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Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834.

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Element zurück, dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen des Staates und der Kirche erfüllt. Er hat seinen Taufschein durch seinen Confirmationsschein eingelös't. Ersteren bekam er ohne seinen Willen zum Geschenk, um letzteren mußte er sich, auch wider seinen Willen, redlich abplacken.

Auf beide Scheine kann er später heirathen und Staatsbürger werden.

Was ist die Frucht dieses Unterrichts? Er hat rechnen, lesen und schreiben gelernt. Er kann auch lesen und schreiben, aber er lies't und schreibt nicht. (Umgekehrt der französische Bauer, der kann nicht lesen, aber er läßt sich vorlesen). Ich frage also, was ist die Frucht dieses hochdeutschen Unterrichts? Welchen Einfluß übt derselbe auf sein Geschäft, auf seine Stellung als Familienvater, Staatsbürger, Glied der Kirche, der sichtbaren, wie der unsichtbaren?

Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und hängt ihn mit allen Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzählt, bis zum künftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche Predigt hochdeutsch durchdenken, spricht er mit Nachbaren, mit Frau und Kindern hochdeutsch vom Inhalt derselben, ist er gewohnt und geübt, ist er nur im Stande, den religiösen Gedankengang in's Plattdeutsche zu übersetzen? Antwort: schwerlich. Frage: hat ihn die Predigt das Herz erwärmt, den Verstand erleuchtet? Antwort ein Schweigen. Armer Bauer, vor mir bist du sicher, ich lese dir darüber den Text nicht. Kannst du etwas dafür, daß der Kanzelton nicht die Grundsaite deines Lebens berührt, daß jener Nerv, der von zart und jung auf gewohnt ist, die Worte der Liebe, der Herzlichkeit, des Verständnisses in dein Inn'res fortzupflanzen, nicht derselbe ist, der sich vom Klang der hochdeutschen Sprache rühren läßt. Wer auf der Gefühlsleiter in deine Herzkammer herabsteigen will, muß wollene Strümpfe und hölzerne Schuh anziehen, in schwarzseidenen

Element zurück, dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen des Staates und der Kirche erfüllt. Er hat seinen Taufschein durch seinen Confirmationsschein eingelös’t. Ersteren bekam er ohne seinen Willen zum Geschenk, um letzteren mußte er sich, auch wider seinen Willen, redlich abplacken.

Auf beide Scheine kann er später heirathen und Staatsbürger werden.

Was ist die Frucht dieses Unterrichts? Er hat rechnen, lesen und schreiben gelernt. Er kann auch lesen und schreiben, aber er lies’t und schreibt nicht. (Umgekehrt der französische Bauer, der kann nicht lesen, aber er läßt sich vorlesen). Ich frage also, was ist die Frucht dieses hochdeutschen Unterrichts? Welchen Einfluß übt derselbe auf sein Geschäft, auf seine Stellung als Familienvater, Staatsbürger, Glied der Kirche, der sichtbaren, wie der unsichtbaren?

Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und hängt ihn mit allen Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzählt, bis zum künftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche Predigt hochdeutsch durchdenken, spricht er mit Nachbaren, mit Frau und Kindern hochdeutsch vom Inhalt derselben, ist er gewohnt und geübt, ist er nur im Stande, den religiösen Gedankengang in’s Plattdeutsche zu übersetzen? Antwort: schwerlich. Frage: hat ihn die Predigt das Herz erwärmt, den Verstand erleuchtet? Antwort ein Schweigen. Armer Bauer, vor mir bist du sicher, ich lese dir darüber den Text nicht. Kannst du etwas dafür, daß der Kanzelton nicht die Grundsaite deines Lebens berührt, daß jener Nerv, der von zart und jung auf gewohnt ist, die Worte der Liebe, der Herzlichkeit, des Verständnisses in dein Inn’res fortzupflanzen, nicht derselbe ist, der sich vom Klang der hochdeutschen Sprache rühren läßt. Wer auf der Gefühlsleiter in deine Herzkammer herabsteigen will, muß wollene Strümpfe und hölzerne Schuh anziehen, in schwarzseidenen

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[18/0018] Element zurück, dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen des Staates und der Kirche erfüllt. Er hat seinen Taufschein durch seinen Confirmationsschein eingelös’t. Ersteren bekam er ohne seinen Willen zum Geschenk, um letzteren mußte er sich, auch wider seinen Willen, redlich abplacken. Auf beide Scheine kann er später heirathen und Staatsbürger werden. Was ist die Frucht dieses Unterrichts? Er hat rechnen, lesen und schreiben gelernt. Er kann auch lesen und schreiben, aber er lies’t und schreibt nicht. (Umgekehrt der französische Bauer, der kann nicht lesen, aber er läßt sich vorlesen). Ich frage also, was ist die Frucht dieses hochdeutschen Unterrichts? Welchen Einfluß übt derselbe auf sein Geschäft, auf seine Stellung als Familienvater, Staatsbürger, Glied der Kirche, der sichtbaren, wie der unsichtbaren? Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und hängt ihn mit allen Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzählt, bis zum künftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche Predigt hochdeutsch durchdenken, spricht er mit Nachbaren, mit Frau und Kindern hochdeutsch vom Inhalt derselben, ist er gewohnt und geübt, ist er nur im Stande, den religiösen Gedankengang in’s Plattdeutsche zu übersetzen? Antwort: schwerlich. Frage: hat ihn die Predigt das Herz erwärmt, den Verstand erleuchtet? Antwort ein Schweigen. Armer Bauer, vor mir bist du sicher, ich lese dir darüber den Text nicht. Kannst du etwas dafür, daß der Kanzelton nicht die Grundsaite deines Lebens berührt, daß jener Nerv, der von zart und jung auf gewohnt ist, die Worte der Liebe, der Herzlichkeit, des Verständnisses in dein Inn’res fortzupflanzen, nicht derselbe ist, der sich vom Klang der hochdeutschen Sprache rühren läßt. Wer auf der Gefühlsleiter in deine Herzkammer herabsteigen will, muß wollene Strümpfe und hölzerne Schuh anziehen, in schwarzseidenen

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_plattdeutsch_1834/18>, abgerufen am 21.11.2024.