straction, das demokratische gleichheits- und majoritätsprincip, wiederum die menschenseele mit in rechnung zu stellen vergessen hatte. die ge- neration, die 430 jung war, verlangte stürmisch die tyrannis über die bündner, über Hellas, über die welt, und verlangte für jeden Athener die gleiche summe von vorrechten, auf dass jeder so eine art tyrann würde, eudaimon, isotheos.
Platon hat schon recht, wenn er in Perikles den grössten diakonos des volkes sieht, den grossen volksverführer: aber er steht auf der hohen warte seines Staates, und er schreibt unter den trümmern von 403. Herodotos hat auch recht, wenn er den höhepunkt der weltentwickelung in dem demokratischen Athen des Perikles sieht. die athenische demo- kratie, wie Perikles sie vollendet hat, ist ein gebilde, zu fein für men- schen, und darum denen selbst verderblich, die sie zur herrschaft beruft; an der politik des Perikles ist Hellas zu grunde gegangen. aber was wäre schön, das für die menschen nicht zu fein wäre? Platons Staat ist es erst recht. und der staatsmann, der in der grauenhaften folge von wüsten und blutigen jahrhunderten, die wir weltgeschichte nennen, einen augenblick geschaffen hat, zu dem wir sagen mögen, verweile doch, du bist so schön, ist trotz allem ein grosser zauberer gewesen.
II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
straction, das demokratische gleichheits- und majoritätsprincip, wiederum die menschenseele mit in rechnung zu stellen vergessen hatte. die ge- neration, die 430 jung war, verlangte stürmisch die tyrannis über die bündner, über Hellas, über die welt, und verlangte für jeden Athener die gleiche summe von vorrechten, auf daſs jeder so eine art tyrann würde, εὐδαίμων, ἰσόϑεος.
Platon hat schon recht, wenn er in Perikles den gröſsten διάκονος des volkes sieht, den groſsen volksverführer: aber er steht auf der hohen warte seines Staates, und er schreibt unter den trümmern von 403. Herodotos hat auch recht, wenn er den höhepunkt der weltentwickelung in dem demokratischen Athen des Perikles sieht. die athenische demo- kratie, wie Perikles sie vollendet hat, ist ein gebilde, zu fein für men- schen, und darum denen selbst verderblich, die sie zur herrschaft beruft; an der politik des Perikles ist Hellas zu grunde gegangen. aber was wäre schön, das für die menschen nicht zu fein wäre? Platons Staat ist es erst recht. und der staatsmann, der in der grauenhaften folge von wüsten und blutigen jahrhunderten, die wir weltgeschichte nennen, einen augenblick geschaffen hat, zu dem wir sagen mögen, verweile doch, du bist so schön, ist trotz allem ein groſser zauberer gewesen.
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II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
straction, das demokratische gleichheits- und majoritätsprincip, wiederum
die menschenseele mit in rechnung zu stellen vergessen hatte. die ge-
neration, die 430 jung war, verlangte stürmisch die tyrannis über die
bündner, über Hellas, über die welt, und verlangte für jeden Athener
die gleiche summe von vorrechten, auf daſs jeder so eine art tyrann
würde, εὐδαίμων, ἰσόϑεος.
Platon hat schon recht, wenn er in Perikles den gröſsten διάκονος
des volkes sieht, den groſsen volksverführer: aber er steht auf der hohen
warte seines Staates, und er schreibt unter den trümmern von 403.
Herodotos hat auch recht, wenn er den höhepunkt der weltentwickelung
in dem demokratischen Athen des Perikles sieht. die athenische demo-
kratie, wie Perikles sie vollendet hat, ist ein gebilde, zu fein für men-
schen, und darum denen selbst verderblich, die sie zur herrschaft beruft;
an der politik des Perikles ist Hellas zu grunde gegangen. aber was
wäre schön, das für die menschen nicht zu fein wäre? Platons Staat
ist es erst recht. und der staatsmann, der in der grauenhaften folge
von wüsten und blutigen jahrhunderten, die wir weltgeschichte nennen,
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du bist so schön, ist trotz allem ein groſser zauberer gewesen.
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/112>, abgerufen am 23.11.2024.
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