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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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ist auch die Natur des deutschen Witzes, der an
Zweideutigkeiten und Wortspielen wenig Geschmack
findet; und daß seine Natur so ist, verdankt er
eben seiner Verbindung mit der Phantasie, welche
ihn auf ihre Schwingen nimmt und ihn vor der
Gefahr schützt, ins Kleinliche oder Gemeine aus¬
zuarten. Allein auf der andern Seite hat diese
Verbindung des Witzes mit der Phantasie auch ihre
Nachtheile; wie aus dem Beispiel Jean Pauls
erhellt; dessen Witz, bei einem geringeren Grad
von Phantasie, schlagender gewesen wäre, als bei
dieser Ueberfülle. Das ist der Abweg des deut¬
schen Witzes, er wird zu phantastisch, er entfernt
sich zu weit von der nächsten graden Gedankenli¬
nie und verliert über dem Haschen das endliche
Ziel aus den Augen. Sie sehen wohl, wo die
Quelle dieser wildgewordenen Witze, dieser ins
Blaue streifenden Phantasie zu suchen ist. Den¬
ken Sie an Jean Paul. War eine Lebenseinheit
in seinem Charakter, schwebte ihm ein bestimmtes
Ziel vor Augen? Nein. Er strebte allem Höch¬
sten nach, aber nach Art der damaligen Poeten,
mehr im Traum, als im Wachen, er war ein
edler, freier Mann, er kannte die Gebrechen der
Zeit, er fühlte die Schmach des Vaterlandes, er
zürnte über Aristokratismus und Möncherei, allein
sein Ringen nach einer bessern Zeit zerfloß immer

Wienbarg, ästhet. Feldz 21

iſt auch die Natur des deutſchen Witzes, der an
Zweideutigkeiten und Wortſpielen wenig Geſchmack
findet; und daß ſeine Natur ſo iſt, verdankt er
eben ſeiner Verbindung mit der Phantaſie, welche
ihn auf ihre Schwingen nimmt und ihn vor der
Gefahr ſchuͤtzt, ins Kleinliche oder Gemeine aus¬
zuarten. Allein auf der andern Seite hat dieſe
Verbindung des Witzes mit der Phantaſie auch ihre
Nachtheile; wie aus dem Beiſpiel Jean Pauls
erhellt; deſſen Witz, bei einem geringeren Grad
von Phantaſie, ſchlagender geweſen waͤre, als bei
dieſer Ueberfuͤlle. Das iſt der Abweg des deut¬
ſchen Witzes, er wird zu phantaſtiſch, er entfernt
ſich zu weit von der naͤchſten graden Gedankenli¬
nie und verliert uͤber dem Haſchen das endliche
Ziel aus den Augen. Sie ſehen wohl, wo die
Quelle dieſer wildgewordenen Witze, dieſer ins
Blaue ſtreifenden Phantaſie zu ſuchen iſt. Den¬
ken Sie an Jean Paul. War eine Lebenseinheit
in ſeinem Charakter, ſchwebte ihm ein beſtimmtes
Ziel vor Augen? Nein. Er ſtrebte allem Hoͤch¬
ſten nach, aber nach Art der damaligen Poeten,
mehr im Traum, als im Wachen, er war ein
edler, freier Mann, er kannte die Gebrechen der
Zeit, er fuͤhlte die Schmach des Vaterlandes, er
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ſein Ringen nach einer beſſern Zeit zerfloß immer

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[305/0319] iſt auch die Natur des deutſchen Witzes, der an Zweideutigkeiten und Wortſpielen wenig Geſchmack findet; und daß ſeine Natur ſo iſt, verdankt er eben ſeiner Verbindung mit der Phantaſie, welche ihn auf ihre Schwingen nimmt und ihn vor der Gefahr ſchuͤtzt, ins Kleinliche oder Gemeine aus¬ zuarten. Allein auf der andern Seite hat dieſe Verbindung des Witzes mit der Phantaſie auch ihre Nachtheile; wie aus dem Beiſpiel Jean Pauls erhellt; deſſen Witz, bei einem geringeren Grad von Phantaſie, ſchlagender geweſen waͤre, als bei dieſer Ueberfuͤlle. Das iſt der Abweg des deut¬ ſchen Witzes, er wird zu phantaſtiſch, er entfernt ſich zu weit von der naͤchſten graden Gedankenli¬ nie und verliert uͤber dem Haſchen das endliche Ziel aus den Augen. Sie ſehen wohl, wo die Quelle dieſer wildgewordenen Witze, dieſer ins Blaue ſtreifenden Phantaſie zu ſuchen iſt. Den¬ ken Sie an Jean Paul. War eine Lebenseinheit in ſeinem Charakter, ſchwebte ihm ein beſtimmtes Ziel vor Augen? Nein. Er ſtrebte allem Hoͤch¬ ſten nach, aber nach Art der damaligen Poeten, mehr im Traum, als im Wachen, er war ein edler, freier Mann, er kannte die Gebrechen der Zeit, er fuͤhlte die Schmach des Vaterlandes, er zuͤrnte uͤber Ariſtokratismus und Moͤncherei, allein ſein Ringen nach einer beſſern Zeit zerfloß immer Wienbarg, aͤſthet. Feldz 21

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/319>, abgerufen am 21.11.2024.