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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 7. Die verfassung.
die einführung dieser ephebie bis auf 335 gekommen, für das gesetz
auf das vorjahr. das ist so nahe an der oberen grenze, dass ich nicht
anstehe, diese auf lange zeit ohne analogie dastehende ehrung der aus-
gedienten epheben der freude über den ersten glücklichen abschluss
eines curses zuzuschreiben und die wichtige tatsache zu erschliessen,
dass die zeit der grossen reformen im jahre von Philippos tode den ver-
such einer reform der jugend, der verstaatlichung des militärisch-sitt-
lichen erziehungswesens, gemacht hat. die säuberung und sicherung
der bürgerschaft sollte bei wege mit erreicht werden. auch der antrag-
steller scheint noch kenntlich. Harpokration hat unter Epikrates nach
dem demagogen, gegen den Lysias geschrieben hat, eteros ou mnemoneuei
Lukourgos en to peri dioikeseos legon os khalkous estathe dia
ton nomon ton peri ton ephebon, on phasi kektesthai talanton
exakosion ousian. wie würde sich der alte Isokrates gefreut haben,
wie merkwürdig musste es aber auch dem Aristoteles sein: denn un-
möglich kann man verkennen, dass es die forderungen der Sokratiker
waren, die jetzt die demagogen in ihrer weise zu erfüllen suchten.
Platons Gesetze haben die ephebie erzeugt. das demokratische Athen
hat sie freilich nicht mehr retten können; sie hat in wenig jahren den
obligatorischen charakter verloren, auch ein dienstjahr eingebüsst, ist
im dritten jahrhundert immer mehr verfallen: aber im zweiten neu-
belebt hat sie wesentlich das gedeihen Athens begründet, nicht bloss
das materielle, sondern auch seine geistige stellung bis auf die tage
Iustinians. es ist hübsch, dass doch die leute des Lykurgischen kreises
mit hand angelegt haben, den alten freistaat der Athener umzuformen
in die universitätsstadt und die stadt der freien wissenschaft. aber die
geschichtliche bedeutung der neuerung zu beleuchten wird sich noch
eine andere gelegenheit bieten: hier ist das wichtige, dass Aristoteles
eine vor seinen augen neu eingeführte institution schildert, natürlich
auf grund eigener beobachtung. auch ist nirgend formelhafte urkunden-
sprache; das capitel klingt viel frischer und lebhafter als alles folgende.

Die darstellung der verfassung reicht in gleichem tone von 43--61.
das 62 capitel bringt dann einige wichtige allgemeine punkte nach,
erstens über die art, wie die losung der beamten statt fand, zweitens
Besol-
dungen.
über die besoldungen, die der staat an einzelne beamte zahlt, drittens
das verbot der iteration aller civilämter mit ausnahme des rates, in dem
man auch nur zweimal sitzen darf. es sind das alles fundamentalsätze
für die demokratie, wie schon die vergleichung des oben citirten capitels
der Politik zeigt. sie correspondiren auch mit der bemerkung am

I. 7. Die verfassung.
die einführung dieser ephebie bis auf 335 gekommen, für das gesetz
auf das vorjahr. das ist so nahe an der oberen grenze, daſs ich nicht
anstehe, diese auf lange zeit ohne analogie dastehende ehrung der aus-
gedienten epheben der freude über den ersten glücklichen abschluſs
eines curses zuzuschreiben und die wichtige tatsache zu erschlieſsen,
daſs die zeit der groſsen reformen im jahre von Philippos tode den ver-
such einer reform der jugend, der verstaatlichung des militärisch-sitt-
lichen erziehungswesens, gemacht hat. die säuberung und sicherung
der bürgerschaft sollte bei wege mit erreicht werden. auch der antrag-
steller scheint noch kenntlich. Harpokration hat unter Ἐπικϱάτης nach
dem demagogen, gegen den Lysias geschrieben hat, ἕτεϱος οὗ μνημονεύει
Λυκοῦϱγος ἐν τῷ πεϱὶ διοικήσεως λέγων ὡς χαλκοῦς ἐστάϑη διὰ
τὸν νόμον τὸν πεϱὶ τῶν ἐφήβων, ὅν φασι κεκτῆσϑαι ταλάντων
ἑξακοσίων οὐσίαν. wie würde sich der alte Isokrates gefreut haben,
wie merkwürdig muſste es aber auch dem Aristoteles sein: denn un-
möglich kann man verkennen, daſs es die forderungen der Sokratiker
waren, die jetzt die demagogen in ihrer weise zu erfüllen suchten.
Platons Gesetze haben die ephebie erzeugt. das demokratische Athen
hat sie freilich nicht mehr retten können; sie hat in wenig jahren den
obligatorischen charakter verloren, auch ein dienstjahr eingebüſst, ist
im dritten jahrhundert immer mehr verfallen: aber im zweiten neu-
belebt hat sie wesentlich das gedeihen Athens begründet, nicht bloſs
das materielle, sondern auch seine geistige stellung bis auf die tage
Iustinians. es ist hübsch, daſs doch die leute des Lykurgischen kreises
mit hand angelegt haben, den alten freistaat der Athener umzuformen
in die universitätsstadt und die stadt der freien wissenschaft. aber die
geschichtliche bedeutung der neuerung zu beleuchten wird sich noch
eine andere gelegenheit bieten: hier ist das wichtige, daſs Aristoteles
eine vor seinen augen neu eingeführte institution schildert, natürlich
auf grund eigener beobachtung. auch ist nirgend formelhafte urkunden-
sprache; das capitel klingt viel frischer und lebhafter als alles folgende.

Die darstellung der verfassung reicht in gleichem tone von 43—61.
das 62 capitel bringt dann einige wichtige allgemeine punkte nach,
erstens über die art, wie die losung der beamten statt fand, zweitens
Besol-
dungen.
über die besoldungen, die der staat an einzelne beamte zahlt, drittens
das verbot der iteration aller civilämter mit ausnahme des rates, in dem
man auch nur zweimal sitzen darf. es sind das alles fundamentalsätze
für die demokratie, wie schon die vergleichung des oben citirten capitels
der Politik zeigt. sie correspondiren auch mit der bemerkung am

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[194/0208] I. 7. Die verfassung. die einführung dieser ephebie bis auf 335 gekommen, für das gesetz auf das vorjahr. das ist so nahe an der oberen grenze, daſs ich nicht anstehe, diese auf lange zeit ohne analogie dastehende ehrung der aus- gedienten epheben der freude über den ersten glücklichen abschluſs eines curses zuzuschreiben und die wichtige tatsache zu erschlieſsen, daſs die zeit der groſsen reformen im jahre von Philippos tode den ver- such einer reform der jugend, der verstaatlichung des militärisch-sitt- lichen erziehungswesens, gemacht hat. die säuberung und sicherung der bürgerschaft sollte bei wege mit erreicht werden. auch der antrag- steller scheint noch kenntlich. Harpokration hat unter Ἐπικϱάτης nach dem demagogen, gegen den Lysias geschrieben hat, ἕτεϱος οὗ μνημονεύει Λυκοῦϱγος ἐν τῷ πεϱὶ διοικήσεως λέγων ὡς χαλκοῦς ἐστάϑη διὰ τὸν νόμον τὸν πεϱὶ τῶν ἐφήβων, ὅν φασι κεκτῆσϑαι ταλάντων ἑξακοσίων οὐσίαν. wie würde sich der alte Isokrates gefreut haben, wie merkwürdig muſste es aber auch dem Aristoteles sein: denn un- möglich kann man verkennen, daſs es die forderungen der Sokratiker waren, die jetzt die demagogen in ihrer weise zu erfüllen suchten. Platons Gesetze haben die ephebie erzeugt. das demokratische Athen hat sie freilich nicht mehr retten können; sie hat in wenig jahren den obligatorischen charakter verloren, auch ein dienstjahr eingebüſst, ist im dritten jahrhundert immer mehr verfallen: aber im zweiten neu- belebt hat sie wesentlich das gedeihen Athens begründet, nicht bloſs das materielle, sondern auch seine geistige stellung bis auf die tage Iustinians. es ist hübsch, daſs doch die leute des Lykurgischen kreises mit hand angelegt haben, den alten freistaat der Athener umzuformen in die universitätsstadt und die stadt der freien wissenschaft. aber die geschichtliche bedeutung der neuerung zu beleuchten wird sich noch eine andere gelegenheit bieten: hier ist das wichtige, daſs Aristoteles eine vor seinen augen neu eingeführte institution schildert, natürlich auf grund eigener beobachtung. auch ist nirgend formelhafte urkunden- sprache; das capitel klingt viel frischer und lebhafter als alles folgende. Die darstellung der verfassung reicht in gleichem tone von 43—61. das 62 capitel bringt dann einige wichtige allgemeine punkte nach, erstens über die art, wie die losung der beamten statt fand, zweitens über die besoldungen, die der staat an einzelne beamte zahlt, drittens das verbot der iteration aller civilämter mit ausnahme des rates, in dem man auch nur zweimal sitzen darf. es sind das alles fundamentalsätze für die demokratie, wie schon die vergleichung des oben citirten capitels der Politik zeigt. sie correspondiren auch mit der bemerkung am Besol- dungen.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/208>, abgerufen am 23.11.2024.