ihren Unsinn, allen ihren Abgeschmacktheiten und Rohheiten, allen Hofräthen, Pedellen, Kommer¬ zen, Kollegien, Grafenbänken, Duellen und Pro¬ motionen durcheinander, kurz auf dieses traurige Bild einer nur zu traurigen norddeutschen Univer¬ sitätsstadt, welche wieder ein Bild des noch trau¬ rigern literarisch-gesellschaftlichen und politischen Zustandes von Deutschland abgibt, dagegen wirft er alle Liebe und Poesie seines Herzens auf die Thäler, Berge und Flüsse des Harzes, die er mit unnachahmlicher Hand personifizirt und dem Leser als flüchtig verkörperte Geister der ewigen Natur vor Augen führt. Allein dies Herz war nie, oder war nicht mehr rein und unschuldig, war nie, oder war nicht mehr naiv und unbewußt begei¬ stert, und daher, so phantasiereich die Naturschil¬ derungen sind, stehen sie doch hinter den Sitten¬ schilderungen des Göttinger Lebens zurück. Zur schärfsten, schonungslosesten Satyre, die mit jedem Wort den rechten faulen Fleck zu treffen weiß, war Heine vom Schicksal gewissermaßen destinirt, das ihn vom Handelsjuden zum Göttinger Stu¬ denten und zum deutschen Schriftsteller bestimmt hatte. Kein Franzose und überhaupt kein Aus¬ länder kann die Narrheiten, Schwächen, den Ah¬ nenstolz, die Pedanterie der Deutschen nackter in aller ihrer Blöße wahrnehmen und bespötteln,
ihren Unſinn, allen ihren Abgeſchmacktheiten und Rohheiten, allen Hofraͤthen, Pedellen, Kommer¬ zen, Kollegien, Grafenbaͤnken, Duellen und Pro¬ motionen durcheinander, kurz auf dieſes traurige Bild einer nur zu traurigen norddeutſchen Univer¬ ſitaͤtsſtadt, welche wieder ein Bild des noch trau¬ rigern literariſch-geſellſchaftlichen und politiſchen Zuſtandes von Deutſchland abgibt, dagegen wirft er alle Liebe und Poeſie ſeines Herzens auf die Thaͤler, Berge und Fluͤſſe des Harzes, die er mit unnachahmlicher Hand perſonifizirt und dem Leſer als fluͤchtig verkoͤrperte Geiſter der ewigen Natur vor Augen fuͤhrt. Allein dies Herz war nie, oder war nicht mehr rein und unſchuldig, war nie, oder war nicht mehr naiv und unbewußt begei¬ ſtert, und daher, ſo phantaſiereich die Naturſchil¬ derungen ſind, ſtehen ſie doch hinter den Sitten¬ ſchilderungen des Goͤttinger Lebens zuruͤck. Zur ſchaͤrfſten, ſchonungsloſeſten Satyre, die mit jedem Wort den rechten faulen Fleck zu treffen weiß, war Heine vom Schickſal gewiſſermaßen deſtinirt, das ihn vom Handelsjuden zum Goͤttinger Stu¬ denten und zum deutſchen Schriftſteller beſtimmt hatte. Kein Franzoſe und uͤberhaupt kein Aus¬ laͤnder kann die Narrheiten, Schwaͤchen, den Ah¬ nenſtolz, die Pedanterie der Deutſchen nackter in aller ihrer Bloͤße wahrnehmen und beſpoͤtteln,
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ihren Unſinn, allen ihren Abgeſchmacktheiten und
Rohheiten, allen Hofraͤthen, Pedellen, Kommer¬
zen, Kollegien, Grafenbaͤnken, Duellen und Pro¬
motionen durcheinander, kurz auf dieſes traurige
Bild einer nur zu traurigen norddeutſchen Univer¬
ſitaͤtsſtadt, welche wieder ein Bild des noch trau¬
rigern literariſch-geſellſchaftlichen und politiſchen
Zuſtandes von Deutſchland abgibt, dagegen wirft
er alle Liebe und Poeſie ſeines Herzens auf die
Thaͤler, Berge und Fluͤſſe des Harzes, die er mit
unnachahmlicher Hand perſonifizirt und dem Leſer
als fluͤchtig verkoͤrperte Geiſter der ewigen Natur
vor Augen fuͤhrt. Allein dies Herz war nie, oder
war nicht mehr rein und unſchuldig, war nie,
oder war nicht mehr naiv und unbewußt begei¬
ſtert, und daher, ſo phantaſiereich die Naturſchil¬
derungen ſind, ſtehen ſie doch hinter den Sitten¬
ſchilderungen des Goͤttinger Lebens zuruͤck. Zur
ſchaͤrfſten, ſchonungsloſeſten Satyre, die mit jedem
Wort den rechten faulen Fleck zu treffen weiß,
war Heine vom Schickſal gewiſſermaßen deſtinirt,
das ihn vom Handelsjuden zum Goͤttinger Stu¬
denten und zum deutſchen Schriftſteller beſtimmt
hatte. Kein Franzoſe und uͤberhaupt kein Aus¬
laͤnder kann die Narrheiten, Schwaͤchen, den Ah¬
nenſtolz, die Pedanterie der Deutſchen nackter
in aller ihrer Bloͤße wahrnehmen und beſpoͤtteln,
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/301>, abgerufen am 24.11.2024.
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