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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Die geschichte der 400.
oligarchie nicht dem Thukydides, sondern einem citate der aristotelischen
Politie entnahmen (Harpokration tetrakosioi), und doch ihre dauer bis
über den jahreswechsel erstrecken mussten (Diodor XIII 36. 38). nun
stellt sich heraus, dass Aristoteles und Thukydides den anfang der oli-
garchie verschieden angesetzt haben, Aristoteles auf den sturz des rates,
Thukydides auf die sitzung, in der der beschluss B gefasst ward. zwischen
beiden liegt kein ganz kurzer zeitraum, da mittlerweile die 5000 ge-
wählt und zusammengetreten sind, und die von ihnen ernannte commis-
sion die verfassung ausgearbeitet hat, diese angenommen ist und dann
erst die 400 gewählt sind.14) ganz wird man damit freilich kaum den
widerspruch beseitigen. aber die zuverlässigkeit der informationen, über
die Thukydides hier verfügt, ist auch wahrlich nicht so gross, dass wir
uns auf den synchronismus verlassen müssten, den er 8, 63 gibt, und
den sturz des demos, selbst die versammlung auf dem Kolonos darunter
verstanden, vor die auffahrt der Peloponnesier vor Samos ansetzen. dass
die Athener die schlacht nicht annahmen, wird mit ihrem gegenseitigen
argwohne motivirt. das müssen wir glauben; ob aber die demokratie zu
hause wirklich schon gestürzt war, oder ob sie das nur glaubten oder
fürchteten, das darf billig dahingestellt bleiben, zumal dem wirklichen
sturze eine zeit der schwülen spannung und der sehr berechtigten er-
wartung dieses ereignisses vorhergieng. zur zeit lässt sich, so viel ich
sehe, bei den schwankenden auf die jahreszeiten (nicht die jahrpunkte,
wie chronologen träumen) und vieldeutige meta tauta gebauten rela-
tiven bestimmungen des Thukydides hier eine sicherheit nicht erzielen.
nur eins halte ich für sicher: an den Dionysien des Kallias aus Skambonidai,
mitte Elaphebolion 411, befand sich die attische bürgerschaft noch in
dem zustande der bangen erwartung vor einem attentate gegen die ver-
fassung und allerhand verräterei: die stimmung der Thesmophoriazusen
ist dieselbe wie sie Thukydides 8, 65. 66 schildert.15) anfang Munichion
wird der rat auf andrängen der probulen die sitzung peri soterias

vor Samos eine schlacht anzubieten. aber diese nehmen sie nicht an, weil sie
einander mistrauen, upo gar ton khronon touton kai ede proteron e en Athenais
demokratia kateleluto. so Thukydides 8, 61--63. rückgreifend erzählt er dann
von den machinationen des Peisandros und seiner leute auf Samos Thasos und ander-
wärts, und dessen ankunft in Athen führt erst zu der wahl der 10 suggraphes, dann
zu der sitzung auf dem Kolonos, wo Peisandros die annahme der oligarchie erzwingt.
dies also war einige zeit geschehn, ehe die Peloponnesier vor Samos die seeschlacht
anboten.
14) Über die modalität dieser wahl vgl. die beilage 'rede für Polystratos'.
15) Vgl. die beilage 'die zeit der Thesmophoriazusen'.

Die geschichte der 400.
oligarchie nicht dem Thukydides, sondern einem citate der aristotelischen
Politie entnahmen (Harpokration τετϱακόσιοι), und doch ihre dauer bis
über den jahreswechsel erstrecken muſsten (Diodor XIII 36. 38). nun
stellt sich heraus, daſs Aristoteles und Thukydides den anfang der oli-
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beiden liegt kein ganz kurzer zeitraum, da mittlerweile die 5000 ge-
wählt und zusammengetreten sind, und die von ihnen ernannte commis-
sion die verfassung ausgearbeitet hat, diese angenommen ist und dann
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uns auf den synchronismus verlassen müſsten, den er 8, 63 gibt, und
den sturz des demos, selbst die versammlung auf dem Kolonos darunter
verstanden, vor die auffahrt der Peloponnesier vor Samos ansetzen. daſs
die Athener die schlacht nicht annahmen, wird mit ihrem gegenseitigen
argwohne motivirt. das müssen wir glauben; ob aber die demokratie zu
hause wirklich schon gestürzt war, oder ob sie das nur glaubten oder
fürchteten, das darf billig dahingestellt bleiben, zumal dem wirklichen
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sehe, bei den schwankenden auf die jahreszeiten (nicht die jahrpunkte,
wie chronologen träumen) und vieldeutige μετὰ ταῦτα gebauten rela-
tiven bestimmungen des Thukydides hier eine sicherheit nicht erzielen.
nur eins halte ich für sicher: an den Dionysien des Kallias aus Skambonidai,
mitte Elaphebolion 411, befand sich die attische bürgerschaft noch in
dem zustande der bangen erwartung vor einem attentate gegen die ver-
fassung und allerhand verräterei: die stimmung der Thesmophoriazusen
ist dieselbe wie sie Thukydides 8, 65. 66 schildert.15) anfang Munichion
wird der rat auf andrängen der probulen die sitzung πεϱὶ σωτηϱίας

vor Samos eine schlacht anzubieten. aber diese nehmen sie nicht an, weil sie
einander mistrauen, ὑπὸ γὰϱ τὸν χϱόνον τοῦτον καὶ ἤδη πϱότεϱον ἡ ἐν Ἀϑήναις
δημοκϱατία κατελέλυτο. so Thukydides 8, 61—63. rückgreifend erzählt er dann
von den machinationen des Peisandros und seiner leute auf Samos Thasos und ander-
wärts, und dessen ankunft in Athen führt erst zu der wahl der 10 συγγϱαφῆς, dann
zu der sitzung auf dem Kolonos, wo Peisandros die annahme der oligarchie erzwingt.
dies also war einige zeit geschehn, ehe die Peloponnesier vor Samos die seeschlacht
anboten.
14) Über die modalität dieser wahl vgl. die beilage ‘rede für Polystratos’.
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[105/0119] Die geschichte der 400. oligarchie nicht dem Thukydides, sondern einem citate der aristotelischen Politie entnahmen (Harpokration τετϱακόσιοι), und doch ihre dauer bis über den jahreswechsel erstrecken muſsten (Diodor XIII 36. 38). nun stellt sich heraus, daſs Aristoteles und Thukydides den anfang der oli- garchie verschieden angesetzt haben, Aristoteles auf den sturz des rates, Thukydides auf die sitzung, in der der beschluſs B gefaſst ward. zwischen beiden liegt kein ganz kurzer zeitraum, da mittlerweile die 5000 ge- wählt und zusammengetreten sind, und die von ihnen ernannte commis- sion die verfassung ausgearbeitet hat, diese angenommen ist und dann erst die 400 gewählt sind. 14) ganz wird man damit freilich kaum den widerspruch beseitigen. aber die zuverlässigkeit der informationen, über die Thukydides hier verfügt, ist auch wahrlich nicht so groſs, daſs wir uns auf den synchronismus verlassen müſsten, den er 8, 63 gibt, und den sturz des demos, selbst die versammlung auf dem Kolonos darunter verstanden, vor die auffahrt der Peloponnesier vor Samos ansetzen. daſs die Athener die schlacht nicht annahmen, wird mit ihrem gegenseitigen argwohne motivirt. das müssen wir glauben; ob aber die demokratie zu hause wirklich schon gestürzt war, oder ob sie das nur glaubten oder fürchteten, das darf billig dahingestellt bleiben, zumal dem wirklichen sturze eine zeit der schwülen spannung und der sehr berechtigten er- wartung dieses ereignisses vorhergieng. zur zeit läſst sich, so viel ich sehe, bei den schwankenden auf die jahreszeiten (nicht die jahrpunkte, wie chronologen träumen) und vieldeutige μετὰ ταῦτα gebauten rela- tiven bestimmungen des Thukydides hier eine sicherheit nicht erzielen. nur eins halte ich für sicher: an den Dionysien des Kallias aus Skambonidai, mitte Elaphebolion 411, befand sich die attische bürgerschaft noch in dem zustande der bangen erwartung vor einem attentate gegen die ver- fassung und allerhand verräterei: die stimmung der Thesmophoriazusen ist dieselbe wie sie Thukydides 8, 65. 66 schildert. 15) anfang Munichion wird der rat auf andrängen der probulen die sitzung πεϱὶ σωτηϱίας 13) 14) Über die modalität dieser wahl vgl. die beilage ‘rede für Polystratos’. 15) Vgl. die beilage ‘die zeit der Thesmophoriazusen’. 13) vor Samos eine schlacht anzubieten. aber diese nehmen sie nicht an, weil sie einander mistrauen, ὑπὸ γὰϱ τὸν χϱόνον τοῦτον καὶ ἤδη πϱότεϱον ἡ ἐν Ἀϑήναις δημοκϱατία κατελέλυτο. so Thukydides 8, 61—63. rückgreifend erzählt er dann von den machinationen des Peisandros und seiner leute auf Samos Thasos und ander- wärts, und dessen ankunft in Athen führt erst zu der wahl der 10 συγγϱαφῆς, dann zu der sitzung auf dem Kolonos, wo Peisandros die annahme der oligarchie erzwingt. dies also war einige zeit geschehn, ehe die Peloponnesier vor Samos die seeschlacht anboten.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/119>, abgerufen am 21.11.2024.