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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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gungen der Zeit zurückzog und das Verdammungs¬
urtheil über sie aussprach, es wäre eine wahre
und begründete Impietät, seiner Asche das Ver¬
dienst zu entziehen, die sterblichen Atome des grö߬
ten Deutschen, des geistigen Befreiers der
Deutschen zu befassen. Es ist wahr, Goethe war
ein Aristokrat in der Politik, ein Verehrer des
Hof- und Fürstenwesens, ein Panegyrist der an¬
gestammten Macht, ein Protektor der leidlichen
Mißbräuche, bei denen es sich immer noch ziem¬
lich behaglich leben läßt, ein Freund des Manier¬
lichen und äußerlich Distinguirten, ein strenger
Vertheidiger des äußern Unterschiedes der Stände,
des Herkömmlichen, Anstandsvollen; aber in die¬
ser Charakteristik Goethe's liegt so wenig Charak¬
teristisches für sein Genie, daß es auf jeden Kam¬
merherrn und Hofmarschall im deutschen Reiche
paßt. Derselbe politische Aristokrat, dieser Mann,
der das große geschichtliche Element der Völker
von einem so kleinen höfischen Standpunkte be¬
trachtete, übersah das religiöse, sittliche und wis¬
senschaftliche Leben mit den Blicken eines Adlers,
und vom Standpunkte einer Zeit, den Gott weiß,
welche Generation unserer Urenkel erst mühsam
erklettern wird. Goethe war der Luther seines
Jahrhunderts, dessen Bibel die Natur und dessen

Wienbarg, ästhet. Feldz. 18

gungen der Zeit zuruͤckzog und das Verdammungs¬
urtheil uͤber ſie ausſprach, es waͤre eine wahre
und begruͤndete Impietaͤt, ſeiner Aſche das Ver¬
dienſt zu entziehen, die ſterblichen Atome des groͤ߬
ten Deutſchen, des geiſtigen Befreiers der
Deutſchen zu befaſſen. Es iſt wahr, Goethe war
ein Ariſtokrat in der Politik, ein Verehrer des
Hof- und Fuͤrſtenweſens, ein Panegyriſt der an¬
geſtammten Macht, ein Protektor der leidlichen
Mißbraͤuche, bei denen es ſich immer noch ziem¬
lich behaglich leben laͤßt, ein Freund des Manier¬
lichen und aͤußerlich Diſtinguirten, ein ſtrenger
Vertheidiger des aͤußern Unterſchiedes der Staͤnde,
des Herkoͤmmlichen, Anſtandsvollen; aber in die¬
ſer Charakteriſtik Goethe's liegt ſo wenig Charak¬
teriſtiſches fuͤr ſein Genie, daß es auf jeden Kam¬
merherrn und Hofmarſchall im deutſchen Reiche
paßt. Derſelbe politiſche Ariſtokrat, dieſer Mann,
der das große geſchichtliche Element der Voͤlker
von einem ſo kleinen hoͤfiſchen Standpunkte be¬
trachtete, uͤberſah das religioͤſe, ſittliche und wiſ¬
ſenſchaftliche Leben mit den Blicken eines Adlers,
und vom Standpunkte einer Zeit, den Gott weiß,
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erklettern wird. Goethe war der Luther ſeines
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[273/0287] gungen der Zeit zuruͤckzog und das Verdammungs¬ urtheil uͤber ſie ausſprach, es waͤre eine wahre und begruͤndete Impietaͤt, ſeiner Aſche das Ver¬ dienſt zu entziehen, die ſterblichen Atome des groͤ߬ ten Deutſchen, des geiſtigen Befreiers der Deutſchen zu befaſſen. Es iſt wahr, Goethe war ein Ariſtokrat in der Politik, ein Verehrer des Hof- und Fuͤrſtenweſens, ein Panegyriſt der an¬ geſtammten Macht, ein Protektor der leidlichen Mißbraͤuche, bei denen es ſich immer noch ziem¬ lich behaglich leben laͤßt, ein Freund des Manier¬ lichen und aͤußerlich Diſtinguirten, ein ſtrenger Vertheidiger des aͤußern Unterſchiedes der Staͤnde, des Herkoͤmmlichen, Anſtandsvollen; aber in die¬ ſer Charakteriſtik Goethe's liegt ſo wenig Charak¬ teriſtiſches fuͤr ſein Genie, daß es auf jeden Kam¬ merherrn und Hofmarſchall im deutſchen Reiche paßt. Derſelbe politiſche Ariſtokrat, dieſer Mann, der das große geſchichtliche Element der Voͤlker von einem ſo kleinen hoͤfiſchen Standpunkte be¬ trachtete, uͤberſah das religioͤſe, ſittliche und wiſ¬ ſenſchaftliche Leben mit den Blicken eines Adlers, und vom Standpunkte einer Zeit, den Gott weiß, welche Generation unſerer Urenkel erſt muͤhſam erklettern wird. Goethe war der Luther ſeines Jahrhunderts, deſſen Bibel die Natur und deſſen Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 18

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/287>, abgerufen am 21.11.2024.