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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Zweite reihe der losbeamten.

Ein solches chaos gibt Aristoteles statt einer ordnung. soll man
annehmen, er klebe einen haufen zettel, wie sie ihm in die hände fallen,
hinter einander? sonst ist doch alles wol disponirt, und schwer war es
wahrlich nicht, eine erträgliche reihenfolge zu finden. oder ist er von
einer vorlage abhängig? dann verschiebt sich nur die frage von Aristo-
teles auf jemand anders. sehen wir uns lieber diese reihe von äm-
tern auf ihren wahlmodus an, wie er früher gewesen sein muss. der
prytanienschreiber ist noch über 403 hinaus gewählt worden, und ein
gewählter steht noch neben ihm. der archon von Salamis kann auch
nur gewählt worden sein, so lange er bedeutendere militärische befug-
nisse hatte. der demarch ist eine neue schöpfung und steht passend
neben diesem collegen. die sunegoroi sind im fünften jahundert ohne
zweifel immer erwählt94), und sie mussten es wahrlich sein, so lange
ihnen die führung der anklage wesentlich zufiel, die später die rede-
gewandtheit der politiker oder die redeschreiberei übernahm. die opfer-
männer für die sühnopfer haben nur einzelne tage zu tun, die wege-
bauer auch; man bessert doch höchstens zweimal im jahre die strassen.
auch die andern opfermänner sind zwar für das jahr erlost, aber sie
haben doch keine perennirenden pflichten: das sind also alles behörden,
die wie dazu geschaffen sind, in der für die opfermänner der Hephai-
stien bezeugten weise aus den richtern ausgelost zu werden (oben s. 201).
die logisten waren ehedem dreissig und entsprachen also den trittyen,
ebenso die dreissig demenrichter. mit andern worten, es steht in der
ganzen reihe keine einzige behörde, die im fünften jahrhundert mit den
archonten gewählt wäre, sondern es sind teils die im Theseion mit
richtern und rat erlosten, teils wahlämter. die ordnung, die Aristo-

94) Harp. s. v. bezeugt es ausdrücklich wenn auch mit eoikasi, und z. b.
Perikles war im rechenschaftsprotest des Kimon gewählt als sunegoros. sie er-
halten ja auch diaeten, eine ganze drachme (Ar. Wesp. 691 mit schol.). Aristophanes
klagt in den ältesten stücken (Dait. 16, Ach. 685. 716. Ritt. 1358 Holk. 13 Wesp.
482) oft, dass die rhetorisch gebildete jugend, die schüler des Thrasymachos und
Protagoras, wie Euathles, Kephisodemos, Alkibiades als sunegoroi auftreten und
die angeklagten und richter tyrannisiren. man kommt weder mit den bekannten
sunegoroi der logisten oder in anderen processen, wo das volk eigentlich partei ist,
gut aus, noch mit der annahme, dass fürsprecher gemeint wären, wie der erste redner
für Polystratos, Apollodor im processe gegen Neaira, Hypereides für Euxenippos. aus
Antiphon notirt die synegoren Harpokration, ohne sicheres zu wissen: auch mir ist
nicht mehr klar, als dass hier verhältnisse des fünften jahrhunderts vorausgesetzt sind,
die später nicht mehr bestanden und deshalb von unten aus nicht erklärt werden
können. das recht me dis sunegoresai (anm. 23) hat für diese leute im fünften
jahrhundert unmöglich gegolten.
Zweite reihe der losbeamten.

Ein solches chaos gibt Aristoteles statt einer ordnung. soll man
annehmen, er klebe einen haufen zettel, wie sie ihm in die hände fallen,
hinter einander? sonst ist doch alles wol disponirt, und schwer war es
wahrlich nicht, eine erträgliche reihenfolge zu finden. oder ist er von
einer vorlage abhängig? dann verschiebt sich nur die frage von Aristo-
teles auf jemand anders. sehen wir uns lieber diese reihe von äm-
tern auf ihren wahlmodus an, wie er früher gewesen sein muſs. der
prytanienschreiber ist noch über 403 hinaus gewählt worden, und ein
gewählter steht noch neben ihm. der archon von Salamis kann auch
nur gewählt worden sein, so lange er bedeutendere militärische befug-
nisse hatte. der demarch ist eine neue schöpfung und steht passend
neben diesem collegen. die συνήγοϱοι sind im fünften jahundert ohne
zweifel immer erwählt94), und sie muſsten es wahrlich sein, so lange
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gewandtheit der politiker oder die redeschreiberei übernahm. die opfer-
männer für die sühnopfer haben nur einzelne tage zu tun, die wege-
bauer auch; man bessert doch höchstens zweimal im jahre die straſsen.
auch die andern opfermänner sind zwar für das jahr erlost, aber sie
haben doch keine perennirenden pflichten: das sind also alles behörden,
die wie dazu geschaffen sind, in der für die opfermänner der Hephai-
stien bezeugten weise aus den richtern ausgelost zu werden (oben s. 201).
die logisten waren ehedem dreiſsig und entsprachen also den trittyen,
ebenso die dreiſsig demenrichter. mit andern worten, es steht in der
ganzen reihe keine einzige behörde, die im fünften jahrhundert mit den
archonten gewählt wäre, sondern es sind teils die im Theseion mit
richtern und rat erlosten, teils wahlämter. die ordnung, die Aristo-

94) Harp. s. v. bezeugt es ausdrücklich wenn auch mit ἐοίκασι, und z. b.
Perikles war im rechenschaftsprotest des Kimon gewählt als συνήγοϱος. sie er-
halten ja auch diaeten, eine ganze drachme (Ar. Wesp. 691 mit schol.). Aristophanes
klagt in den ältesten stücken (Dait. 16, Ach. 685. 716. Ritt. 1358 Holk. 13 Wesp.
482) oft, daſs die rhetorisch gebildete jugend, die schüler des Thrasymachos und
Protagoras, wie Euathles, Kephisodemos, Alkibiades als συνήγοϱοι auftreten und
die angeklagten und richter tyrannisiren. man kommt weder mit den bekannten
συνήγοϱοι der logisten oder in anderen processen, wo das volk eigentlich partei ist,
gut aus, noch mit der annahme, daſs fürsprecher gemeint wären, wie der erste redner
für Polystratos, Apollodor im processe gegen Neaira, Hypereides für Euxenippos. aus
Antiphon notirt die synegoren Harpokration, ohne sicheres zu wissen: auch mir ist
nicht mehr klar, als daſs hier verhältnisse des fünften jahrhunderts vorausgesetzt sind,
die später nicht mehr bestanden und deshalb von unten aus nicht erklärt werden
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[233/0247] Zweite reihe der losbeamten. Ein solches chaos gibt Aristoteles statt einer ordnung. soll man annehmen, er klebe einen haufen zettel, wie sie ihm in die hände fallen, hinter einander? sonst ist doch alles wol disponirt, und schwer war es wahrlich nicht, eine erträgliche reihenfolge zu finden. oder ist er von einer vorlage abhängig? dann verschiebt sich nur die frage von Aristo- teles auf jemand anders. sehen wir uns lieber diese reihe von äm- tern auf ihren wahlmodus an, wie er früher gewesen sein muſs. der prytanienschreiber ist noch über 403 hinaus gewählt worden, und ein gewählter steht noch neben ihm. der archon von Salamis kann auch nur gewählt worden sein, so lange er bedeutendere militärische befug- nisse hatte. der demarch ist eine neue schöpfung und steht passend neben diesem collegen. die συνήγοϱοι sind im fünften jahundert ohne zweifel immer erwählt 94), und sie muſsten es wahrlich sein, so lange ihnen die führung der anklage wesentlich zufiel, die später die rede- gewandtheit der politiker oder die redeschreiberei übernahm. die opfer- männer für die sühnopfer haben nur einzelne tage zu tun, die wege- bauer auch; man bessert doch höchstens zweimal im jahre die straſsen. auch die andern opfermänner sind zwar für das jahr erlost, aber sie haben doch keine perennirenden pflichten: das sind also alles behörden, die wie dazu geschaffen sind, in der für die opfermänner der Hephai- stien bezeugten weise aus den richtern ausgelost zu werden (oben s. 201). die logisten waren ehedem dreiſsig und entsprachen also den trittyen, ebenso die dreiſsig demenrichter. mit andern worten, es steht in der ganzen reihe keine einzige behörde, die im fünften jahrhundert mit den archonten gewählt wäre, sondern es sind teils die im Theseion mit richtern und rat erlosten, teils wahlämter. die ordnung, die Aristo- 94) Harp. s. v. bezeugt es ausdrücklich wenn auch mit ἐοίκασι, und z. b. Perikles war im rechenschaftsprotest des Kimon gewählt als συνήγοϱος. sie er- halten ja auch diaeten, eine ganze drachme (Ar. Wesp. 691 mit schol.). Aristophanes klagt in den ältesten stücken (Dait. 16, Ach. 685. 716. Ritt. 1358 Holk. 13 Wesp. 482) oft, daſs die rhetorisch gebildete jugend, die schüler des Thrasymachos und Protagoras, wie Euathles, Kephisodemos, Alkibiades als συνήγοϱοι auftreten und die angeklagten und richter tyrannisiren. man kommt weder mit den bekannten συνήγοϱοι der logisten oder in anderen processen, wo das volk eigentlich partei ist, gut aus, noch mit der annahme, daſs fürsprecher gemeint wären, wie der erste redner für Polystratos, Apollodor im processe gegen Neaira, Hypereides für Euxenippos. aus Antiphon notirt die synegoren Harpokration, ohne sicheres zu wissen: auch mir ist nicht mehr klar, als daſs hier verhältnisse des fünften jahrhunderts vorausgesetzt sind, die später nicht mehr bestanden und deshalb von unten aus nicht erklärt werden können. das recht μὴ δὶς συνηγοϱῆσαι (anm. 23) hat für diese leute im fünften jahrhundert unmöglich gegolten.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/247>, abgerufen am 22.11.2024.