Die einzelnen beamten; disposition.Aristoteles schickt voraus, dass er nur die regelmässigen verwaltungs- ämter aufführen wolle; wir haben also kein recht, weder über die ge- sandten noch über die zahlreichen commissionen etwas zu erwarten. gleichwol muss eine wirkliche darstellung der verwaltung betonen, dass die Athener ihren regelmässigen beamten nicht allzu viel trauten. wenn tempelschätze zu revidiren waren, womit finanzoperationen verbunden zu sein pflegten, wenn die mauern armirt, werften gebaut, heilige geräte angeschafft, rückständige steuern beigetrieben werden sollten, so pflegte man statt der erlosten beamten besondere commissionen zu wählen: so corrigirte der wille des souveränen volkes als tyrann das prinzip der gleichheit und des loses. es gab unter diesen epimeleiai manche die geradezu ständig geworden waren, so wichtige wie die werftbeamten, deren übergabeurkunden wir besitzen, und die wahrlich wichtiger sind als die ieron episkeuastai oder die odopoioi. wenn sie fehlen, so hat das lediglich den grund, dass sie nicht zu der egkuklios tioikesis ge- hören, wenigstens formell; sie werden nicht mit den andern erlost oder mit den strategen gewählt worden sein, sondern jedesmal durch specialgesetz; mitwirkt natürlich, dass Aristoteles auf die flotte noch weniger augen- merk richtet als auf das heer. wie der richtereid lehrt, waren die im diplomatischen auftrage tätigen, kerukes und presbeiai, darin den regel- mässigen behörden völlig gleichgeachtet, dass sie zu keinem andern amte wählbar waren. von den theoren, die unter diese kategorie fallen, steht es zufällig fest, dass sie schon zur zeit der naukraren diäten aus öffentlichen mitteln erhielten, und sie sind keinesweges weniger ständig als die athlotheten, die Aristoteles ausführlich behandelt. dennoch fehlen sie und fehlt ihr sold. da wirkt wieder mit, dass alle rein religiösen chargen von Aristoteles fern gehalten sind, selbst der iero- mnemon, wie 411 (30, 1), so im richtereide der nächste nach den archonten. wo er fehlt, der doch politische bedeutung hatte, zumal zu Aristoteles zeit, dürfen wir vollends rein religiöse beamte wie die eleu- sinischen ieropoioi, die exegetai und alle priester hier nicht suchen. endlich fehlt leider jede behandlung der verfassung und verwaltung in phyle und demos. das ist niemals im altertum zur darstellung gebracht, und doch steckt das leben der besten elemente des attischen wie jedes staates nicht in der stadt, geschweige in den gerichten und amtsstuben, sondern da wo der mensch in stäter berührung mit der mutter erde die elementare volkskraft erhält und erneut. aber dass wir viel mehr von der schilderung eines staates verlangen, soll uns nicht abhalten, dankbar das viele gute hinzunehmen, das uns hier geboten wird.
I. 7. Die verfassung.
Die einzelnen beamten; disposition.Aristoteles schickt voraus, daſs er nur die regelmäſsigen verwaltungs- ämter aufführen wolle; wir haben also kein recht, weder über die ge- sandten noch über die zahlreichen commissionen etwas zu erwarten. gleichwol muſs eine wirkliche darstellung der verwaltung betonen, daſs die Athener ihren regelmäſsigen beamten nicht allzu viel trauten. wenn tempelschätze zu revidiren waren, womit finanzoperationen verbunden zu sein pflegten, wenn die mauern armirt, werften gebaut, heilige geräte angeschafft, rückständige steuern beigetrieben werden sollten, so pflegte man statt der erlosten beamten besondere commissionen zu wählen: so corrigirte der wille des souveränen volkes als tyrann das prinzip der gleichheit und des loses. es gab unter diesen ἐπιμέλειαι manche die geradezu ständig geworden waren, so wichtige wie die werftbeamten, deren übergabeurkunden wir besitzen, und die wahrlich wichtiger sind als die ἱεϱῶν ἐπισκευασταί oder die ὁδοποιοί. wenn sie fehlen, so hat das lediglich den grund, daſs sie nicht zu der ἐγκύκλιος τιοίκησις ge- hören, wenigstens formell; sie werden nicht mit den andern erlost oder mit den strategen gewählt worden sein, sondern jedesmal durch specialgesetz; mitwirkt natürlich, daſs Aristoteles auf die flotte noch weniger augen- merk richtet als auf das heer. wie der richtereid lehrt, waren die im diplomatischen auftrage tätigen, κήϱυκες und πϱεσβεῖαι, darin den regel- mäſsigen behörden völlig gleichgeachtet, daſs sie zu keinem andern amte wählbar waren. von den theoren, die unter diese kategorie fallen, steht es zufällig fest, daſs sie schon zur zeit der naukraren diäten aus öffentlichen mitteln erhielten, und sie sind keinesweges weniger ständig als die athlotheten, die Aristoteles ausführlich behandelt. dennoch fehlen sie und fehlt ihr sold. da wirkt wieder mit, daſs alle rein religiösen chargen von Aristoteles fern gehalten sind, selbst der ἱεϱο- μνήμων, wie 411 (30, 1), so im richtereide der nächste nach den archonten. wo er fehlt, der doch politische bedeutung hatte, zumal zu Aristoteles zeit, dürfen wir vollends rein religiöse beamte wie die eleu- sinischen ἱεϱοποιοί, die ἐξηγηταί und alle priester hier nicht suchen. endlich fehlt leider jede behandlung der verfassung und verwaltung in phyle und demos. das ist niemals im altertum zur darstellung gebracht, und doch steckt das leben der besten elemente des attischen wie jedes staates nicht in der stadt, geschweige in den gerichten und amtsstuben, sondern da wo der mensch in stäter berührung mit der mutter erde die elementare volkskraft erhält und erneut. aber daſs wir viel mehr von der schilderung eines staates verlangen, soll uns nicht abhalten, dankbar das viele gute hinzunehmen, das uns hier geboten wird.
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I. 7. Die verfassung.
Aristoteles schickt voraus, daſs er nur die regelmäſsigen verwaltungs-
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sandten noch über die zahlreichen commissionen etwas zu erwarten.
gleichwol muſs eine wirkliche darstellung der verwaltung betonen, daſs die
Athener ihren regelmäſsigen beamten nicht allzu viel trauten. wenn
tempelschätze zu revidiren waren, womit finanzoperationen verbunden
zu sein pflegten, wenn die mauern armirt, werften gebaut, heilige geräte
angeschafft, rückständige steuern beigetrieben werden sollten, so pflegte
man statt der erlosten beamten besondere commissionen zu wählen:
so corrigirte der wille des souveränen volkes als tyrann das prinzip der
gleichheit und des loses. es gab unter diesen ἐπιμέλειαι manche die
geradezu ständig geworden waren, so wichtige wie die werftbeamten,
deren übergabeurkunden wir besitzen, und die wahrlich wichtiger sind
als die ἱεϱῶν ἐπισκευασταί oder die ὁδοποιοί. wenn sie fehlen, so hat
das lediglich den grund, daſs sie nicht zu der ἐγκύκλιος τιοίκησις ge-
hören, wenigstens formell; sie werden nicht mit den andern erlost oder mit
den strategen gewählt worden sein, sondern jedesmal durch specialgesetz;
mitwirkt natürlich, daſs Aristoteles auf die flotte noch weniger augen-
merk richtet als auf das heer. wie der richtereid lehrt, waren die im
diplomatischen auftrage tätigen, κήϱυκες und πϱεσβεῖαι, darin den regel-
mäſsigen behörden völlig gleichgeachtet, daſs sie zu keinem andern amte
wählbar waren. von den theoren, die unter diese kategorie fallen, steht
es zufällig fest, daſs sie schon zur zeit der naukraren diäten aus
öffentlichen mitteln erhielten, und sie sind keinesweges weniger ständig
als die athlotheten, die Aristoteles ausführlich behandelt. dennoch
fehlen sie und fehlt ihr sold. da wirkt wieder mit, daſs alle rein
religiösen chargen von Aristoteles fern gehalten sind, selbst der ἱεϱο-
μνήμων, wie 411 (30, 1), so im richtereide der nächste nach den
archonten. wo er fehlt, der doch politische bedeutung hatte, zumal zu
Aristoteles zeit, dürfen wir vollends rein religiöse beamte wie die eleu-
sinischen ἱεϱοποιοί, die ἐξηγηταί und alle priester hier nicht suchen.
endlich fehlt leider jede behandlung der verfassung und verwaltung in
phyle und demos. das ist niemals im altertum zur darstellung gebracht,
und doch steckt das leben der besten elemente des attischen wie jedes
staates nicht in der stadt, geschweige in den gerichten und amtsstuben,
sondern da wo der mensch in stäter berührung mit der mutter erde
die elementare volkskraft erhält und erneut. aber daſs wir viel mehr
von der schilderung eines staates verlangen, soll uns nicht abhalten,
dankbar das viele gute hinzunehmen, das uns hier geboten wird.
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einzelnen
beamten;
disposition.
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/220>, abgerufen am 24.11.2024.
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