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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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unverstanden und unverständlich nachbetet, oder
sich auch selbst "mit Worten ein System berei¬
tet," weil man, um mich eines Ausdruckes von
Goethe über das hohle scholastische Treiben einer
Gattung von Philosophie zu bedienen, weil man
der Ansicht lebt:

An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.

Philosophie ist nichts, was sich lehren und
lernen läßt auf dem Wege historischer Mittheilung.
Die Philosophie steht nicht auf dem Katheder und
spricht die Zuhörer zu Philosophen, der Lehrer
kann sie dem Schüler nicht in die Hand drücken,
wie ein Stück zurechtgekauter Wissenschaft, wie
ein fertiges Machwerk, die Philosophie ist eben
nichts anders als das Philosophiren, als das wis¬
senschaftliche Bearbeiten seiner eigenen Begriffe,
als das Selbstdenken, wenn sie sich theoretisch,
das Selbstfühlen und Selbstanschauen, wenn sie
sich praktisch äußert. Das ist nun aber eben so
wenig eines jeden Menschen Sache, als die Poe¬
sie, die Liebe, und was einem sonst als freies
Geschenk vom Himmel fällt, und das man wohl
durch Fleiß und Mühe ausbilden und veredeln,
aber im Schweiße seines Angesichts sich nicht an¬
schaffen kann, wenn das Organ dafür nicht an¬
geboren ist. Allerdings sind alle Menschen zum

unverſtanden und unverſtaͤndlich nachbetet, oder
ſich auch ſelbſt „mit Worten ein Syſtem berei¬
tet,“ weil man, um mich eines Ausdruckes von
Goethe uͤber das hohle ſcholaſtiſche Treiben einer
Gattung von Philoſophie zu bedienen, weil man
der Anſicht lebt:

An Worte laͤßt ſich trefflich glauben,
Von einem Wort laͤßt ſich kein Jota rauben.

Philoſophie iſt nichts, was ſich lehren und
lernen laͤßt auf dem Wege hiſtoriſcher Mittheilung.
Die Philoſophie ſteht nicht auf dem Katheder und
ſpricht die Zuhoͤrer zu Philoſophen, der Lehrer
kann ſie dem Schuͤler nicht in die Hand druͤcken,
wie ein Stuͤck zurechtgekauter Wiſſenſchaft, wie
ein fertiges Machwerk, die Philoſophie iſt eben
nichts anders als das Philoſophiren, als das wiſ¬
ſenſchaftliche Bearbeiten ſeiner eigenen Begriffe,
als das Selbſtdenken, wenn ſie ſich theoretiſch,
das Selbſtfuͤhlen und Selbſtanſchauen, wenn ſie
ſich praktiſch aͤußert. Das iſt nun aber eben ſo
wenig eines jeden Menſchen Sache, als die Poe¬
ſie, die Liebe, und was einem ſonſt als freies
Geſchenk vom Himmel faͤllt, und das man wohl
durch Fleiß und Muͤhe ausbilden und veredeln,
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[57/0071] unverſtanden und unverſtaͤndlich nachbetet, oder ſich auch ſelbſt „mit Worten ein Syſtem berei¬ tet,“ weil man, um mich eines Ausdruckes von Goethe uͤber das hohle ſcholaſtiſche Treiben einer Gattung von Philoſophie zu bedienen, weil man der Anſicht lebt: An Worte laͤßt ſich trefflich glauben, Von einem Wort laͤßt ſich kein Jota rauben. Philoſophie iſt nichts, was ſich lehren und lernen laͤßt auf dem Wege hiſtoriſcher Mittheilung. Die Philoſophie ſteht nicht auf dem Katheder und ſpricht die Zuhoͤrer zu Philoſophen, der Lehrer kann ſie dem Schuͤler nicht in die Hand druͤcken, wie ein Stuͤck zurechtgekauter Wiſſenſchaft, wie ein fertiges Machwerk, die Philoſophie iſt eben nichts anders als das Philoſophiren, als das wiſ¬ ſenſchaftliche Bearbeiten ſeiner eigenen Begriffe, als das Selbſtdenken, wenn ſie ſich theoretiſch, das Selbſtfuͤhlen und Selbſtanſchauen, wenn ſie ſich praktiſch aͤußert. Das iſt nun aber eben ſo wenig eines jeden Menſchen Sache, als die Poe¬ ſie, die Liebe, und was einem ſonſt als freies Geſchenk vom Himmel faͤllt, und das man wohl durch Fleiß und Muͤhe ausbilden und veredeln, aber im Schweiße ſeines Angeſichts ſich nicht an¬ ſchaffen kann, wenn das Organ dafuͤr nicht an¬ geboren iſt. Allerdings ſind alle Menſchen zum

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/71>, abgerufen am 25.11.2024.