ben und zwar bei der Gelegenheit, als ich meine Freude über das kräftigere Aufblühen unserer heu¬ tigen jugendlichen Prosaiker aussprach. Die deut¬ sche Prosa wird nie der französischen gleichgeartet werden, wer es von unserer Seite auf Nachah¬ mung anlegte, wie es von Diesem und Jenem wirklich geschieht, der ahnt den Genius nicht, den er verhöhnt. Herz und immer wieder Herz muß dringen und klingen aus deutscher Rede, ob sie einfach-prosaisch dahinfließt, oder rythmische Echos hören läßt; wir haben eine Natursprache, die so¬ wohl an den Gedanken als an die Empfindung sich anschmiegt, ohne der gallonirten Kleider zu bedürfen: Natur, Wahrheit, Herzlichkeit, das sind die drei Farben, welche dem Deutschen so wohl stehen und die keine Kunst der Rednerei, der Witzelei, der Phantasterei ersetzt. Allein, beden¬ ken wir die bisherigen Zustände der Deutschen, bedenken wir diese miserabeln bürgerlichen und ge¬ sellschaftlichen Zustände der Deutschen, so begreifen wir leicht, warum die deutsche Prosa, der treue Spiegel dieser Zustände, jetzt im Allgemeinen eben so miserabel aussehen mußte, als sie wirklich that und thut. Ja, nehmen wir nur die ausgezeich¬ netsten Prosaiker der neuern Zeit, die viel Mühe und Fleiß auf die Ausbildung ihrer Sprache ver¬
ben und zwar bei der Gelegenheit, als ich meine Freude uͤber das kraͤftigere Aufbluͤhen unſerer heu¬ tigen jugendlichen Proſaiker ausſprach. Die deut¬ ſche Proſa wird nie der franzoͤſiſchen gleichgeartet werden, wer es von unſerer Seite auf Nachah¬ mung anlegte, wie es von Dieſem und Jenem wirklich geſchieht, der ahnt den Genius nicht, den er verhoͤhnt. Herz und immer wieder Herz muß dringen und klingen aus deutſcher Rede, ob ſie einfach-proſaiſch dahinfließt, oder rythmiſche Echos hoͤren laͤßt; wir haben eine Naturſprache, die ſo¬ wohl an den Gedanken als an die Empfindung ſich anſchmiegt, ohne der gallonirten Kleider zu beduͤrfen: Natur, Wahrheit, Herzlichkeit, das ſind die drei Farben, welche dem Deutſchen ſo wohl ſtehen und die keine Kunſt der Rednerei, der Witzelei, der Phantaſterei erſetzt. Allein, beden¬ ken wir die bisherigen Zuſtaͤnde der Deutſchen, bedenken wir dieſe miſerabeln buͤrgerlichen und ge¬ ſellſchaftlichen Zuſtaͤnde der Deutſchen, ſo begreifen wir leicht, warum die deutſche Proſa, der treue Spiegel dieſer Zuſtaͤnde, jetzt im Allgemeinen eben ſo miſerabel ausſehen mußte, als ſie wirklich that und thut. Ja, nehmen wir nur die ausgezeich¬ netſten Proſaiker der neuern Zeit, die viel Muͤhe und Fleiß auf die Ausbildung ihrer Sprache ver¬
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ben und zwar bei der Gelegenheit, als ich meine
Freude uͤber das kraͤftigere Aufbluͤhen unſerer heu¬
tigen jugendlichen Proſaiker ausſprach. Die deut¬
ſche Proſa wird nie der franzoͤſiſchen gleichgeartet
werden, wer es von unſerer Seite auf Nachah¬
mung anlegte, wie es von Dieſem und Jenem
wirklich geſchieht, der ahnt den Genius nicht, den
er verhoͤhnt. Herz und immer wieder Herz muß
dringen und klingen aus deutſcher Rede, ob ſie
einfach-proſaiſch dahinfließt, oder rythmiſche Echos
hoͤren laͤßt; wir haben eine Naturſprache, die ſo¬
wohl an den Gedanken als an die Empfindung
ſich anſchmiegt, ohne der gallonirten Kleider zu
beduͤrfen: Natur, Wahrheit, Herzlichkeit, das ſind
die drei Farben, welche dem Deutſchen ſo wohl
ſtehen und die keine Kunſt der Rednerei, der
Witzelei, der Phantaſterei erſetzt. Allein, beden¬
ken wir die bisherigen Zuſtaͤnde der Deutſchen,
bedenken wir dieſe miſerabeln buͤrgerlichen und ge¬
ſellſchaftlichen Zuſtaͤnde der Deutſchen, ſo begreifen
wir leicht, warum die deutſche Proſa, der treue
Spiegel dieſer Zuſtaͤnde, jetzt im Allgemeinen eben
ſo miſerabel ausſehen mußte, als ſie wirklich that
und thut. Ja, nehmen wir nur die ausgezeich¬
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/242>, abgerufen am 21.11.2024.
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