Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Die prytanen. für die sie haften) vier bürgen aus der classe der strategen und hip-parchen." das steht da. aber mit recht hat Schultess sich dabei nicht beruhigt. vier bürgen werden gestellt, nicht je vier bürgen. diese zahl kann verständigermassen nur zu den rechenschaftspflichtigen in relation stehn, denn über die wird einzeln verhandelt, die diegguontes sind als collegium haftbar für jeden einzelnen. die massregel bezweckt, dass sich die rechenschaftspflichtigen nicht aus dem staube machen: dafür haben die militärischen behörden zu sorgen, an die sich der staat hält, wenn einer entwischt. für den rechenschaftspflichtigen selbst bürgt jemand den er stellt, natürlich nicht bloss für sein erscheinen, sondern für die erfüllung von allem, was ein upeuthunos zu beobachten hat.24) das ergibt so viel einzelverhältnisse wie rechenschaftspflichtige sind. bürgen sind vier: rechenschaftspflichtige sind unbestimmt wie viele, aber sicherlich sehr viel mehr als vier, wenn die überlieferung richtig ist. es ist gar nicht auszudenken, wie der staat mit dieser bürgschaft zu- frieden sein soll, auch wie mehrere leute denselben bürgen finden sollen. zweitens ist es ganz unbegreiflich, dass der amtsnachfolger für seinen vorgänger haftbar sein soll. drittens ist die rechenschaft der strategen später immer sache der thesmotheten, und es ist kaum glaub- lich, dass dem je anders war. viertens liegt die iteration im wesen des militärischen amtes, eine solche massregel aber schliesst ihre möglich- keit aus. fünftens erwartet man nicht das langatmige ek tou autou telous ouper oi strategoi kai oi ipparkhoi, wenn diese unmittelbar vorhergehn, sondern ouper outoi. das genügt, sollte ich meinen, die streichung von kai tous strategous kai tous ipparkhous zu begründen, die aus der nachbarschaft durch blosses schreiberversehn hierherverschlagen sind. denn nun ist alles klar: die ganze massregel gilt lediglich den prytanen. wer in Athen dies wort brauchte, einerlei ob 411 oder 326, konnte darunter schlechterdings nichts anderes verstehn als ein ana- logon zu den prytanen des rates, die es in Athen zu seiner zeit gab. und wirklich, Aristoteles schliesst den drakontischen rat unmittelbar an. natürlich muss man dann annehmen, dass zu Drakons zeit dieser pry- tanen 4 waren, und das ergibt dann eine reihe bedeutender folgerungen. aber ehe wir diese ziehen, ist es gut, den rest des berichtes zu erläutern: hier nur noch das, dass es sich gar nicht ausdenken lässt, wie ein oligar- chischer fälscher zu einer solchen erfindung kommen konnte. 24) Die bekannten vermögensrechtlichen beschränkungen, die Aischines 3, 21
aufzählt. Die prytanen. für die sie haften) vier bürgen aus der classe der strategen und hip-parchen.” das steht da. aber mit recht hat Schulteſs sich dabei nicht beruhigt. vier bürgen werden gestellt, nicht je vier bürgen. diese zahl kann verständigermaſsen nur zu den rechenschaftspflichtigen in relation stehn, denn über die wird einzeln verhandelt, die διεγγυῶντες sind als collegium haftbar für jeden einzelnen. die maſsregel bezweckt, daſs sich die rechenschaftspflichtigen nicht aus dem staube machen: dafür haben die militärischen behörden zu sorgen, an die sich der staat hält, wenn einer entwischt. für den rechenschaftspflichtigen selbst bürgt jemand den er stellt, natürlich nicht bloſs für sein erscheinen, sondern für die erfüllung von allem, was ein ὑπεύϑυνος zu beobachten hat.24) das ergibt so viel einzelverhältnisse wie rechenschaftspflichtige sind. bürgen sind vier: rechenschaftspflichtige sind unbestimmt wie viele, aber sicherlich sehr viel mehr als vier, wenn die überlieferung richtig ist. es ist gar nicht auszudenken, wie der staat mit dieser bürgschaft zu- frieden sein soll, auch wie mehrere leute denselben bürgen finden sollen. zweitens ist es ganz unbegreiflich, daſs der amtsnachfolger für seinen vorgänger haftbar sein soll. drittens ist die rechenschaft der strategen später immer sache der thesmotheten, und es ist kaum glaub- lich, daſs dem je anders war. viertens liegt die iteration im wesen des militärischen amtes, eine solche maſsregel aber schlieſst ihre möglich- keit aus. fünftens erwartet man nicht das langatmige ἐκ τοῦ αὐτοῦ τέλους οὗπεϱ οἱ στϱατηγοὶ καὶ οἱ ἵππαϱχοι, wenn diese unmittelbar vorhergehn, sondern οὗπεϱ οὗτοι. das genügt, sollte ich meinen, die streichung von καὶ τοὺς στϱατηγοὺς καὶ τοὺς ἱππάϱχους zu begründen, die aus der nachbarschaft durch bloſses schreiberversehn hierherverschlagen sind. denn nun ist alles klar: die ganze maſsregel gilt lediglich den prytanen. wer in Athen dies wort brauchte, einerlei ob 411 oder 326, konnte darunter schlechterdings nichts anderes verstehn als ein ana- logon zu den prytanen des rates, die es in Athen zu seiner zeit gab. und wirklich, Aristoteles schlieſst den drakontischen rat unmittelbar an. natürlich muſs man dann annehmen, daſs zu Drakons zeit dieser pry- tanen 4 waren, und das ergibt dann eine reihe bedeutender folgerungen. aber ehe wir diese ziehen, ist es gut, den rest des berichtes zu erläutern: hier nur noch das, daſs es sich gar nicht ausdenken läſst, wie ein oligar- chischer fälscher zu einer solchen erfindung kommen konnte. 24) Die bekannten vermögensrechtlichen beschränkungen, die Aischines 3, 21
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Die prytanen.
für die sie haften) vier bürgen aus der classe der strategen und hip-
parchen.” das steht da. aber mit recht hat Schulteſs sich dabei nicht
beruhigt. vier bürgen werden gestellt, nicht je vier bürgen. diese zahl
kann verständigermaſsen nur zu den rechenschaftspflichtigen in relation
stehn, denn über die wird einzeln verhandelt, die διεγγυῶντες sind als
collegium haftbar für jeden einzelnen. die maſsregel bezweckt, daſs
sich die rechenschaftspflichtigen nicht aus dem staube machen: dafür
haben die militärischen behörden zu sorgen, an die sich der staat hält,
wenn einer entwischt. für den rechenschaftspflichtigen selbst bürgt
jemand den er stellt, natürlich nicht bloſs für sein erscheinen, sondern
für die erfüllung von allem, was ein ὑπεύϑυνος zu beobachten hat. 24)
das ergibt so viel einzelverhältnisse wie rechenschaftspflichtige sind.
bürgen sind vier: rechenschaftspflichtige sind unbestimmt wie viele, aber
sicherlich sehr viel mehr als vier, wenn die überlieferung richtig ist.
es ist gar nicht auszudenken, wie der staat mit dieser bürgschaft zu-
frieden sein soll, auch wie mehrere leute denselben bürgen finden
sollen. zweitens ist es ganz unbegreiflich, daſs der amtsnachfolger für
seinen vorgänger haftbar sein soll. drittens ist die rechenschaft der
strategen später immer sache der thesmotheten, und es ist kaum glaub-
lich, daſs dem je anders war. viertens liegt die iteration im wesen des
militärischen amtes, eine solche maſsregel aber schlieſst ihre möglich-
keit aus. fünftens erwartet man nicht das langatmige ἐκ τοῦ αὐτοῦ
τέλους οὗπεϱ οἱ στϱατηγοὶ καὶ οἱ ἵππαϱχοι, wenn diese unmittelbar
vorhergehn, sondern οὗπεϱ οὗτοι. das genügt, sollte ich meinen, die
streichung von καὶ τοὺς στϱατηγοὺς καὶ τοὺς ἱππάϱχους zu begründen,
die aus der nachbarschaft durch bloſses schreiberversehn hierherverschlagen
sind. denn nun ist alles klar: die ganze maſsregel gilt lediglich den
prytanen. wer in Athen dies wort brauchte, einerlei ob 411 oder 326,
konnte darunter schlechterdings nichts anderes verstehn als ein ana-
logon zu den prytanen des rates, die es in Athen zu seiner zeit gab.
und wirklich, Aristoteles schlieſst den drakontischen rat unmittelbar an.
natürlich muſs man dann annehmen, daſs zu Drakons zeit dieser pry-
tanen 4 waren, und das ergibt dann eine reihe bedeutender folgerungen.
aber ehe wir diese ziehen, ist es gut, den rest des berichtes zu erläutern:
hier nur noch das, daſs es sich gar nicht ausdenken läſst, wie ein oligar-
chischer fälscher zu einer solchen erfindung kommen konnte.
24) Die bekannten vermögensrechtlichen beschränkungen, die Aischines 3, 21
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