Ich meine auf dem Wege des Protestirens, des Protestirens gegen alle Unnatur und Willkühr, gegen den Druck des freien Menschengeistes, gegen todtes und hohles Formelwesen, Protestiren wider die Ertödtung des jugendlichen Geistes auf unsern Schulen, wider das handwerksmäßige Treiben der Wissenschaften auf unsern Universitäten, Protesti¬ ren wider den Beamtenschlendrian im Leben, wi¬ der die Duldung des Schlechten, weil es her¬ kömmlich und historisch begründet, wider die Reste der Feudalität, wider die ganze feudal-historische Schule, die uns bei lebendigem Leibe ans Kreuz der Geschichte nageln will, und vor allen Dingen Protestiren gegen den Geist der Lüge, der tausend Zungen spricht und sich mit tausend Redensarten und Wendungen eingeschlichen hat in alle unsere menschlichen und bürgerlichen Verhältnisse.
Es ist eben zu dieser Zeit, wo der Geist aus veralteten Formen gänzlich herausgewichen ist, die Historie selber zur Lüge geworden und die Be¬ hauptung, es müsse sich das Neue aus dem Al¬ ten, das todt und abgethan ist, allmählig fortent¬ wickeln, ist eben die abgeschmackteste Lüge, womit der Anbruch des Neuen zurückgehalten werden soll. Es ist wahr, es liegt im Gange der Menschheit, sich in der Dauer gewisser Epochen am Positiven weiterzubilden; allein nicht weniger wahr ist es,
Ich meine auf dem Wege des Proteſtirens, des Proteſtirens gegen alle Unnatur und Willkuͤhr, gegen den Druck des freien Menſchengeiſtes, gegen todtes und hohles Formelweſen, Proteſtiren wider die Ertoͤdtung des jugendlichen Geiſtes auf unſern Schulen, wider das handwerksmaͤßige Treiben der Wiſſenſchaften auf unſern Univerſitaͤten, Proteſti¬ ren wider den Beamtenſchlendrian im Leben, wi¬ der die Duldung des Schlechten, weil es her¬ koͤmmlich und hiſtoriſch begruͤndet, wider die Reſte der Feudalitaͤt, wider die ganze feudal-hiſtoriſche Schule, die uns bei lebendigem Leibe ans Kreuz der Geſchichte nageln will, und vor allen Dingen Proteſtiren gegen den Geiſt der Luͤge, der tauſend Zungen ſpricht und ſich mit tauſend Redensarten und Wendungen eingeſchlichen hat in alle unſere menſchlichen und buͤrgerlichen Verhaͤltniſſe.
Es iſt eben zu dieſer Zeit, wo der Geiſt aus veralteten Formen gaͤnzlich herausgewichen iſt, die Hiſtorie ſelber zur Luͤge geworden und die Be¬ hauptung, es muͤſſe ſich das Neue aus dem Al¬ ten, das todt und abgethan iſt, allmaͤhlig fortent¬ wickeln, iſt eben die abgeſchmackteſte Luͤge, womit der Anbruch des Neuen zuruͤckgehalten werden ſoll. Es iſt wahr, es liegt im Gange der Menſchheit, ſich in der Dauer gewiſſer Epochen am Poſitiven weiterzubilden; allein nicht weniger wahr iſt es,
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Ich meine auf dem Wege des Proteſtirens, des
Proteſtirens gegen alle Unnatur und Willkuͤhr,
gegen den Druck des freien Menſchengeiſtes, gegen
todtes und hohles Formelweſen, Proteſtiren wider
die Ertoͤdtung des jugendlichen Geiſtes auf unſern
Schulen, wider das handwerksmaͤßige Treiben der
Wiſſenſchaften auf unſern Univerſitaͤten, Proteſti¬
ren wider den Beamtenſchlendrian im Leben, wi¬
der die Duldung des Schlechten, weil es her¬
koͤmmlich und hiſtoriſch begruͤndet, wider die Reſte
der Feudalitaͤt, wider die ganze feudal-hiſtoriſche
Schule, die uns bei lebendigem Leibe ans Kreuz
der Geſchichte nageln will, und vor allen Dingen
Proteſtiren gegen den Geiſt der Luͤge, der tauſend
Zungen ſpricht und ſich mit tauſend Redensarten
und Wendungen eingeſchlichen hat in alle unſere
menſchlichen und buͤrgerlichen Verhaͤltniſſe.
Es iſt eben zu dieſer Zeit, wo der Geiſt
aus veralteten Formen gaͤnzlich herausgewichen iſt,
die Hiſtorie ſelber zur Luͤge geworden und die Be¬
hauptung, es muͤſſe ſich das Neue aus dem Al¬
ten, das todt und abgethan iſt, allmaͤhlig fortent¬
wickeln, iſt eben die abgeſchmackteſte Luͤge, womit
der Anbruch des Neuen zuruͤckgehalten werden ſoll.
Es iſt wahr, es liegt im Gange der Menſchheit,
ſich in der Dauer gewiſſer Epochen am Poſitiven
weiterzubilden; allein nicht weniger wahr iſt es,
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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