das die Aesthetik im höhern, im griechisch-plato¬ nischen Sinne auffaßt, der Erwin von Solger. Allein schon aus der allgemeinen Unkunde dieses Werks, muß sich zweierlei klar machen, daß es entweder nicht in zeitgemäßer Form geschrieben, oder daß sein Inhalt nicht zeitansprechend sei. Beides ist mir ausgemacht. Die Form ist dialo¬ gisch und der Inhalt eine Vergötterung des Schö¬ nen mit einem Anschein des Enthusiasmus, der dem Platonischen nicht allein nahe kommt, sondern ihn noch zu übertreffen scheint, der aber lange nicht die Wärme und Kunstlosigkeit hat, als der des griechischen Meisters. Um sich davon einen Begriff zu machen, vergleiche man die so wahre als genievolle Schilderung, die Jean Paul von den Griechen gibt, mit dem Leben, das wir Deut¬ sche in Deutschland führen, so wird man einsehen, daß die Begeisterung eines platonischen Dialogs, wie des Symposions, eine natürliche, Solger's aber eine gemachte war, wie mehr und weniger jede Begeisterung, die isolirt steht und ihre Quelle nicht aus der Zeit nimmt.
das die Aeſthetik im hoͤhern, im griechiſch-plato¬ niſchen Sinne auffaßt, der Erwin von Solger. Allein ſchon aus der allgemeinen Unkunde dieſes Werks, muß ſich zweierlei klar machen, daß es entweder nicht in zeitgemaͤßer Form geſchrieben, oder daß ſein Inhalt nicht zeitanſprechend ſei. Beides iſt mir ausgemacht. Die Form iſt dialo¬ giſch und der Inhalt eine Vergoͤtterung des Schoͤ¬ nen mit einem Anſchein des Enthuſiasmus, der dem Platoniſchen nicht allein nahe kommt, ſondern ihn noch zu uͤbertreffen ſcheint, der aber lange nicht die Waͤrme und Kunſtloſigkeit hat, als der des griechiſchen Meiſters. Um ſich davon einen Begriff zu machen, vergleiche man die ſo wahre als genievolle Schilderung, die Jean Paul von den Griechen gibt, mit dem Leben, das wir Deut¬ ſche in Deutſchland fuͤhren, ſo wird man einſehen, daß die Begeiſterung eines platoniſchen Dialogs, wie des Sympoſions, eine natuͤrliche, Solger's aber eine gemachte war, wie mehr und weniger jede Begeiſterung, die iſolirt ſteht und ihre Quelle nicht aus der Zeit nimmt.
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das die Aeſthetik im hoͤhern, im griechiſch-plato¬
niſchen Sinne auffaßt, der Erwin von Solger.
Allein ſchon aus der allgemeinen Unkunde dieſes
Werks, muß ſich zweierlei klar machen, daß es
entweder nicht in zeitgemaͤßer Form geſchrieben,
oder daß ſein Inhalt nicht zeitanſprechend ſei.
Beides iſt mir ausgemacht. Die Form iſt dialo¬
giſch und der Inhalt eine Vergoͤtterung des Schoͤ¬
nen mit einem Anſchein des Enthuſiasmus, der
dem Platoniſchen nicht allein nahe kommt, ſondern
ihn noch zu uͤbertreffen ſcheint, der aber lange
nicht die Waͤrme und Kunſtloſigkeit hat, als der
des griechiſchen Meiſters. Um ſich davon einen
Begriff zu machen, vergleiche man die ſo wahre
als genievolle Schilderung, die Jean Paul von
den Griechen gibt, mit dem Leben, das wir Deut¬
ſche in Deutſchland fuͤhren, ſo wird man einſehen,
daß die Begeiſterung eines platoniſchen Dialogs,
wie des Sympoſions, eine natuͤrliche, Solger's
aber eine gemachte war, wie mehr und weniger
jede Begeiſterung, die iſolirt ſteht und ihre Quelle
nicht aus der Zeit nimmt.
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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