Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 7. Die verfassung. dem gelübde des polemarchen Kallimachos 490 erwachsen.132) so bleibtals patrion dem kriegsherrn nichts als das unbedeutende opfer an Enyalios.133) mit diesem belege konnte Aristoteles schwerlich erhärten, dass der archon jünger als der polemarch gewesen wäre, weil jener keine patria zu besorgen hätte (3, 3). der polemarch war eben bis 487, wo ihn das los zu besetzen begann, ein beamter ersten ranges als kriegsherr. als ihm die strategen die militärischen befugnisse nahmen, war er doch wenigstens noch etwas wie der praetor inter peregrinos, und er muss noch andere polizeiliche competenzen besessen haben, die wir nicht mehr durchschauen.134) aber die entziehung der gesammten vierten jahrhunderts bezeugen ihn, und ihre erzeugnisse sind um seinetwillen nicht unächt. wie er jetzt bei Aristoteles erschienen ist, so stand er längst bei Platon Ges. 12, 947e. 132) A. Mommsen Heortol. 213. am Artemistag, dem sechsten Boedromion werden freilich schon von alters die wehrhaften mannen Athens einen lauf mit lautem hurrah zu ehren der göttin des wildes und der jungen mannschaft getan haben: aber seit ihnen dieser lauf bei Marathon die freiheit gebracht hat, und der polemarch, der den sieg mit seinem blute besiegelt hatte, der göttin ein opfer ge- lobt, das sie nun alljährlich einlösen, kann man unter der thusia Artemidi Agrotera nur diese neue stiftung verstehn. das gelübde des Kallimachos und die dadurch erzeugte feier hat dann, wie natürlich, die erzählung von der schlacht mit einem solchen boedromein ausgestattet. 133) Die sorge für die waisen der im kriege gefallenen bürger (Schol. Dem. 24, 20) mag obsolet geworden sein. die sorge für die invaliden (Plut. Sol. 31) muss man nach dieser analogie auch dem polemarchen geben: aber das geld kann er später nicht verwaltet haben, da er keine casse hat, so wenig wie seine collegen. so werden sie wie andere adunatoi vom rate verpflegt sein. 134) Aristoph. Wesp. 1042, besprochen Herm. 22, 222. damals musste ich noch
annehmen, dass der polemarch alle privatsachen der metöken u. s. w. selbst vor gericht brachte. CIA II 11, 20 (die xumbolai mit Phaselis) weisen dem polemarchen noch irgend welche andern processe zu. wenn einem proxenos, dem sogar die egktesis oikias verliehen wird, die prosodos pros polemarkhon, die ihm in folge seiner proxenie so wie so zusteht, noch besonders attestirt wird (CIA II 42), so ist eben wie in unzähligen urkunden aller staaten das allgemeine im speciellen falle aus- gesprochen, kathaper tois allois proxenois steht dabei. da nun feststeht, dass bei Pollux 8, 91 (d. i. Aristoteles) nichts von den fremden steht, so ist eine tatsache, dass ein fremder (d. i. jemand der eine andere heimat hat, also kein metoikos Athenesi) ohne privilegirt zu sein (wie proxenen und landflüchtige parteigänger Athens u. dgl.) oder durch seinen stand ein vorzugsrecht zu geniessen (emporos), oder durch xum- bolai seiner heimat geschützt zu sein, in Athen keinen bestimmten gerichtsstand hat, also juristisch rechtlos ist; nur das völkerrecht (d. i. die religion, Zeus xenios) schützt ihn: da wird immer wieder die clientel, d. i. das proxenein eines einzelnen Atheners subsidiär eintreten müssen. tatsächlich sind solche fälle seit dem fünften jahrhundert natürlich höchst selten gewesen. was das metökenrecht anlangt, so I. 7. Die verfassung. dem gelübde des polemarchen Kallimachos 490 erwachsen.132) so bleibtals πάτϱιον dem kriegsherrn nichts als das unbedeutende opfer an Enyalios.133) mit diesem belege konnte Aristoteles schwerlich erhärten, daſs der archon jünger als der polemarch gewesen wäre, weil jener keine πάτϱια zu besorgen hätte (3, 3). der polemarch war eben bis 487, wo ihn das los zu besetzen begann, ein beamter ersten ranges als kriegsherr. als ihm die strategen die militärischen befugnisse nahmen, war er doch wenigstens noch etwas wie der praetor inter peregrinos, und er muſs noch andere polizeiliche competenzen besessen haben, die wir nicht mehr durchschauen.134) aber die entziehung der gesammten vierten jahrhunderts bezeugen ihn, und ihre erzeugnisse sind um seinetwillen nicht unächt. wie er jetzt bei Aristoteles erschienen ist, so stand er längst bei Platon Ges. 12, 947e. 132) A. Mommsen Heortol. 213. am Artemistag, dem sechsten Βοηδϱομιών werden freilich schon von alters die wehrhaften mannen Athens einen lauf mit lautem hurrah zu ehren der göttin des wildes und der jungen mannschaft getan haben: aber seit ihnen dieser lauf bei Marathon die freiheit gebracht hat, und der polemarch, der den sieg mit seinem blute besiegelt hatte, der göttin ein opfer ge- lobt, das sie nun alljährlich einlösen, kann man unter der ϑυσία Ἀϱτέμιδι Ἀγϱοτέϱᾳ nur diese neue stiftung verstehn. das gelübde des Kallimachos und die dadurch erzeugte feier hat dann, wie natürlich, die erzählung von der schlacht mit einem solchen βοηδϱομεῖν ausgestattet. 133) Die sorge für die waisen der im kriege gefallenen bürger (Schol. Dem. 24, 20) mag obsolet geworden sein. die sorge für die invaliden (Plut. Sol. 31) muſs man nach dieser analogie auch dem polemarchen geben: aber das geld kann er später nicht verwaltet haben, da er keine casse hat, so wenig wie seine collegen. so werden sie wie andere ἀδύνατοι vom rate verpflegt sein. 134) Aristoph. Wesp. 1042, besprochen Herm. 22, 222. damals muſste ich noch
annehmen, daſs der polemarch alle privatsachen der metöken u. s. w. selbst vor gericht brachte. CIA II 11, 20 (die ξυμβολαί mit Phaselis) weisen dem polemarchen noch irgend welche andern processe zu. wenn einem πϱόξενος, dem sogar die ἔγκτησις οἰκίας verliehen wird, die πϱόσοδος πϱὸς πολέμαϱχον, die ihm in folge seiner proxenie so wie so zusteht, noch besonders attestirt wird (CIA II 42), so ist eben wie in unzähligen urkunden aller staaten das allgemeine im speciellen falle aus- gesprochen, καϑάπεϱ τοῖς ἄλλοις πϱοξένοις steht dabei. da nun feststeht, daſs bei Pollux 8, 91 (d. i. Aristoteles) nichts von den fremden steht, so ist eine tatsache, daſs ein fremder (d. i. jemand der eine andere heimat hat, also kein μέτοικος Ἀϑήνησι) ohne privilegirt zu sein (wie proxenen und landflüchtige parteigänger Athens u. dgl.) oder durch seinen stand ein vorzugsrecht zu genieſsen (ἔμποϱος), oder durch ξυμ- βολαί seiner heimat geschützt zu sein, in Athen keinen bestimmten gerichtsstand hat, also juristisch rechtlos ist; nur das völkerrecht (d. i. die religion, Ζεὺς ξένιος) schützt ihn: da wird immer wieder die clientel, d. i. das πϱοξενεῖν eines einzelnen Atheners subsidiär eintreten müssen. tatsächlich sind solche fälle seit dem fünften jahrhundert natürlich höchst selten gewesen. was das metökenrecht anlangt, so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0264" n="250"/><fw place="top" type="header">I. 7. Die verfassung.</fw><lb/> dem gelübde des polemarchen Kallimachos 490 erwachsen.<note place="foot" n="132)">A. 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I. 7. Die verfassung.
dem gelübde des polemarchen Kallimachos 490 erwachsen. 132) so bleibt
als πάτϱιον dem kriegsherrn nichts als das unbedeutende opfer an
Enyalios. 133) mit diesem belege konnte Aristoteles schwerlich erhärten, daſs
der archon jünger als der polemarch gewesen wäre, weil jener keine
πάτϱια zu besorgen hätte (3, 3). der polemarch war eben bis 487,
wo ihn das los zu besetzen begann, ein beamter ersten ranges als
kriegsherr. als ihm die strategen die militärischen befugnisse nahmen,
war er doch wenigstens noch etwas wie der praetor inter peregrinos,
und er muſs noch andere polizeiliche competenzen besessen haben, die
wir nicht mehr durchschauen. 134) aber die entziehung der gesammten
131)
132) A. Mommsen Heortol. 213. am Artemistag, dem sechsten Βοηδϱομιών
werden freilich schon von alters die wehrhaften mannen Athens einen lauf mit
lautem hurrah zu ehren der göttin des wildes und der jungen mannschaft getan
haben: aber seit ihnen dieser lauf bei Marathon die freiheit gebracht hat, und der
polemarch, der den sieg mit seinem blute besiegelt hatte, der göttin ein opfer ge-
lobt, das sie nun alljährlich einlösen, kann man unter der ϑυσία Ἀϱτέμιδι Ἀγϱοτέϱᾳ
nur diese neue stiftung verstehn. das gelübde des Kallimachos und die dadurch
erzeugte feier hat dann, wie natürlich, die erzählung von der schlacht mit einem
solchen βοηδϱομεῖν ausgestattet.
133) Die sorge für die waisen der im kriege gefallenen bürger (Schol. Dem.
24, 20) mag obsolet geworden sein. die sorge für die invaliden (Plut. Sol. 31)
muſs man nach dieser analogie auch dem polemarchen geben: aber das geld kann
er später nicht verwaltet haben, da er keine casse hat, so wenig wie seine collegen.
so werden sie wie andere ἀδύνατοι vom rate verpflegt sein.
134) Aristoph. Wesp. 1042, besprochen Herm. 22, 222. damals muſste ich noch
annehmen, daſs der polemarch alle privatsachen der metöken u. s. w. selbst vor
gericht brachte. CIA II 11, 20 (die ξυμβολαί mit Phaselis) weisen dem polemarchen
noch irgend welche andern processe zu. wenn einem πϱόξενος, dem sogar die
ἔγκτησις οἰκίας verliehen wird, die πϱόσοδος πϱὸς πολέμαϱχον, die ihm in folge
seiner proxenie so wie so zusteht, noch besonders attestirt wird (CIA II 42), so ist eben
wie in unzähligen urkunden aller staaten das allgemeine im speciellen falle aus-
gesprochen, καϑάπεϱ τοῖς ἄλλοις πϱοξένοις steht dabei. da nun feststeht, daſs bei
Pollux 8, 91 (d. i. Aristoteles) nichts von den fremden steht, so ist eine tatsache,
daſs ein fremder (d. i. jemand der eine andere heimat hat, also kein μέτοικος Ἀϑήνησι)
ohne privilegirt zu sein (wie proxenen und landflüchtige parteigänger Athens u. dgl.)
oder durch seinen stand ein vorzugsrecht zu genieſsen (ἔμποϱος), oder durch ξυμ-
βολαί seiner heimat geschützt zu sein, in Athen keinen bestimmten gerichtsstand
hat, also juristisch rechtlos ist; nur das völkerrecht (d. i. die religion, Ζεὺς ξένιος)
schützt ihn: da wird immer wieder die clientel, d. i. das πϱοξενεῖν eines einzelnen
Atheners subsidiär eintreten müssen. tatsächlich sind solche fälle seit dem fünften
jahrhundert natürlich höchst selten gewesen. was das metökenrecht anlangt, so
131) vierten jahrhunderts bezeugen ihn, und ihre erzeugnisse sind um seinetwillen nicht
unächt. wie er jetzt bei Aristoteles erschienen ist, so stand er längst bei Platon
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