Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 7. Die verfassung. pharmakou purkaias auf dem Areopag gerichtet ward: darin liegt, dasses früher mehr gab, und die klage auf zerstörung eines heiligen öl- baums gibt er selbst an (60, 2). mehr als Aristoteles führt auch De- mosthenes (23, 22) nicht an. aber dass es früher viel mehr war und in schwerer zeit mehr werden konnte, davon hatten sich noch jüngst beispiele gezeigt.142) möglich, dass Aristoteles auch im rechte war; der ältere gewährsmann, den er berichtigt, war es gewiss. damit ist aber Aristoteles jedenfalls nicht im rechte, dass er von einer andern tätigkeit des Areopages gar nichts sagt als der richterlichen. das liegt aber daran, dass dieser rat bei ihm gar nicht mehr als ein selbständiges glied der magi- stratur erscheint, sondern als ein von dem könige berufenes gericht143), eben so vernachlässigt, wie das volk neben den prytanen. es ist allbekannt, dass sich rudimente der administrativen tätigkeit des Areopages immer erhalten hatten, und seine moralische autorität bereitete gerade damals die spätere vermehrung seiner administrativen macht vor. Archon.Dem archon ist seine erste stelle zu statten gekommen. alle die ton deina me epibainein ieron kai khoras (agoras?) Attikes. en to auto de touto dikasterio kan ti empeson pataxe tina kai anele ton apsukhon, dikazetai touto kai uperorizetai. 142) In den bekannten, aber rechtlich schwer zu fassenden fällen des herbstes 338, Lykurg. 52, Aischines 3, 252. im harpalischen processe handelt der Areopag in speciellem auftrage. aber die aristotelische darstellung könnte niemanden ahnen lassen, dass ihm solch ein auftrag erteilt werden könnte. 143) Die formen des processes scheinen im letzten teile erörtert gewesen zu sein, vgl. unsere anm. zu pag. 34, 28. 144) So haben wir über die bestellung der dionysischen choregen und chöre in erfreulicher weise sicherheit erhalten, und sind die aufstellungen von Lipsius, die auf den inschriften sicher ruhten, wie nicht anders zu erwarten war, be- stätigt. weil die komoedie sich aus dem komos entwickelt hat und erst spät vom staate übernommen ist, bestimmen die phylen die choregen, und damals wird der chor nicht anders als die kyklischen beschafft sein. das blieb zunächst noch, als nach 405 die chöre sehr beschränkt wurden, aber dafür fünf komoedien gegeben. ob 388, wo die didaskalie des Plutos zum ersten male 5 stücke zeigt, schon die weitere veränderung eingetreten war, dass die 5 choregen aus allen Athenern bestimmt wurden, kann ich nicht sagen. aber dass einstmals auch eine zeit gewesen ist, wo die tragoedie so bestellt ward wie die komoedie im fünften jahrhundert, phylen- weise, scheint mir immer noch von der analogie an die hand gegeben. 145) Dabei ist denn herausgekommen, dass die choregie die einzige behandelte
liturgie ist. das steuerwesen als solches ist eben überhaupt nicht behandelt und I. 7. Die verfassung. φαϱμάκου πυϱκαιᾶς auf dem Areopag gerichtet ward: darin liegt, daſses früher mehr gab, und die klage auf zerstörung eines heiligen öl- baums gibt er selbst an (60, 2). mehr als Aristoteles führt auch De- mosthenes (23, 22) nicht an. aber daſs es früher viel mehr war und in schwerer zeit mehr werden konnte, davon hatten sich noch jüngst beispiele gezeigt.142) möglich, daſs Aristoteles auch im rechte war; der ältere gewährsmann, den er berichtigt, war es gewiſs. damit ist aber Aristoteles jedenfalls nicht im rechte, daſs er von einer andern tätigkeit des Areopages gar nichts sagt als der richterlichen. das liegt aber daran, daſs dieser rat bei ihm gar nicht mehr als ein selbständiges glied der magi- stratur erscheint, sondern als ein von dem könige berufenes gericht143), eben so vernachlässigt, wie das volk neben den prytanen. es ist allbekannt, daſs sich rudimente der administrativen tätigkeit des Areopages immer erhalten hatten, und seine moralische autorität bereitete gerade damals die spätere vermehrung seiner administrativen macht vor. Archon.Dem archon ist seine erste stelle zu statten gekommen. alle die τὸν δεῖνα μὴ ἐπιβαίνειν ἱεϱῶν καὶ χώϱας (ἀγοϱᾶς?) Ἀττικῆς. ἐν τῷ αὐτῷ δὲ τούτῳ δικαστηϱίῳ κἄν τι ἐμπεσὸν πατάξῃ τινὰ καὶ ἀνέλῃ τῶν ἀψύχων, δικάζεται τούτῳ καὶ ὑπεϱοϱίζεται. 142) In den bekannten, aber rechtlich schwer zu fassenden fällen des herbstes 338, Lykurg. 52, Aischines 3, 252. im harpalischen processe handelt der Areopag in speciellem auftrage. aber die aristotelische darstellung könnte niemanden ahnen lassen, daſs ihm solch ein auftrag erteilt werden könnte. 143) Die formen des processes scheinen im letzten teile erörtert gewesen zu sein, vgl. unsere anm. zu pag. 34, 28. 144) So haben wir über die bestellung der dionysischen choregen und chöre in erfreulicher weise sicherheit erhalten, und sind die aufstellungen von Lipsius, die auf den inschriften sicher ruhten, wie nicht anders zu erwarten war, be- stätigt. weil die komoedie sich aus dem κῶμος entwickelt hat und erst spät vom staate übernommen ist, bestimmen die phylen die choregen, und damals wird der chor nicht anders als die kyklischen beschafft sein. das blieb zunächst noch, als nach 405 die chöre sehr beschränkt wurden, aber dafür fünf komoedien gegeben. ob 388, wo die didaskalie des Plutos zum ersten male 5 stücke zeigt, schon die weitere veränderung eingetreten war, daſs die 5 choregen aus allen Athenern bestimmt wurden, kann ich nicht sagen. aber daſs einstmals auch eine zeit gewesen ist, wo die tragoedie so bestellt ward wie die komoedie im fünften jahrhundert, phylen- weise, scheint mir immer noch von der analogie an die hand gegeben. 145) Dabei ist denn herausgekommen, daſs die choregie die einzige behandelte
liturgie ist. das steuerwesen als solches ist eben überhaupt nicht behandelt und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0268" n="254"/><fw place="top" type="header">I. 7. Die verfassung.</fw><lb/> φαϱμάκου πυϱκαιᾶς auf dem Areopag gerichtet ward: darin liegt, daſs<lb/> es früher mehr gab, und die klage auf zerstörung eines heiligen öl-<lb/> baums gibt er selbst an (60, 2). mehr als Aristoteles führt auch De-<lb/> mosthenes (23, 22) nicht an. aber daſs es früher viel mehr war und<lb/> in schwerer zeit mehr werden konnte, davon hatten sich noch jüngst<lb/> beispiele gezeigt.<note place="foot" n="142)">In den bekannten, aber rechtlich schwer zu fassenden fällen des herbstes 338,<lb/> Lykurg. 52, Aischines 3, 252. im harpalischen processe handelt der Areopag in<lb/> speciellem auftrage. aber die aristotelische darstellung könnte niemanden ahnen<lb/> lassen, daſs ihm solch ein auftrag erteilt werden könnte.</note> möglich, daſs Aristoteles auch im rechte war; der<lb/> ältere gewährsmann, den er berichtigt, war es gewiſs. damit ist aber<lb/> Aristoteles jedenfalls nicht im rechte, daſs er von einer andern tätigkeit<lb/> des Areopages gar nichts sagt als der richterlichen. das liegt aber daran,<lb/> daſs dieser rat bei ihm gar nicht mehr als ein selbständiges glied der magi-<lb/> stratur erscheint, sondern als ein von dem könige berufenes gericht<note place="foot" n="143)">Die formen des processes scheinen im letzten teile erörtert gewesen zu<lb/> sein, vgl. unsere anm. zu pag. 34, 28.</note>, eben<lb/> so vernachlässigt, wie das volk neben den prytanen. es ist allbekannt,<lb/> daſs sich rudimente der administrativen tätigkeit des Areopages immer<lb/> erhalten hatten, und seine moralische autorität bereitete gerade damals<lb/> die spätere vermehrung seiner administrativen macht vor.</p><lb/> <p><note place="left">Archon.</note>Dem archon ist seine erste stelle zu statten gekommen. alle die<lb/> feste, die er auszurichten hat, sind mit leidlicher genauigkeit behandelt,<lb/> auch mit rückblicken auf die frühere zeit<note place="foot" n="144)">So haben wir über die bestellung der dionysischen choregen und chöre<lb/> in erfreulicher weise sicherheit erhalten, und sind die aufstellungen von Lipsius,<lb/> die auf den inschriften sicher ruhten, wie nicht anders zu erwarten war, be-<lb/> stätigt. weil die komoedie sich aus dem κῶμος entwickelt hat und erst spät<lb/> vom staate übernommen ist, bestimmen die phylen die choregen, und damals wird<lb/> der chor nicht anders als die kyklischen beschafft sein. das blieb zunächst noch,<lb/> als nach 405 die chöre sehr beschränkt wurden, aber dafür fünf komoedien gegeben.<lb/> ob 388, wo die didaskalie des Plutos zum ersten male 5 stücke zeigt, schon die<lb/> weitere veränderung eingetreten war, daſs die 5 choregen aus allen Athenern bestimmt<lb/> wurden, kann ich nicht sagen. aber daſs einstmals auch eine zeit gewesen ist, wo<lb/> die tragoedie so bestellt ward wie die komoedie im fünften jahrhundert, phylen-<lb/> weise, scheint mir immer noch von der analogie an die hand gegeben.</note> und mit einflechtung der<lb/> liturgienordnung<note xml:id="note-0268a" next="#note-0269" place="foot" n="145)">Dabei ist denn herausgekommen, daſs die choregie die einzige behandelte<lb/> liturgie ist. das steuerwesen als solches ist eben überhaupt nicht behandelt und</note>, und ebenso wird das familienrecht, das ihm zufällt, durch<lb/><note xml:id="note-0268" prev="#note-0267a" place="foot" n="141)">τὸν δεῖνα μὴ ἐπιβαίνειν ἱεϱῶν καὶ χώϱας (ἀγοϱᾶς?) Ἀττικῆς. ἐν τῷ αὐτῷ δὲ<lb/> τούτῳ δικαστηϱίῳ κἄν τι ἐμπεσὸν πατάξῃ τινὰ καὶ ἀνέλῃ τῶν ἀψύχων, δικάζεται<lb/> τούτῳ καὶ ὑπεϱοϱίζεται.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0268]
I. 7. Die verfassung.
φαϱμάκου πυϱκαιᾶς auf dem Areopag gerichtet ward: darin liegt, daſs
es früher mehr gab, und die klage auf zerstörung eines heiligen öl-
baums gibt er selbst an (60, 2). mehr als Aristoteles führt auch De-
mosthenes (23, 22) nicht an. aber daſs es früher viel mehr war und
in schwerer zeit mehr werden konnte, davon hatten sich noch jüngst
beispiele gezeigt. 142) möglich, daſs Aristoteles auch im rechte war; der
ältere gewährsmann, den er berichtigt, war es gewiſs. damit ist aber
Aristoteles jedenfalls nicht im rechte, daſs er von einer andern tätigkeit
des Areopages gar nichts sagt als der richterlichen. das liegt aber daran,
daſs dieser rat bei ihm gar nicht mehr als ein selbständiges glied der magi-
stratur erscheint, sondern als ein von dem könige berufenes gericht 143), eben
so vernachlässigt, wie das volk neben den prytanen. es ist allbekannt,
daſs sich rudimente der administrativen tätigkeit des Areopages immer
erhalten hatten, und seine moralische autorität bereitete gerade damals
die spätere vermehrung seiner administrativen macht vor.
Dem archon ist seine erste stelle zu statten gekommen. alle die
feste, die er auszurichten hat, sind mit leidlicher genauigkeit behandelt,
auch mit rückblicken auf die frühere zeit 144) und mit einflechtung der
liturgienordnung 145), und ebenso wird das familienrecht, das ihm zufällt, durch
141)
Archon.
142) In den bekannten, aber rechtlich schwer zu fassenden fällen des herbstes 338,
Lykurg. 52, Aischines 3, 252. im harpalischen processe handelt der Areopag in
speciellem auftrage. aber die aristotelische darstellung könnte niemanden ahnen
lassen, daſs ihm solch ein auftrag erteilt werden könnte.
143) Die formen des processes scheinen im letzten teile erörtert gewesen zu
sein, vgl. unsere anm. zu pag. 34, 28.
144) So haben wir über die bestellung der dionysischen choregen und chöre
in erfreulicher weise sicherheit erhalten, und sind die aufstellungen von Lipsius,
die auf den inschriften sicher ruhten, wie nicht anders zu erwarten war, be-
stätigt. weil die komoedie sich aus dem κῶμος entwickelt hat und erst spät
vom staate übernommen ist, bestimmen die phylen die choregen, und damals wird
der chor nicht anders als die kyklischen beschafft sein. das blieb zunächst noch,
als nach 405 die chöre sehr beschränkt wurden, aber dafür fünf komoedien gegeben.
ob 388, wo die didaskalie des Plutos zum ersten male 5 stücke zeigt, schon die
weitere veränderung eingetreten war, daſs die 5 choregen aus allen Athenern bestimmt
wurden, kann ich nicht sagen. aber daſs einstmals auch eine zeit gewesen ist, wo
die tragoedie so bestellt ward wie die komoedie im fünften jahrhundert, phylen-
weise, scheint mir immer noch von der analogie an die hand gegeben.
145) Dabei ist denn herausgekommen, daſs die choregie die einzige behandelte
liturgie ist. das steuerwesen als solches ist eben überhaupt nicht behandelt und
141) τὸν δεῖνα μὴ ἐπιβαίνειν ἱεϱῶν καὶ χώϱας (ἀγοϱᾶς?) Ἀττικῆς. ἐν τῷ αὐτῷ δὲ
τούτῳ δικαστηϱίῳ κἄν τι ἐμπεσὸν πατάξῃ τινὰ καὶ ἀνέλῃ τῶν ἀψύχων, δικάζεται
τούτῳ καὶ ὑπεϱοϱίζεται.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |