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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Die Peisistratiden.
von Sigeion gewesen sei (V 94). es gibt nur die eine lösung für beides,
dass freilich in Athen nur drei söhne des Peisistratos gewesen sind, wie
Aristoteles ja auch als nachfolger des vaters nur drei nennt, aber der
vierte Sigeion erhalten hatte und nie Athener geworden war. so stimmt
die attische urkunde und Thukydides zu Aristoteles. aber Herodot muss
allerdings statt Iophon Hegesistratos genannt haben, getäuscht durch den
doppelnamen des Thessalos, oder aber Iophon den klangvollen namen
des bruders übernommen haben, als jener sich in Athen Thessalos zu
nennen begann.22)

Es hat noch eine tochter des Peisistratos gegeben, wenn das
patmische scholion zu Demosthenes Aristokratea 71 genau ist. in
einer wertvollen erörterung des attischen blutrechtes heisst es zum be-
lege dafür, dass auch der dikaios phoneus nicht in Athen wohnen durfte
(also einer irrigen ansicht), tois goun Murrinen ten Peisistratou thu-
gatera anerekosi kai allous tinas epsephisanto politeian kai do-
rean; ekeleusthesan d omos en Salamini oikein dia to me exeinai
tes Attikes epibainein ton olos phoneusanta. darin stammt die be-
gründung nicht aus dem psephisma, und die worte scheinen nicht heil.
Myrrhine aber war, wie schon der erste herausgeber Sakkelion gesehen
hat, vielmehr die schwiegertochter des Peisistratos, die gattin des Hippias.
so erzählt Thukydides (VI 55) auf grund eben der inschrift, die das ge-
schlecht ächtete. das verhilft uns wol zu der richtigen deutung des
scholions. nicht nach der ermordung ist das beschlossen, sondern es
ist der preis auf die für vogelfrei erklärte familie ausgesetzt, daher das
unklare Murrinen kai allous tinas23) und die einschwärzung des
namens Peisistratos. die Athener haben den mördern das bürgerrecht
und nicht eine unbestimmte dorea, sondern ein landlos auf Salamis
ausgesetzt, dies aber nicht aus dem angegebenen religiösen motive,
sondern weil sie da verfügbare ländereien hatten und tatsächlich zur
selben zeit zu ehrengeschenken verwendeten (Herod. VIII 11). denn
erst um 480 kann diese stele gesetzt sein, durch die jedes mitglied der

22) Mit Iustin, der aus der ermordung des Hipparchos macht Diocles alter ex
filiis per vim stuprata virgine a fratre puellae interficitur
(II 9, 1) ist nichts an-
zufangen. was in der parischen chronik zum archon Pythokritos 494/3 steht, aph
ou ne ...... ippia -- -- | .... en Athenesin, ist noch ein rätsel. Boeckhs
versuch, einen sohn des Hippias hineinzubringen, ist schon wegen des genetivs
Ippia falsch.
23) Töpffers änderung kai allas epsephisanto doreas kai politeian (qu.
Pisistr.
113) ist an sich ansprechend, aber dann müsste man an die vollzogene tat-
sache des mordes glauben, weil die beziehung auf das landlos nicht mehr vorhanden ist.
v. Wilamowitz, Aristoteles. 8

Die Peisistratiden.
von Sigeion gewesen sei (V 94). es gibt nur die eine lösung für beides,
daſs freilich in Athen nur drei söhne des Peisistratos gewesen sind, wie
Aristoteles ja auch als nachfolger des vaters nur drei nennt, aber der
vierte Sigeion erhalten hatte und nie Athener geworden war. so stimmt
die attische urkunde und Thukydides zu Aristoteles. aber Herodot muſs
allerdings statt Iophon Hegesistratos genannt haben, getäuscht durch den
doppelnamen des Thessalos, oder aber Iophon den klangvollen namen
des bruders übernommen haben, als jener sich in Athen Thessalos zu
nennen begann.22)

Es hat noch eine tochter des Peisistratos gegeben, wenn das
patmische scholion zu Demosthenes Aristokratea 71 genau ist. in
einer wertvollen erörterung des attischen blutrechtes heiſst es zum be-
lege dafür, daſs auch der δίκαιος φονεύς nicht in Athen wohnen durfte
(also einer irrigen ansicht), τοῖς γοῦν Μυϱϱίνην τὴν Πεισιστϱάτου ϑυ-
γατέϱα ἀνῃϱηκόσι καὶ ἄλλους τινὰς ἐψηφίσαντο πολιτείαν καὶ δω-
ϱεάν· ἐκελεύσϑησαν δ̛ ὅμως ἐν Σαλαμῖνι οἰκεῖν διὰ τὸ μὴ ἐξεῖναι
τῆς Ἀττικῆς ἐπιβαίνειν τὸν ὅλως φονεύσαντα. darin stammt die be-
gründung nicht aus dem psephisma, und die worte scheinen nicht heil.
Myrrhine aber war, wie schon der erste herausgeber Sakkelion gesehen
hat, vielmehr die schwiegertochter des Peisistratos, die gattin des Hippias.
so erzählt Thukydides (VI 55) auf grund eben der inschrift, die das ge-
schlecht ächtete. das verhilft uns wol zu der richtigen deutung des
scholions. nicht nach der ermordung ist das beschlossen, sondern es
ist der preis auf die für vogelfrei erklärte familie ausgesetzt, daher das
unklare Μυϱϱίνην καὶ ἄλλους τινάς23) und die einschwärzung des
namens Peisistratos. die Athener haben den mördern das bürgerrecht
und nicht eine unbestimmte δωϱεά, sondern ein landlos auf Salamis
ausgesetzt, dies aber nicht aus dem angegebenen religiösen motive,
sondern weil sie da verfügbare ländereien hatten und tatsächlich zur
selben zeit zu ehrengeschenken verwendeten (Herod. VIII 11). denn
erst um 480 kann diese stele gesetzt sein, durch die jedes mitglied der

22) Mit Iustin, der aus der ermordung des Hipparchos macht Diocles alter ex
filiis per vim stuprata virgine a fratre puellae interficitur
(II 9, 1) ist nichts an-
zufangen. was in der parischen chronik zum archon Pythokritos 494/3 steht, ἀφ̕
οὗ νε ...... ιππια — — | .... εν Ἀϑήνησιν, ist noch ein rätsel. Boeckhs
versuch, einen sohn des Hippias hineinzubringen, ist schon wegen des genetivs
Ἱππία falsch.
23) Töpffers änderung καὶ ἄλλας ἐψηφίσαντο δωϱεάς καὶ πολιτείαν (qu.
Pisistr.
113) ist an sich ansprechend, aber dann müſste man an die vollzogene tat-
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v. Wilamowitz, Aristoteles. 8
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[113/0127] Die Peisistratiden. von Sigeion gewesen sei (V 94). es gibt nur die eine lösung für beides, daſs freilich in Athen nur drei söhne des Peisistratos gewesen sind, wie Aristoteles ja auch als nachfolger des vaters nur drei nennt, aber der vierte Sigeion erhalten hatte und nie Athener geworden war. so stimmt die attische urkunde und Thukydides zu Aristoteles. aber Herodot muſs allerdings statt Iophon Hegesistratos genannt haben, getäuscht durch den doppelnamen des Thessalos, oder aber Iophon den klangvollen namen des bruders übernommen haben, als jener sich in Athen Thessalos zu nennen begann. 22) Es hat noch eine tochter des Peisistratos gegeben, wenn das patmische scholion zu Demosthenes Aristokratea 71 genau ist. in einer wertvollen erörterung des attischen blutrechtes heiſst es zum be- lege dafür, daſs auch der δίκαιος φονεύς nicht in Athen wohnen durfte (also einer irrigen ansicht), τοῖς γοῦν Μυϱϱίνην τὴν Πεισιστϱάτου ϑυ- γατέϱα ἀνῃϱηκόσι καὶ ἄλλους τινὰς ἐψηφίσαντο πολιτείαν καὶ δω- ϱεάν· ἐκελεύσϑησαν δ̛ ὅμως ἐν Σαλαμῖνι οἰκεῖν διὰ τὸ μὴ ἐξεῖναι τῆς Ἀττικῆς ἐπιβαίνειν τὸν ὅλως φονεύσαντα. darin stammt die be- gründung nicht aus dem psephisma, und die worte scheinen nicht heil. Myrrhine aber war, wie schon der erste herausgeber Sakkelion gesehen hat, vielmehr die schwiegertochter des Peisistratos, die gattin des Hippias. so erzählt Thukydides (VI 55) auf grund eben der inschrift, die das ge- schlecht ächtete. das verhilft uns wol zu der richtigen deutung des scholions. nicht nach der ermordung ist das beschlossen, sondern es ist der preis auf die für vogelfrei erklärte familie ausgesetzt, daher das unklare Μυϱϱίνην καὶ ἄλλους τινάς 23) und die einschwärzung des namens Peisistratos. die Athener haben den mördern das bürgerrecht und nicht eine unbestimmte δωϱεά, sondern ein landlos auf Salamis ausgesetzt, dies aber nicht aus dem angegebenen religiösen motive, sondern weil sie da verfügbare ländereien hatten und tatsächlich zur selben zeit zu ehrengeschenken verwendeten (Herod. VIII 11). denn erst um 480 kann diese stele gesetzt sein, durch die jedes mitglied der 22) Mit Iustin, der aus der ermordung des Hipparchos macht Diocles alter ex filiis per vim stuprata virgine a fratre puellae interficitur (II 9, 1) ist nichts an- zufangen. was in der parischen chronik zum archon Pythokritos 494/3 steht, ἀφ̕ οὗ νε ...... ιππια — — | .... εν Ἀϑήνησιν, ist noch ein rätsel. Boeckhs versuch, einen sohn des Hippias hineinzubringen, ist schon wegen des genetivs Ἱππία falsch. 23) Töpffers änderung καὶ ἄλλας ἐψηφίσαντο δωϱεάς καὶ πολιτείαν (qu. Pisistr. 113) ist an sich ansprechend, aber dann müſste man an die vollzogene tat- sache des mordes glauben, weil die beziehung auf das landlos nicht mehr vorhanden ist. v. Wilamowitz, Aristoteles. 8

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/127>, abgerufen am 24.11.2024.