Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Politik B 12. sein werk keine dauer gehabt hat, so war doch was er gewollt hatedel und gut, und zwischen seinen beurteilern findet ihr euch am besten durch, wenn ihr, wie ich es hier getan habe, sein eigenes wort zu grunde legt demo men gar edoka toson kratos osson aparkei times out aphelon out eporexamenos. oi d eikhon bioton kai khremasin esan agetoi, kai tois ephrasamen meden aeikes ekhein43)." Die beurteilung der person und des werkes ist an beiden orten steht an späterer stelle (D 11, 1296a), und wird dadurch noch eindrucksvoller, dass Aristoteles den namen nicht nennt, also von seinen zuhörern erwartet, dass sie den 'einzigen' erkennen würden. 43) Ganz deutlich liegt dieser spruch zu grunde, wenn Aristoteles sagt eoike ten anagkaiotaten apodidonai to demo dunamin, to tas arkhas aireisthai (was es schon hatte, 1274a 2) kai euthunein; tas d arkhas ek ton gnorimon kai ton euporon katestese pasas. 44) Gesetzt Aristoteles hätte schon damals die verfassung Drakons gekannt,
so wusste er, dass Solon den rat auch übernommen hatte. aber gerade das würde er wol hervorgehoben haben, denn Solons verantwortung für die demokratie sinkt dadurch. Politik B 12. sein werk keine dauer gehabt hat, so war doch was er gewollt hatedel und gut, und zwischen seinen beurteilern findet ihr euch am besten durch, wenn ihr, wie ich es hier getan habe, sein eigenes wort zu grunde legt δήμῳ μὲν γὰϱ ἔδωκα τόσον κϱάτος ὅσσον ἀπαϱκεῖ τιμῆς οὔτ̕ ἀφελὼν οὔτ̕ ἐποϱεξάμενος. οἳ δ̕ εἶχον βίοτον καὶ χϱήμασιν ἦσαν ἀγητοί, καὶ τοῖσ̕ ἐφϱασάμην μηδὲν ἀεικὲς ἔχειν43).” Die beurteilung der person und des werkes ist an beiden orten steht an späterer stelle (Δ 11, 1296a), und wird dadurch noch eindrucksvoller, daſs Aristoteles den namen nicht nennt, also von seinen zuhörern erwartet, daſs sie den ‘einzigen’ erkennen würden. 43) Ganz deutlich liegt dieser spruch zu grunde, wenn Aristoteles sagt ἔοικε τὴν ἀναγκαιοτάτην ἀποδιδόναι τῷ δήμῳ δύναμιν, τὸ τὰς ἀϱχὰς αἱϱεῖσϑαι (was es schon hatte, 1274a 2) καὶ εὐϑύνειν· τὰς δ̕ ἀϱχὰς ἐκ τῶν γνωϱίμων καὶ τῶν εὐπόϱων κατέστησε πάσας. 44) Gesetzt Aristoteles hätte schon damals die verfassung Drakons gekannt,
so wuſste er, daſs Solon den rat auch übernommen hatte. aber gerade das würde er wol hervorgehoben haben, denn Solons verantwortung für die demokratie sinkt dadurch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0085" n="71"/><fw place="top" type="header">Politik B 12.</fw><lb/> sein werk keine dauer gehabt hat, so war doch was er gewollt hat<lb/> edel und gut, und zwischen seinen beurteilern findet ihr euch am besten<lb/> durch, wenn ihr, wie ich es hier getan habe, sein eigenes wort zu<lb/> grunde legt<lb/><hi rendition="#et">δήμῳ μὲν γὰϱ ἔδωκα τόσον κϱάτος ὅσσον ἀπαϱκεῖ<lb/> τιμῆς οὔτ̕ ἀφελὼν οὔτ̕ ἐποϱεξάμενος.<lb/> οἳ δ̕ εἶχον βίοτον καὶ χϱήμασιν ἦσαν ἀγητοί,<lb/> καὶ τοῖσ̕ ἐφϱασάμην μηδὲν ἀεικὲς ἔχειν<note place="foot" n="43)">Ganz deutlich liegt dieser spruch zu grunde, wenn Aristoteles sagt ἔοικε<lb/> τὴν ἀναγκαιοτάτην ἀποδιδόναι τῷ δήμῳ δύναμιν, τὸ τὰς ἀϱχὰς αἱϱεῖσϑαι (was<lb/> es schon hatte, 1274<hi rendition="#sup">a</hi> 2) καὶ εὐϑύνειν· τὰς δ̕ ἀϱχὰς ἐκ τῶν γνωϱίμων καὶ τῶν<lb/> εὐπόϱων κατέστησε πάσας.</note>.”</hi></p><lb/> <p>Die beurteilung der person und des werkes ist an beiden orten<lb/> wesentlich dieselbe; ihr hauptunterschied liegt darin, daſs die verfassungs-<lb/> geschichte Athens die wirtschaftliche reform Solons in den vordergrund<lb/> rückt, die für die theoretische speculation nicht in betracht kam. aber<lb/> da beide darstellungen unabhängig von einander sind, und keine ein<lb/> volles bild der solonischen institutionen gibt, so müssen wir sie ver-<lb/> gleichen und für deren vollbild aus beiden züge nehmen. beide geben<lb/> an, daſs der rat auf dem Areshügel schon vor Solon eine wichtige<lb/> verwaltungsbehörde war, woran er nichts änderte. beide legen auf die<lb/> einsetzung der volksgerichte den höchsten wert, aber die Politik, weil<lb/> sie die εὔϑυνα der beamten besorgen, die Politie, weil die ἔφεσις an sie<lb/> allgemein gestattet ist, nebenher weil jeder für jeden rechtshelfer werden<lb/> kann. jene versteht also unter εὔϑυνα nicht bloſs die rechenschafts-<lb/> abnahme, sondern die controlle, das gerade machen von σκολιαὶ ϑέμιστες<lb/> der beamten, was das wort ja zunächst heiſst. in beiden tritt der rat<lb/> für uns auffallend zurück, ja die Politik nennt ihn gar nicht: sie hat<lb/> also seine mitwirkung wesentlich in die controlle der beamten verlegt,<lb/> und seit wir wissen, daſs die euthynen ratsherrn sind, poleten, schatz-<lb/> meister, apodekten (kolakreten) unter dem rate stehn, ratsherren die<lb/> rechnung für alle beamten führen, darf uns das weniger verwundern. <note place="foot" n="44)">Gesetzt Aristoteles hätte schon damals die verfassung Drakons gekannt,<lb/> so wuſste er, daſs Solon den rat auch übernommen hatte. aber gerade das würde<lb/> er wol hervorgehoben haben, denn Solons verantwortung für die demokratie sinkt<lb/> dadurch.</note><lb/> ein widerspruch scheint dagegen in betreff der beamtenwahl vorzuliegen.<lb/><note xml:id="note-0085" prev="#note-0084" place="foot" n="42)">steht an späterer stelle (Δ 11, 1296<hi rendition="#sup">a</hi>), und wird dadurch noch eindrucksvoller, daſs<lb/> Aristoteles den namen nicht nennt, also von seinen zuhörern erwartet, daſs sie den<lb/> ‘einzigen’ erkennen würden.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0085]
Politik B 12.
sein werk keine dauer gehabt hat, so war doch was er gewollt hat
edel und gut, und zwischen seinen beurteilern findet ihr euch am besten
durch, wenn ihr, wie ich es hier getan habe, sein eigenes wort zu
grunde legt
δήμῳ μὲν γὰϱ ἔδωκα τόσον κϱάτος ὅσσον ἀπαϱκεῖ
τιμῆς οὔτ̕ ἀφελὼν οὔτ̕ ἐποϱεξάμενος.
οἳ δ̕ εἶχον βίοτον καὶ χϱήμασιν ἦσαν ἀγητοί,
καὶ τοῖσ̕ ἐφϱασάμην μηδὲν ἀεικὲς ἔχειν 43).”
Die beurteilung der person und des werkes ist an beiden orten
wesentlich dieselbe; ihr hauptunterschied liegt darin, daſs die verfassungs-
geschichte Athens die wirtschaftliche reform Solons in den vordergrund
rückt, die für die theoretische speculation nicht in betracht kam. aber
da beide darstellungen unabhängig von einander sind, und keine ein
volles bild der solonischen institutionen gibt, so müssen wir sie ver-
gleichen und für deren vollbild aus beiden züge nehmen. beide geben
an, daſs der rat auf dem Areshügel schon vor Solon eine wichtige
verwaltungsbehörde war, woran er nichts änderte. beide legen auf die
einsetzung der volksgerichte den höchsten wert, aber die Politik, weil
sie die εὔϑυνα der beamten besorgen, die Politie, weil die ἔφεσις an sie
allgemein gestattet ist, nebenher weil jeder für jeden rechtshelfer werden
kann. jene versteht also unter εὔϑυνα nicht bloſs die rechenschafts-
abnahme, sondern die controlle, das gerade machen von σκολιαὶ ϑέμιστες
der beamten, was das wort ja zunächst heiſst. in beiden tritt der rat
für uns auffallend zurück, ja die Politik nennt ihn gar nicht: sie hat
also seine mitwirkung wesentlich in die controlle der beamten verlegt,
und seit wir wissen, daſs die euthynen ratsherrn sind, poleten, schatz-
meister, apodekten (kolakreten) unter dem rate stehn, ratsherren die
rechnung für alle beamten führen, darf uns das weniger verwundern. 44)
ein widerspruch scheint dagegen in betreff der beamtenwahl vorzuliegen.
42)
43) Ganz deutlich liegt dieser spruch zu grunde, wenn Aristoteles sagt ἔοικε
τὴν ἀναγκαιοτάτην ἀποδιδόναι τῷ δήμῳ δύναμιν, τὸ τὰς ἀϱχὰς αἱϱεῖσϑαι (was
es schon hatte, 1274a 2) καὶ εὐϑύνειν· τὰς δ̕ ἀϱχὰς ἐκ τῶν γνωϱίμων καὶ τῶν
εὐπόϱων κατέστησε πάσας.
44) Gesetzt Aristoteles hätte schon damals die verfassung Drakons gekannt,
so wuſste er, daſs Solon den rat auch übernommen hatte. aber gerade das würde
er wol hervorgehoben haben, denn Solons verantwortung für die demokratie sinkt
dadurch.
42) steht an späterer stelle (Δ 11, 1296a), und wird dadurch noch eindrucksvoller, daſs
Aristoteles den namen nicht nennt, also von seinen zuhörern erwartet, daſs sie den
‘einzigen’ erkennen würden.
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