als Voltaire, Swift, sondern als Humoristen, als einen Byron-Voltaire, der, wie er sich selbst aus¬ drückt, sein Schlachtopfer erst mit Blumen kränzt, ehe er ihm den letzten tödtlichen Streich versetzt. Nachdem er sich an Göttingen die Sporen ver¬ dient hatte, eröffnete er seiner poetischen Satyre im zweiten und dritten Theil der Reisebilder ein wei¬ teres Feld; die neueste Geschichte, Napoleon, Frankreich und die Revolution, Deutschland, Ita¬ lien lieferten ihm Stoff zu einem poetischen Hu¬ mor, der, mit gutem Bewußtsein, seine eigene Person in die Mitte der Darstellung zu bringen wußte, ohne sich eben dabei den tugendhaftesten Anstrich zu geben. Endlich scheint er für sein Le¬ ben das rechte Zentrum gefunden zu haben, denn die Hauptstadt von Frankreich, wo er sich jetzt aufhält, entspricht mit ihren Bewegungen, Um¬ trieben, glänzenden Gesellschaften ganz dem Cha¬ rakters eines Schriftstellers, der dem witzigsten Franzosen leicht die Spitze bietet, und außerdem alles das vor ihm voraus hat, was ich vorher unserer Nation vindizirt habe. Von den Franzo¬ sen bewundert, hat er in seiner letzten Schrift diese über neue deutsche Literatur belehren wollen, was er, wenn auch einseitig und zum Nachtheil Deutschlands, durch die kühnsten und geistreichsten Züge unserer deutschen Koryphäen ausgeführt hat.
Wienbarg, ästhet. Feldz. 19
als Voltaire, Swift, ſondern als Humoriſten, als einen Byron-Voltaire, der, wie er ſich ſelbſt aus¬ druͤckt, ſein Schlachtopfer erſt mit Blumen kraͤnzt, ehe er ihm den letzten toͤdtlichen Streich verſetzt. Nachdem er ſich an Goͤttingen die Sporen ver¬ dient hatte, eroͤffnete er ſeiner poetiſchen Satyre im zweiten und dritten Theil der Reiſebilder ein wei¬ teres Feld; die neueſte Geſchichte, Napoleon, Frankreich und die Revolution, Deutſchland, Ita¬ lien lieferten ihm Stoff zu einem poetiſchen Hu¬ mor, der, mit gutem Bewußtſein, ſeine eigene Perſon in die Mitte der Darſtellung zu bringen wußte, ohne ſich eben dabei den tugendhafteſten Anſtrich zu geben. Endlich ſcheint er fuͤr ſein Le¬ ben das rechte Zentrum gefunden zu haben, denn die Hauptſtadt von Frankreich, wo er ſich jetzt aufhaͤlt, entſpricht mit ihren Bewegungen, Um¬ trieben, glaͤnzenden Geſellſchaften ganz dem Cha¬ rakters eines Schriftſtellers, der dem witzigſten Franzoſen leicht die Spitze bietet, und außerdem alles das vor ihm voraus hat, was ich vorher unſerer Nation vindizirt habe. Von den Franzo¬ ſen bewundert, hat er in ſeiner letzten Schrift dieſe uͤber neue deutſche Literatur belehren wollen, was er, wenn auch einſeitig und zum Nachtheil Deutſchlands, durch die kuͤhnſten und geiſtreichſten Zuͤge unſerer deutſchen Koryphaͤen ausgefuͤhrt hat.
Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 19
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als Voltaire, Swift, ſondern als Humoriſten, als
einen Byron-Voltaire, der, wie er ſich ſelbſt aus¬
druͤckt, ſein Schlachtopfer erſt mit Blumen kraͤnzt,
ehe er ihm den letzten toͤdtlichen Streich verſetzt.
Nachdem er ſich an Goͤttingen die Sporen ver¬
dient hatte, eroͤffnete er ſeiner poetiſchen Satyre im
zweiten und dritten Theil der Reiſebilder ein wei¬
teres Feld; die neueſte Geſchichte, Napoleon,
Frankreich und die Revolution, Deutſchland, Ita¬
lien lieferten ihm Stoff zu einem poetiſchen Hu¬
mor, der, mit gutem Bewußtſein, ſeine eigene
Perſon in die Mitte der Darſtellung zu bringen
wußte, ohne ſich eben dabei den tugendhafteſten
Anſtrich zu geben. Endlich ſcheint er fuͤr ſein Le¬
ben das rechte Zentrum gefunden zu haben, denn
die Hauptſtadt von Frankreich, wo er ſich jetzt
aufhaͤlt, entſpricht mit ihren Bewegungen, Um¬
trieben, glaͤnzenden Geſellſchaften ganz dem Cha¬
rakters eines Schriftſtellers, der dem witzigſten
Franzoſen leicht die Spitze bietet, und außerdem
alles das vor ihm voraus hat, was ich vorher
unſerer Nation vindizirt habe. Von den Franzo¬
ſen bewundert, hat er in ſeiner letzten Schrift
dieſe uͤber neue deutſche Literatur belehren wollen,
was er, wenn auch einſeitig und zum Nachtheil
Deutſchlands, durch die kuͤhnſten und geiſtreichſten
Zuͤge unſerer deutſchen Koryphaͤen ausgefuͤhrt hat.
Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 19
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/303>, abgerufen am 21.11.2024.
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