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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Athlotheten.
sorge für die pünktliche zahlung der pacht an, da er ihnen sonst
den eintritt in seinen kreis versagt. er schickt seine gnomones110) über
land, legt nachlässigen grundbesitzern ordnungsstrafen auf (zemiai),
richtet über die anzeigen wider solche, die jeder erheben kann, und
straft den tod eines olivenstammes an dem leben des schuldigen. dieses
'drakonische' und sicherlich vordrakontische gesetz ist rechtlich nie be-
seitigt und konnte es nicht werden, da Athena die verletzte war; tat-
sächlich liess man um 395 dem verurteilten dieselbe freiheit zum fliehen
wie dem mörder, so dass im bewusstsein der leute nur verbannung und
vermögensverlust die strafe war.111) bald darauf ist die ganze alte ordnung
faktisch beseitigt, indem die lieferung von einer bestimmten menge öl
als reallast der grundstücke angesehen ward, auf denen heilige bäume
gestanden hatten. der grundbesitzer haftet für die zahlung mit seinem
vermögen; auf die bäume selbst kommt nichts mehr an.112) dass man die
reallieferung nicht in geld umgesetzt hat, liegt daran, dass der staat öl
brauchte.

Als man den ölbau so einführte, war der Areopag herr in Athen.
das liegt am tage, und man könnte seine vorsolonische macht von dieser
ecke aus sicher erreichen. die schöne sage von Athenas besitzergreifung
durch das wahrzeichen der olive ist erst auf grund dieser massregel

collegium neben dem obmann erscheint. Aristoteles gibt auch hierin eine jüngere
ordnung.
110) gnomones haben sie geheissen, so hat der Palatinus Lys. 7, 25 und die
gute glosse Bekk. An. 228, und der aus den Retorikai stammende artikel im Et. M.
epignomones gibt Harpokration für die Lysiasstelle ohne weitere gewähr; dass Hesych.
epignomon epoptes auf die behörde geht, ist nicht glaublich, denn epoptes ist
überhaupt kein amtsname. dagegen stimmt Hesych gnomon zu dem anfange des
artikels in Et. M. epignomon ist, wenn die praeposition nicht bedeutsam ist wie
bei Demosthenes 37, 40, ein späterer ersatz für das einfache wort, sehr deutlich bei
Xenoph. Mem. 1, 4, 5, wo Sext. Empir. adv. phys. I 94 epignomon gibt, gnomon
die handschriften.
111) So gleicht sich das gesetz bei Aristoteles und die rednerangabe Lys.
7, 3 u. ö. bequem aus. übrigens redet er auch von peri tou somatos kindunoi 26.
112) ek tou ktematos kommt das öl. so müsste man emendiren, wenn es
nicht trotz Kenyons wiederholter versicherung überliefert wäre. von welchem baume
das öl herkommt, ist gleichgiltig: aber der besitzer des grundstücks, auf dem diese
reallast liegt, ist für die lieferung haftbar. zu dem gebrauche von ktema vgl. z. b.
Demosthenes gg. Androt. 54. wie das religiöse denken, das in dem baume ein
göttliches sieht, eine gespielin Athenas, über das politische, das den gott durch
den staat ersetzt, zu dem profan juristischen wird, das nur noch den buchstaben
der steuerrolle und den klang des silbers respectirt, ist hier in trauriger deutlich-
keit zu sehen.
v. Wilamowitz, Aristoteles I. 16

Athlotheten.
sorge für die pünktliche zahlung der pacht an, da er ihnen sonst
den eintritt in seinen kreis versagt. er schickt seine γνώμονες110) über
land, legt nachlässigen grundbesitzern ordnungsstrafen auf (ζημίαι),
richtet über die anzeigen wider solche, die jeder erheben kann, und
straft den tod eines olivenstammes an dem leben des schuldigen. dieses
‘drakonische’ und sicherlich vordrakontische gesetz ist rechtlich nie be-
seitigt und konnte es nicht werden, da Athena die verletzte war; tat-
sächlich lieſs man um 395 dem verurteilten dieselbe freiheit zum fliehen
wie dem mörder, so daſs im bewuſstsein der leute nur verbannung und
vermögensverlust die strafe war.111) bald darauf ist die ganze alte ordnung
faktisch beseitigt, indem die lieferung von einer bestimmten menge öl
als reallast der grundstücke angesehen ward, auf denen heilige bäume
gestanden hatten. der grundbesitzer haftet für die zahlung mit seinem
vermögen; auf die bäume selbst kommt nichts mehr an.112) daſs man die
reallieferung nicht in geld umgesetzt hat, liegt daran, daſs der staat öl
brauchte.

Als man den ölbau so einführte, war der Areopag herr in Athen.
das liegt am tage, und man könnte seine vorsolonische macht von dieser
ecke aus sicher erreichen. die schöne sage von Athenas besitzergreifung
durch das wahrzeichen der olive ist erst auf grund dieser maſsregel

collegium neben dem obmann erscheint. Aristoteles gibt auch hierin eine jüngere
ordnung.
110) γνώμονες haben sie geheiſsen, so hat der Palatinus Lys. 7, 25 und die
gute glosse Bekk. An. 228, und der aus den ῥητοϱικαί stammende artikel im Et. M.
ἐπιγνώμονες gibt Harpokration für die Lysiasstelle ohne weitere gewähr; daſs Hesych.
ἐπιγνώμων ἐπόπτης auf die behörde geht, ist nicht glaublich, denn ἐπόπτης ist
überhaupt kein amtsname. dagegen stimmt Hesych γνώμων zu dem anfange des
artikels in Et. M. ἐπιγνώμων ist, wenn die praeposition nicht bedeutsam ist wie
bei Demosthenes 37, 40, ein späterer ersatz für das einfache wort, sehr deutlich bei
Xenoph. Mem. 1, 4, 5, wo Sext. Empir. adv. phys. I 94 ἐπιγνώμων gibt, γνώμων
die handschriften.
111) So gleicht sich das gesetz bei Aristoteles und die rednerangabe Lys.
7, 3 u. ö. bequem aus. übrigens redet er auch von πεϱὶ τοῦ σώματος κίνδυνοι 26.
112) ἐκ τοῦ κτήματος kommt das öl. so müſste man emendiren, wenn es
nicht trotz Kenyons wiederholter versicherung überliefert wäre. von welchem baume
das öl herkommt, ist gleichgiltig: aber der besitzer des grundstücks, auf dem diese
reallast liegt, ist für die lieferung haftbar. zu dem gebrauche von κτῆμα vgl. z. b.
Demosthenes gg. Androt. 54. wie das religiöse denken, das in dem baume ein
göttliches sieht, eine gespielin Athenas, über das politische, das den gott durch
den staat ersetzt, zu dem profan juristischen wird, das nur noch den buchstaben
der steuerrolle und den klang des silbers respectirt, ist hier in trauriger deutlich-
keit zu sehen.
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[241/0255] Athlotheten. sorge für die pünktliche zahlung der pacht an, da er ihnen sonst den eintritt in seinen kreis versagt. er schickt seine γνώμονες 110) über land, legt nachlässigen grundbesitzern ordnungsstrafen auf (ζημίαι), richtet über die anzeigen wider solche, die jeder erheben kann, und straft den tod eines olivenstammes an dem leben des schuldigen. dieses ‘drakonische’ und sicherlich vordrakontische gesetz ist rechtlich nie be- seitigt und konnte es nicht werden, da Athena die verletzte war; tat- sächlich lieſs man um 395 dem verurteilten dieselbe freiheit zum fliehen wie dem mörder, so daſs im bewuſstsein der leute nur verbannung und vermögensverlust die strafe war. 111) bald darauf ist die ganze alte ordnung faktisch beseitigt, indem die lieferung von einer bestimmten menge öl als reallast der grundstücke angesehen ward, auf denen heilige bäume gestanden hatten. der grundbesitzer haftet für die zahlung mit seinem vermögen; auf die bäume selbst kommt nichts mehr an. 112) daſs man die reallieferung nicht in geld umgesetzt hat, liegt daran, daſs der staat öl brauchte. Als man den ölbau so einführte, war der Areopag herr in Athen. das liegt am tage, und man könnte seine vorsolonische macht von dieser ecke aus sicher erreichen. die schöne sage von Athenas besitzergreifung durch das wahrzeichen der olive ist erst auf grund dieser maſsregel 109) 110) γνώμονες haben sie geheiſsen, so hat der Palatinus Lys. 7, 25 und die gute glosse Bekk. An. 228, und der aus den ῥητοϱικαί stammende artikel im Et. M. ἐπιγνώμονες gibt Harpokration für die Lysiasstelle ohne weitere gewähr; daſs Hesych. ἐπιγνώμων ἐπόπτης auf die behörde geht, ist nicht glaublich, denn ἐπόπτης ist überhaupt kein amtsname. dagegen stimmt Hesych γνώμων zu dem anfange des artikels in Et. M. ἐπιγνώμων ist, wenn die praeposition nicht bedeutsam ist wie bei Demosthenes 37, 40, ein späterer ersatz für das einfache wort, sehr deutlich bei Xenoph. Mem. 1, 4, 5, wo Sext. Empir. adv. phys. I 94 ἐπιγνώμων gibt, γνώμων die handschriften. 111) So gleicht sich das gesetz bei Aristoteles und die rednerangabe Lys. 7, 3 u. ö. bequem aus. übrigens redet er auch von πεϱὶ τοῦ σώματος κίνδυνοι 26. 112) ἐκ τοῦ κτήματος kommt das öl. so müſste man emendiren, wenn es nicht trotz Kenyons wiederholter versicherung überliefert wäre. von welchem baume das öl herkommt, ist gleichgiltig: aber der besitzer des grundstücks, auf dem diese reallast liegt, ist für die lieferung haftbar. zu dem gebrauche von κτῆμα vgl. z. b. Demosthenes gg. Androt. 54. wie das religiöse denken, das in dem baume ein göttliches sieht, eine gespielin Athenas, über das politische, das den gott durch den staat ersetzt, zu dem profan juristischen wird, das nur noch den buchstaben der steuerrolle und den klang des silbers respectirt, ist hier in trauriger deutlich- keit zu sehen. 109) collegium neben dem obmann erscheint. Aristoteles gibt auch hierin eine jüngere ordnung. v. Wilamowitz, Aristoteles I. 16

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/255>, abgerufen am 21.11.2024.