Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

strömten und die Nation mit der ganzen Frische
der Genialität, mit dem Zauber der Sympathie
ergriffen und in Begeistrung setzten, den lyrischen
Werther, den ritterlichen Götz, den Egmont, den
Faust. Denken Sie sich einen Augenblick lebhaft
in jene Zeit zurück, als Goethe's Name sich zu¬
erst dem Klopstock'schen anreihte, als Goethe an¬
fing, der Liebling der Deutschen zu werden und
Niemand noch die Bahn berechnen konnte, welche
sein Geist in der Literatur beschreiben würde.
Der große Fritz hatte ein kriegerisches Feuer in
der Jugend angefacht, und während er, nach Be¬
endigung des siebenjährigen Krieges, wieder ruhig
seine preußischen Wachtparaden in Potsdam hielt,
eröffnete Klopstock die Bühne des deutschen Ruhms
in den Wesergebirgen, und führte den Deutschen
eine Zeit ins Gedächtniß zurück, wo die furcht¬
barste Macht der Erde an der Kraft und dem
Freiheitsgefühl ihrer Vorfahren zerbrochen und ge¬
scheitert war. Klopstock besang den Untergang des
Varus und seiner Legionen, den Triumph der
Germanen, den blut- und staubbedeckten Herrmann
mit der Affektation des Enthusiasmus eines alten
heidnischen Barden, der eben sein Schwert vom
Blute der Schlacht gereinigt hat und nun in die
Harfe greift, um zugleich ein Sänger und ein
Held den Ruhm seiner Nation zu verkünden.

ſtroͤmten und die Nation mit der ganzen Friſche
der Genialitaͤt, mit dem Zauber der Sympathie
ergriffen und in Begeiſtrung ſetzten, den lyriſchen
Werther, den ritterlichen Goͤtz, den Egmont, den
Fauſt. Denken Sie ſich einen Augenblick lebhaft
in jene Zeit zuruͤck, als Goethe's Name ſich zu¬
erſt dem Klopſtock'ſchen anreihte, als Goethe an¬
fing, der Liebling der Deutſchen zu werden und
Niemand noch die Bahn berechnen konnte, welche
ſein Geiſt in der Literatur beſchreiben wuͤrde.
Der große Fritz hatte ein kriegeriſches Feuer in
der Jugend angefacht, und waͤhrend er, nach Be¬
endigung des ſiebenjaͤhrigen Krieges, wieder ruhig
ſeine preußiſchen Wachtparaden in Potsdam hielt,
eroͤffnete Klopſtock die Buͤhne des deutſchen Ruhms
in den Weſergebirgen, und fuͤhrte den Deutſchen
eine Zeit ins Gedaͤchtniß zuruͤck, wo die furcht¬
barſte Macht der Erde an der Kraft und dem
Freiheitsgefuͤhl ihrer Vorfahren zerbrochen und ge¬
ſcheitert war. Klopſtock beſang den Untergang des
Varus und ſeiner Legionen, den Triumph der
Germanen, den blut- und ſtaubbedeckten Herrmann
mit der Affektation des Enthuſiasmus eines alten
heidniſchen Barden, der eben ſein Schwert vom
Blute der Schlacht gereinigt hat und nun in die
Harfe greift, um zugleich ein Saͤnger und ein
Held den Ruhm ſeiner Nation zu verkuͤnden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="258"/>
&#x017F;tro&#x0364;mten und die Nation mit der ganzen Fri&#x017F;che<lb/>
der Genialita&#x0364;t, mit dem Zauber der Sympathie<lb/>
ergriffen und in Begei&#x017F;trung &#x017F;etzten, den lyri&#x017F;chen<lb/>
Werther, den ritterlichen Go&#x0364;tz, den Egmont, den<lb/>
Fau&#x017F;t. Denken Sie &#x017F;ich einen Augenblick lebhaft<lb/>
in jene Zeit zuru&#x0364;ck, als Goethe's Name &#x017F;ich zu¬<lb/>
er&#x017F;t dem Klop&#x017F;tock'&#x017F;chen anreihte, als Goethe an¬<lb/>
fing, der Liebling der Deut&#x017F;chen zu werden und<lb/>
Niemand noch die Bahn berechnen konnte, welche<lb/>
&#x017F;ein Gei&#x017F;t in der Literatur be&#x017F;chreiben wu&#x0364;rde.<lb/>
Der große Fritz hatte ein kriegeri&#x017F;ches Feuer in<lb/>
der Jugend angefacht, und wa&#x0364;hrend er, nach Be¬<lb/>
endigung des &#x017F;iebenja&#x0364;hrigen Krieges, wieder ruhig<lb/>
&#x017F;eine preußi&#x017F;chen Wachtparaden in Potsdam hielt,<lb/>
ero&#x0364;ffnete Klop&#x017F;tock die Bu&#x0364;hne des deut&#x017F;chen Ruhms<lb/>
in den We&#x017F;ergebirgen, und fu&#x0364;hrte den Deut&#x017F;chen<lb/>
eine Zeit ins Geda&#x0364;chtniß zuru&#x0364;ck, wo die furcht¬<lb/>
bar&#x017F;te Macht der Erde an der Kraft und dem<lb/>
Freiheitsgefu&#x0364;hl ihrer Vorfahren zerbrochen und ge¬<lb/>
&#x017F;cheitert war. Klop&#x017F;tock be&#x017F;ang den Untergang des<lb/>
Varus und &#x017F;einer Legionen, den Triumph der<lb/>
Germanen, den blut- und &#x017F;taubbedeckten Herrmann<lb/>
mit der Affektation des Enthu&#x017F;iasmus eines alten<lb/>
heidni&#x017F;chen Barden, der eben &#x017F;ein Schwert vom<lb/>
Blute der Schlacht gereinigt hat und nun in die<lb/>
Harfe greift, um zugleich ein Sa&#x0364;nger und ein<lb/>
Held den Ruhm &#x017F;einer Nation zu verku&#x0364;nden.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0272] ſtroͤmten und die Nation mit der ganzen Friſche der Genialitaͤt, mit dem Zauber der Sympathie ergriffen und in Begeiſtrung ſetzten, den lyriſchen Werther, den ritterlichen Goͤtz, den Egmont, den Fauſt. Denken Sie ſich einen Augenblick lebhaft in jene Zeit zuruͤck, als Goethe's Name ſich zu¬ erſt dem Klopſtock'ſchen anreihte, als Goethe an¬ fing, der Liebling der Deutſchen zu werden und Niemand noch die Bahn berechnen konnte, welche ſein Geiſt in der Literatur beſchreiben wuͤrde. Der große Fritz hatte ein kriegeriſches Feuer in der Jugend angefacht, und waͤhrend er, nach Be¬ endigung des ſiebenjaͤhrigen Krieges, wieder ruhig ſeine preußiſchen Wachtparaden in Potsdam hielt, eroͤffnete Klopſtock die Buͤhne des deutſchen Ruhms in den Weſergebirgen, und fuͤhrte den Deutſchen eine Zeit ins Gedaͤchtniß zuruͤck, wo die furcht¬ barſte Macht der Erde an der Kraft und dem Freiheitsgefuͤhl ihrer Vorfahren zerbrochen und ge¬ ſcheitert war. Klopſtock beſang den Untergang des Varus und ſeiner Legionen, den Triumph der Germanen, den blut- und ſtaubbedeckten Herrmann mit der Affektation des Enthuſiasmus eines alten heidniſchen Barden, der eben ſein Schwert vom Blute der Schlacht gereinigt hat und nun in die Harfe greift, um zugleich ein Saͤnger und ein Held den Ruhm ſeiner Nation zu verkuͤnden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/272
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/272>, abgerufen am 21.11.2024.