Gehör eben so selten ist, wie alle hohe Schönheit und man durch schlechte Gewohnheit diesen göttlichen Sinn sehr verderben kann.
In der That, vor der Musik muß jede Kunst, die am Sichtbaren haftet, an innerer Wirk¬ samkeit übertroffen werden, wie der Körper vom Geiste: denn sie ist Geist, verwandt mit der Na¬ tur der in uns waltenden Kraft, der Seele, der Bewegung. Was anschaulich dem Menschen nicht werden kann, wird ihm durch Musik mittheilbar. Vorübergehend ist jeder Augenblick dieser Kunst, denn eben das Kürzer und Länger, das Stärker und Schwächer, das Höher und Tiefer ist ihre Bedeu¬ tung, ihr Eindruck. Im Kommen und Fliehen, im Werden und Gewesensein liegt die Siegskraft des Tons und der Empfindung. Dagegen jede Kunst des Anschauens, die an beschränkten Ge¬ genständen und Gebäuden, und nun gar an Lokal¬ farben haftet, dennoch nur langsam begriffen wird, obwohl sie Alles auf einmal zeigt.
Vergangenheit und Zukunft unserer Empfin¬ dungen ist das Eigenthümlichste der Musik. Sie soll die Natur nicht malen, nicht dichtend darstellen, wie Maler, Bildhauer und Dichter,
dung von Toͤnen das Ohr aller andern Thiere uͤbertrifft, obwohl ein vollkommen zartes, feſtes, reines und noch mehr, ausgebildetes Gehoͤr eben ſo ſelten iſt, wie alle hohe Schoͤnheit und man durch ſchlechte Gewohnheit dieſen goͤttlichen Sinn ſehr verderben kann.
In der That, vor der Muſik muß jede Kunſt, die am Sichtbaren haftet, an innerer Wirk¬ ſamkeit uͤbertroffen werden, wie der Koͤrper vom Geiſte: denn ſie iſt Geiſt, verwandt mit der Na¬ tur der in uns waltenden Kraft, der Seele, der Bewegung. Was anſchaulich dem Menſchen nicht werden kann, wird ihm durch Muſik mittheilbar. Voruͤbergehend iſt jeder Augenblick dieſer Kunſt, denn eben das Kuͤrzer und Laͤnger, das Staͤrker und Schwaͤcher, das Hoͤher und Tiefer iſt ihre Bedeu¬ tung, ihr Eindruck. Im Kommen und Fliehen, im Werden und Geweſenſein liegt die Siegskraft des Tons und der Empfindung. Dagegen jede Kunſt des Anſchauens, die an beſchraͤnkten Ge¬ genſtaͤnden und Gebaͤuden, und nun gar an Lokal¬ farben haftet, dennoch nur langſam begriffen wird, obwohl ſie Alles auf einmal zeigt.
Vergangenheit und Zukunft unſerer Empfin¬ dungen iſt das Eigenthuͤmlichſte der Muſik. Sie ſoll die Natur nicht malen, nicht dichtend darſtellen, wie Maler, Bildhauer und Dichter,
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dung von Toͤnen das Ohr aller andern Thiere
uͤbertrifft, obwohl ein vollkommen zartes, feſtes,
reines und noch mehr, ausgebildetes Gehoͤr eben
ſo ſelten iſt, wie alle hohe Schoͤnheit und man
durch ſchlechte Gewohnheit dieſen goͤttlichen Sinn
ſehr verderben kann.
In der That, vor der Muſik muß jede Kunſt,
die am Sichtbaren haftet, an innerer Wirk¬
ſamkeit uͤbertroffen werden, wie der Koͤrper vom
Geiſte: denn ſie iſt Geiſt, verwandt mit der Na¬
tur der in uns waltenden Kraft, der Seele, der
Bewegung. Was anſchaulich dem Menſchen nicht
werden kann, wird ihm durch Muſik mittheilbar.
Voruͤbergehend iſt jeder Augenblick dieſer Kunſt,
denn eben das Kuͤrzer und Laͤnger, das Staͤrker und
Schwaͤcher, das Hoͤher und Tiefer iſt ihre Bedeu¬
tung, ihr Eindruck. Im Kommen und Fliehen,
im Werden und Geweſenſein liegt die Siegskraft
des Tons und der Empfindung. Dagegen jede
Kunſt des Anſchauens, die an beſchraͤnkten Ge¬
genſtaͤnden und Gebaͤuden, und nun gar an Lokal¬
farben haftet, dennoch nur langſam begriffen wird,
obwohl ſie Alles auf einmal zeigt.
Vergangenheit und Zukunft unſerer Empfin¬
dungen iſt das Eigenthuͤmlichſte der Muſik. Sie
ſoll die Natur nicht malen, nicht dichtend
darſtellen, wie Maler, Bildhauer und Dichter,
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/234>, abgerufen am 24.11.2024.
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