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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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entgegenträgt. So kann ich auch im Gegentheil
Gedichte, die mit rein politischer Tendenz geschrie¬
ben sind, Zeitereignisse im Prisma der Poesie be¬
trachten und es darauf anlegen, durch die Dar¬
stellung derselben auf den politischen Sinn der Le¬
ser zu wirken, welche mir dennoch unter dem Ge¬
sichtspunkt der Poesie und der Lyrik, durchaus nicht
wahr und bedeutend scheinen.

Ich verstehe unter dem Ausdruck: die moderne
Lyrik ist revolutionair das: jeder große Dichter,
der in unserer Zeit auftritt, wird und muß den
Kampf und die Zerrüttung aussprechen, worin die
Zeit, worin seine eigene Brust sich findet. Der
Dichter müßte blind sein, oder kalt, oder gefühl¬
los, oder heuchlerisch, oder kein großer Dichter,
der mit seiner Leier über den ungeheueren Riß
hinweghüpft, welcher die Gegenwart von der Ver¬
gangenheit trennt, er müßte nicht der Dolmetscher
der Natur und Menschheit sein, wenn er nicht
das Ringen und den Schmerz dieser Menschheit
verstände, fühlte und in den Wogen der Poesie
dahin brausen ließe. Byron war ein gro¬
ßer Dichter und daher war seine Lyrik, die
er nur leicht in ein episches Kleid einhüllte,
durch und durch revolutionair, was um so gro߬
artiger und erschütternder bei ihm hervortritt,
als er im Schooß des Glücks geboren, Lord

entgegentraͤgt. So kann ich auch im Gegentheil
Gedichte, die mit rein politiſcher Tendenz geſchrie¬
ben ſind, Zeitereigniſſe im Prisma der Poeſie be¬
trachten und es darauf anlegen, durch die Dar¬
ſtellung derſelben auf den politiſchen Sinn der Le¬
ſer zu wirken, welche mir dennoch unter dem Ge¬
ſichtspunkt der Poeſie und der Lyrik, durchaus nicht
wahr und bedeutend ſcheinen.

Ich verſtehe unter dem Ausdruck: die moderne
Lyrik iſt revolutionair das: jeder große Dichter,
der in unſerer Zeit auftritt, wird und muß den
Kampf und die Zerruͤttung ausſprechen, worin die
Zeit, worin ſeine eigene Bruſt ſich findet. Der
Dichter muͤßte blind ſein, oder kalt, oder gefuͤhl¬
los, oder heuchleriſch, oder kein großer Dichter,
der mit ſeiner Leier uͤber den ungeheueren Riß
hinweghuͤpft, welcher die Gegenwart von der Ver¬
gangenheit trennt, er muͤßte nicht der Dolmetſcher
der Natur und Menſchheit ſein, wenn er nicht
das Ringen und den Schmerz dieſer Menſchheit
verſtaͤnde, fuͤhlte und in den Wogen der Poeſie
dahin brauſen ließe. Byron war ein gro¬
ßer Dichter und daher war ſeine Lyrik, die
er nur leicht in ein epiſches Kleid einhuͤllte,
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artiger und erſchuͤtternder bei ihm hervortritt,
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[277/0291] entgegentraͤgt. So kann ich auch im Gegentheil Gedichte, die mit rein politiſcher Tendenz geſchrie¬ ben ſind, Zeitereigniſſe im Prisma der Poeſie be¬ trachten und es darauf anlegen, durch die Dar¬ ſtellung derſelben auf den politiſchen Sinn der Le¬ ſer zu wirken, welche mir dennoch unter dem Ge¬ ſichtspunkt der Poeſie und der Lyrik, durchaus nicht wahr und bedeutend ſcheinen. Ich verſtehe unter dem Ausdruck: die moderne Lyrik iſt revolutionair das: jeder große Dichter, der in unſerer Zeit auftritt, wird und muß den Kampf und die Zerruͤttung ausſprechen, worin die Zeit, worin ſeine eigene Bruſt ſich findet. Der Dichter muͤßte blind ſein, oder kalt, oder gefuͤhl¬ los, oder heuchleriſch, oder kein großer Dichter, der mit ſeiner Leier uͤber den ungeheueren Riß hinweghuͤpft, welcher die Gegenwart von der Ver¬ gangenheit trennt, er muͤßte nicht der Dolmetſcher der Natur und Menſchheit ſein, wenn er nicht das Ringen und den Schmerz dieſer Menſchheit verſtaͤnde, fuͤhlte und in den Wogen der Poeſie dahin brauſen ließe. Byron war ein gro¬ ßer Dichter und daher war ſeine Lyrik, die er nur leicht in ein epiſches Kleid einhuͤllte, durch und durch revolutionair, was um ſo gro߬ artiger und erſchuͤtternder bei ihm hervortritt, als er im Schooß des Gluͤcks geboren, Lord

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/291>, abgerufen am 21.11.2024.