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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Der alte Platon. Platons tod.
bewahrte ihn vor der zahlenspielerei und der mystik; seine kräftige
männlichkeit fühlte sich nur zu weiterem und immer weiterem forschen
durch alle reiche der natur angeregt, erfasste das problem des lebens
aller wesen von den sternengöttern bis zum niedrigsten wurme nur um
so energischer, wenn die politischen pläne gescheitert waren. die wissen-
schaft hatte ja keine niederlage erlitten, und er war dabei ihre grund-
festen neu und sicherer zu legen. so hat er die letzten jahre bereits
als ein stern von eignem lichte neben dem meister gestanden. wir erfahren
(ausser dummem klatsch) auch über diese jahre nichts: aber die tatsache,
dass er aushielt, legt für des jüngers treue pietät das schönste zeugnis ab.

Als Platon 347 starb, folgte ihm sein neffe Speusippos als schul-Platons tod.
haupt. Aristoteles und Xenokrates folgten der einladung eines schul-
genossen, des tyrannen Hermias von Aterneus. der asketische welt-
flüchtige Xenokrates hat mit Aristoteles seiner ganzen natur nach
wenig gemein gehabt, und je mehr sie sich entwickelten, je ferner
sind sie einander innerlich gekommen; Platon selber hatte schon be-
merkt, dass an der wiege des Xenokrates die Grazien ausgeblieben
waren. Speusippos war in die sicilischen dinge am tiefsten ver-
wickelt gewesen und wol den beiden, die 347 fortgiengen, gleich wenig
angenehm. Herakleides, so glänzend begabt und so vielseitig inter-
essirt er war, kam von der philosophie immer weiter ab; vielleicht selbst
von der ernsten wissenschaft, denn der wahre entdecker des helio-
centrischen systemes ist zugleich der verfasser wundersüchtiger romane.
an ursachen der reibung fehlte es wahrlich nicht: trotzdem ist in dieser
generation die eintracht vor der öffentlichkeit gewahrt geblieben; erst
Aristoteles hat unter seinen schülern in Aristoxenos einen unwürdigen ge-
habt, der den schulklatsch hervorzog und mit dem was er andeutete viel-
leicht am giftigsten verläumdete. einen wirklichen einfluss auf Aristoteles
hat von seinen genossen wol nur der geograph und astronom Eudoxos ge-
habt, den er als gefeierten schriftsteller wenigstens noch in seinen ersten
jahren gekannt haben muss. wenn er dessen ethische lehren berück-
sichtigt, die doch nicht eben bedeutend sind, so findet das wol nur
durch die persönliche beziehung eine erklärung. Eudoxos aber war der
rechte mann, dem Aristoteles die naturwissenschaft der Ionier zuzuführen:
und einen solchen vermittler suchen wir doch, wenn wir das lebens-
werk des Aristoteles als ganzes überschauen.30)

die welt nur aus dem poetischen grunde, aus dem Homer den Hephaistos den schild
machen lässt, statt den fertigen wie Vergil zu beschreiben.
30) In der vita Marciana steht ein unverständlicher satz, zu dessen controlle

Der alte Platon. Platons tod.
bewahrte ihn vor der zahlenspielerei und der mystik; seine kräftige
männlichkeit fühlte sich nur zu weiterem und immer weiterem forschen
durch alle reiche der natur angeregt, erfaſste das problem des lebens
aller wesen von den sternengöttern bis zum niedrigsten wurme nur um
so energischer, wenn die politischen pläne gescheitert waren. die wissen-
schaft hatte ja keine niederlage erlitten, und er war dabei ihre grund-
festen neu und sicherer zu legen. so hat er die letzten jahre bereits
als ein stern von eignem lichte neben dem meister gestanden. wir erfahren
(auſser dummem klatsch) auch über diese jahre nichts: aber die tatsache,
daſs er aushielt, legt für des jüngers treue pietät das schönste zeugnis ab.

Als Platon 347 starb, folgte ihm sein neffe Speusippos als schul-Platons tod.
haupt. Aristoteles und Xenokrates folgten der einladung eines schul-
genossen, des tyrannen Hermias von Aterneus. der asketische welt-
flüchtige Xenokrates hat mit Aristoteles seiner ganzen natur nach
wenig gemein gehabt, und je mehr sie sich entwickelten, je ferner
sind sie einander innerlich gekommen; Platon selber hatte schon be-
merkt, daſs an der wiege des Xenokrates die Grazien ausgeblieben
waren. Speusippos war in die sicilischen dinge am tiefsten ver-
wickelt gewesen und wol den beiden, die 347 fortgiengen, gleich wenig
angenehm. Herakleides, so glänzend begabt und so vielseitig inter-
essirt er war, kam von der philosophie immer weiter ab; vielleicht selbst
von der ernsten wissenschaft, denn der wahre entdecker des helio-
centrischen systemes ist zugleich der verfasser wundersüchtiger romane.
an ursachen der reibung fehlte es wahrlich nicht: trotzdem ist in dieser
generation die eintracht vor der öffentlichkeit gewahrt geblieben; erst
Aristoteles hat unter seinen schülern in Aristoxenos einen unwürdigen ge-
habt, der den schulklatsch hervorzog und mit dem was er andeutete viel-
leicht am giftigsten verläumdete. einen wirklichen einfluſs auf Aristoteles
hat von seinen genossen wol nur der geograph und astronom Eudoxos ge-
habt, den er als gefeierten schriftsteller wenigstens noch in seinen ersten
jahren gekannt haben muſs. wenn er dessen ethische lehren berück-
sichtigt, die doch nicht eben bedeutend sind, so findet das wol nur
durch die persönliche beziehung eine erklärung. Eudoxos aber war der
rechte mann, dem Aristoteles die naturwissenschaft der Ionier zuzuführen:
und einen solchen vermittler suchen wir doch, wenn wir das lebens-
werk des Aristoteles als ganzes überschauen.30)

die welt nur aus dem poetischen grunde, aus dem Homer den Hephaistos den schild
machen läſst, statt den fertigen wie Vergil zu beschreiben.
30) In der vita Marciana steht ein unverständlicher satz, zu dessen controlle
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[333/0347] Der alte Platon. Platons tod. bewahrte ihn vor der zahlenspielerei und der mystik; seine kräftige männlichkeit fühlte sich nur zu weiterem und immer weiterem forschen durch alle reiche der natur angeregt, erfaſste das problem des lebens aller wesen von den sternengöttern bis zum niedrigsten wurme nur um so energischer, wenn die politischen pläne gescheitert waren. die wissen- schaft hatte ja keine niederlage erlitten, und er war dabei ihre grund- festen neu und sicherer zu legen. so hat er die letzten jahre bereits als ein stern von eignem lichte neben dem meister gestanden. wir erfahren (auſser dummem klatsch) auch über diese jahre nichts: aber die tatsache, daſs er aushielt, legt für des jüngers treue pietät das schönste zeugnis ab. Als Platon 347 starb, folgte ihm sein neffe Speusippos als schul- haupt. Aristoteles und Xenokrates folgten der einladung eines schul- genossen, des tyrannen Hermias von Aterneus. der asketische welt- flüchtige Xenokrates hat mit Aristoteles seiner ganzen natur nach wenig gemein gehabt, und je mehr sie sich entwickelten, je ferner sind sie einander innerlich gekommen; Platon selber hatte schon be- merkt, daſs an der wiege des Xenokrates die Grazien ausgeblieben waren. Speusippos war in die sicilischen dinge am tiefsten ver- wickelt gewesen und wol den beiden, die 347 fortgiengen, gleich wenig angenehm. Herakleides, so glänzend begabt und so vielseitig inter- essirt er war, kam von der philosophie immer weiter ab; vielleicht selbst von der ernsten wissenschaft, denn der wahre entdecker des helio- centrischen systemes ist zugleich der verfasser wundersüchtiger romane. an ursachen der reibung fehlte es wahrlich nicht: trotzdem ist in dieser generation die eintracht vor der öffentlichkeit gewahrt geblieben; erst Aristoteles hat unter seinen schülern in Aristoxenos einen unwürdigen ge- habt, der den schulklatsch hervorzog und mit dem was er andeutete viel- leicht am giftigsten verläumdete. einen wirklichen einfluſs auf Aristoteles hat von seinen genossen wol nur der geograph und astronom Eudoxos ge- habt, den er als gefeierten schriftsteller wenigstens noch in seinen ersten jahren gekannt haben muſs. wenn er dessen ethische lehren berück- sichtigt, die doch nicht eben bedeutend sind, so findet das wol nur durch die persönliche beziehung eine erklärung. Eudoxos aber war der rechte mann, dem Aristoteles die naturwissenschaft der Ionier zuzuführen: und einen solchen vermittler suchen wir doch, wenn wir das lebens- werk des Aristoteles als ganzes überschauen. 30) Platons tod. 29) 30) In der vita Marciana steht ein unverständlicher satz, zu dessen controlle 29) die welt nur aus dem poetischen grunde, aus dem Homer den Hephaistos den schild machen läſst, statt den fertigen wie Vergil zu beschreiben.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/347>, abgerufen am 22.11.2024.