Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 7. Die verfassung. teles befolgt, ist also auch in diesem teile wie in der ganzen abhand-lung auf den wahlmodus gegründet. zuerst steht der rat, die vertre- tung der gemeinden95), dann die als phylenvertreter erlosten beamten, aber unter denen treten zwischen die eisagogeis96) und die archonten eine anzahl von beamten, die ehedem in eine andere kategorie fielen. für den leser ist der übergang zunächst gar nicht zu merken, und so habe ich vorhin auch ruhig anerkannt, dass die vierzig auf die eisa- gogeis passend folgten; es sind je vier auf die phyle, eingesetzt un- mittelbar nach den Dreissig, also schon damals in diese classe geschoben. den folgenden übergang klerousi de kai tasde tas arkhas aber fanden wir befremdlich: er lässt sich nur als ein nachtrag auffassen, und schliesst so disparates wie wegebauer und logisten zusammen. wenn wir nun erkennen, dass diese reihe von behörden wirklich den mit den archonten erlosten erst allmählich angefügt sind, so werden wir aufhören, eine sachliche ordnung zu verlangen97), haben damit aber wieder das ergebnis erreicht, dass Aristoteles den stoff nicht selbst geformt und verteilt hat, sondern dass er nur einen bereits geformten stoff redigirt. in diesem falle ist für ihn die losordnung der beamten massgebend ge- wesen: ich meine, man kann ihn billigerweise nicht tadeln. Politik Z 8.In seinen politischen vorträgen hatte er schon einmal eine über- 95) Die phrouroi hat er, sei es weil sie für die egkuklios dioikesis zu unwesent- lich schienen, sei es weil sie ein halb militärisches amt waren, fortgelassen. 96) Bei diesen kann man schwanken, wohin sie gehören, weil man ihre zahl nicht kennt, die doch im fünften jahrhundert notwendig höher sein muss. indessen sind sie an die phylen gebunden und hatten das ganze jahr zu tun; somit gehören sie zu den archonten. andererseits sind die elf die altertümlichste behörde, und erscheinen passend für den schluss ihrer reihe. die eisagogeis sind aber auch eine neuerung, wenn auch eine des fünften jahrhunderts. 97) Unsere kenntnis (oder meine) reicht nicht dazu hin, die allmähliche ent-
wickelung, deren niederschlag wir in dieser ordnung vor uns sehen, zu verfolgen, und ich wage nicht, sie aus ihr zu erschliessen. es finden sich in der ersten reihe auch zusätze, die ausseher des emporiums, und anderes ist fortgefallen, z. b. die schatz- meister der anderen götter. aber dort war leicht ordnung zu halten. als man diese schuf, schrieb man ihre auslosung mit den andern behörden vor (CIA I 32), in der weise wie die schatzmeister der göttin ausgelost wurden: damit war ihre stelle gegeben. I. 7. Die verfassung. teles befolgt, ist also auch in diesem teile wie in der ganzen abhand-lung auf den wahlmodus gegründet. zuerst steht der rat, die vertre- tung der gemeinden95), dann die als phylenvertreter erlosten beamten, aber unter denen treten zwischen die εἰσαγωγεῖς96) und die archonten eine anzahl von beamten, die ehedem in eine andere kategorie fielen. für den leser ist der übergang zunächst gar nicht zu merken, und so habe ich vorhin auch ruhig anerkannt, daſs die vierzig auf die εἰσα- γωγεῖς passend folgten; es sind je vier auf die phyle, eingesetzt un- mittelbar nach den Dreiſsig, also schon damals in diese classe geschoben. den folgenden übergang κληϱοῦσι δὲ καὶ τάσδε τὰς ἀϱχάς aber fanden wir befremdlich: er läſst sich nur als ein nachtrag auffassen, und schlieſst so disparates wie wegebauer und logisten zusammen. wenn wir nun erkennen, daſs diese reihe von behörden wirklich den mit den archonten erlosten erst allmählich angefügt sind, so werden wir aufhören, eine sachliche ordnung zu verlangen97), haben damit aber wieder das ergebnis erreicht, daſs Aristoteles den stoff nicht selbst geformt und verteilt hat, sondern daſs er nur einen bereits geformten stoff redigirt. in diesem falle ist für ihn die losordnung der beamten maſsgebend ge- wesen: ich meine, man kann ihn billigerweise nicht tadeln. Politik Z 8.In seinen politischen vorträgen hatte er schon einmal eine über- 95) Die φϱουϱοί hat er, sei es weil sie für die ἐγκύκλιος διοίκησις zu unwesent- lich schienen, sei es weil sie ein halb militärisches amt waren, fortgelassen. 96) Bei diesen kann man schwanken, wohin sie gehören, weil man ihre zahl nicht kennt, die doch im fünften jahrhundert notwendig höher sein muſs. indessen sind sie an die phylen gebunden und hatten das ganze jahr zu tun; somit gehören sie zu den archonten. andererseits sind die elf die altertümlichste behörde, und erscheinen passend für den schluſs ihrer reihe. die εἰσαγωγεῖς sind aber auch eine neuerung, wenn auch eine des fünften jahrhunderts. 97) Unsere kenntnis (oder meine) reicht nicht dazu hin, die allmähliche ent-
wickelung, deren niederschlag wir in dieser ordnung vor uns sehen, zu verfolgen, und ich wage nicht, sie aus ihr zu erschlieſsen. es finden sich in der ersten reihe auch zusätze, die auſseher des emporiums, und anderes ist fortgefallen, z. b. die schatz- meister der anderen götter. aber dort war leicht ordnung zu halten. als man diese schuf, schrieb man ihre auslosung mit den andern behörden vor (CIA I 32), in der weise wie die schatzmeister der göttin ausgelost wurden: damit war ihre stelle gegeben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="234"/><fw place="top" type="header">I. 7. Die verfassung.</fw><lb/> teles befolgt, ist also auch in diesem teile wie in der ganzen abhand-<lb/> lung auf den wahlmodus gegründet. zuerst steht der rat, die vertre-<lb/> tung der gemeinden<note place="foot" n="95)">Die φϱουϱοί hat er, sei es weil sie für die ἐγκύκλιος διοίκησις zu unwesent-<lb/> lich schienen, sei es weil sie ein halb militärisches amt waren, fortgelassen.</note>, dann die als phylenvertreter erlosten beamten,<lb/> aber unter denen treten zwischen die εἰσαγωγεῖς<note place="foot" n="96)">Bei diesen kann man schwanken, wohin sie gehören, weil man ihre zahl<lb/> nicht kennt, die doch im fünften jahrhundert notwendig höher sein muſs. indessen<lb/> sind sie an die phylen gebunden und hatten das ganze jahr zu tun; somit gehören<lb/> sie zu den archonten. andererseits sind die elf die altertümlichste behörde, und<lb/> erscheinen passend für den schluſs ihrer reihe. die εἰσαγωγεῖς sind aber auch eine<lb/> neuerung, wenn auch eine des fünften jahrhunderts.</note> und die archonten<lb/> eine anzahl von beamten, die ehedem in eine andere kategorie fielen.<lb/> für den leser ist der übergang zunächst gar nicht zu merken, und so<lb/> habe ich vorhin auch ruhig anerkannt, daſs die vierzig auf die εἰσα-<lb/> γωγεῖς passend folgten; es sind je vier auf die phyle, eingesetzt un-<lb/> mittelbar nach den Dreiſsig, also schon damals in diese classe geschoben.<lb/> den folgenden übergang κληϱοῦσι δὲ καὶ τάσδε τὰς ἀϱχάς aber fanden<lb/> wir befremdlich: er läſst sich nur als ein nachtrag auffassen, und<lb/> schlieſst so disparates wie wegebauer und logisten zusammen. wenn wir<lb/> nun erkennen, daſs diese reihe von behörden wirklich den mit den<lb/> archonten erlosten erst allmählich angefügt sind, so werden wir aufhören,<lb/> eine sachliche ordnung zu verlangen<note place="foot" n="97)">Unsere kenntnis (oder meine) reicht nicht dazu hin, die allmähliche ent-<lb/> wickelung, deren niederschlag wir in dieser ordnung vor uns sehen, zu verfolgen,<lb/> und ich wage nicht, sie aus ihr zu erschlieſsen. es finden sich in der ersten reihe<lb/> auch zusätze, die auſseher des emporiums, und anderes ist fortgefallen, z. b. die schatz-<lb/> meister der anderen götter. aber dort war leicht ordnung zu halten. als man diese<lb/> schuf, schrieb man ihre auslosung mit den andern behörden vor (CIA I 32), in der<lb/> weise wie die schatzmeister der göttin ausgelost wurden: damit war ihre stelle gegeben.</note>, haben damit aber wieder das<lb/> ergebnis erreicht, daſs Aristoteles den stoff nicht selbst geformt und<lb/> verteilt hat, sondern daſs er nur einen bereits geformten stoff redigirt.<lb/> in diesem falle ist für ihn die losordnung der beamten maſsgebend ge-<lb/> wesen: ich meine, man kann ihn billigerweise nicht tadeln.</p><lb/> <p><note place="left">Politik <hi rendition="#i">Z</hi> 8.</note>In seinen politischen vorträgen hatte er schon einmal eine über-<lb/> sicht der für einen staat notwendigen beamten gegeben. es hat be-<lb/> deutendes interesse, diesen abschnitt (Z 8) zur vergleichung heranzu-<lb/> ziehen. er fängt mit der polizei an, ἀγοϱανόμοι ἀστυνόμοι ἀγϱονόμοι.<lb/> dann kommen die einnehmer und verwalter der steuern, ἀποδέκται und<lb/> ταμίαι. dann eine behörde, welche die acte der freiwilligen gerichts-<lb/> barkeit aufnimmt und die privatprocesse instruirt, ἱεϱομνήμονες oder<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0248]
I. 7. Die verfassung.
teles befolgt, ist also auch in diesem teile wie in der ganzen abhand-
lung auf den wahlmodus gegründet. zuerst steht der rat, die vertre-
tung der gemeinden 95), dann die als phylenvertreter erlosten beamten,
aber unter denen treten zwischen die εἰσαγωγεῖς 96) und die archonten
eine anzahl von beamten, die ehedem in eine andere kategorie fielen.
für den leser ist der übergang zunächst gar nicht zu merken, und so
habe ich vorhin auch ruhig anerkannt, daſs die vierzig auf die εἰσα-
γωγεῖς passend folgten; es sind je vier auf die phyle, eingesetzt un-
mittelbar nach den Dreiſsig, also schon damals in diese classe geschoben.
den folgenden übergang κληϱοῦσι δὲ καὶ τάσδε τὰς ἀϱχάς aber fanden
wir befremdlich: er läſst sich nur als ein nachtrag auffassen, und
schlieſst so disparates wie wegebauer und logisten zusammen. wenn wir
nun erkennen, daſs diese reihe von behörden wirklich den mit den
archonten erlosten erst allmählich angefügt sind, so werden wir aufhören,
eine sachliche ordnung zu verlangen 97), haben damit aber wieder das
ergebnis erreicht, daſs Aristoteles den stoff nicht selbst geformt und
verteilt hat, sondern daſs er nur einen bereits geformten stoff redigirt.
in diesem falle ist für ihn die losordnung der beamten maſsgebend ge-
wesen: ich meine, man kann ihn billigerweise nicht tadeln.
In seinen politischen vorträgen hatte er schon einmal eine über-
sicht der für einen staat notwendigen beamten gegeben. es hat be-
deutendes interesse, diesen abschnitt (Z 8) zur vergleichung heranzu-
ziehen. er fängt mit der polizei an, ἀγοϱανόμοι ἀστυνόμοι ἀγϱονόμοι.
dann kommen die einnehmer und verwalter der steuern, ἀποδέκται und
ταμίαι. dann eine behörde, welche die acte der freiwilligen gerichts-
barkeit aufnimmt und die privatprocesse instruirt, ἱεϱομνήμονες oder
Politik Z 8.
95) Die φϱουϱοί hat er, sei es weil sie für die ἐγκύκλιος διοίκησις zu unwesent-
lich schienen, sei es weil sie ein halb militärisches amt waren, fortgelassen.
96) Bei diesen kann man schwanken, wohin sie gehören, weil man ihre zahl
nicht kennt, die doch im fünften jahrhundert notwendig höher sein muſs. indessen
sind sie an die phylen gebunden und hatten das ganze jahr zu tun; somit gehören
sie zu den archonten. andererseits sind die elf die altertümlichste behörde, und
erscheinen passend für den schluſs ihrer reihe. die εἰσαγωγεῖς sind aber auch eine
neuerung, wenn auch eine des fünften jahrhunderts.
97) Unsere kenntnis (oder meine) reicht nicht dazu hin, die allmähliche ent-
wickelung, deren niederschlag wir in dieser ordnung vor uns sehen, zu verfolgen,
und ich wage nicht, sie aus ihr zu erschlieſsen. es finden sich in der ersten reihe
auch zusätze, die auſseher des emporiums, und anderes ist fortgefallen, z. b. die schatz-
meister der anderen götter. aber dort war leicht ordnung zu halten. als man diese
schuf, schrieb man ihre auslosung mit den andern behörden vor (CIA I 32), in der
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