Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.III. 3. Chronologie der Pentekontaetie. die lage für Sparta sich 465 besonders bedrohlich gestaltet hat, so dassdie Thasier noch kurz vorher zusicherungen erhalten hatten; es ist aber auch dem Thukydides zuzutrauen, dass ihn eine falsche nachricht ge- täuscht hat, die Sparta einen bruch des bundes aufhalsen wollte: wir wissen von dem verlaufe des messenischen krieges ja so gut wie nichts10). auf jeden fall hat Thukydides sich, ganz wie wir es in der Themistokles- geschichte gefunden haben, misverständlich ausgedrückt, und dieses mis- verständnis hat weiter unheil gestiftet. mit der beseitigung dieses mis- verständnisses ist wieder ein fester punkt gewonnen, der fall von Ithome und die ansiedelung der Messenier in Naupaktos, also auch die vertrags- urkunde CIA IV p. 9 fallen in das jahr des Philokles 459, in dasselbe, den winter, der anschluss von Megara11), unter Euthippos aber, 460, in dessen ersten monaten Kimons politik vom volke verworfen ward, die bündnisse mit Argos und Thessalien und die besitzergreifung von Nau- paktos. Damit sind die ereignisse, die Thukydides 104--7 erzählt, von beiden 10) Durch Herodot IX 35 kennen wir das nackte factum, dass die Spartaner 'am Isthmos' nach den sehersprüchen des Teisamenes über die Messenier siegten. denn überliefert ist epi de o (agon nämlich) Messenion o pros to (R: om. A) Isthmo, und das hat Pausanias gelesen (III 11, 8) und, ratlos wie wir, irgend wie mit den worten des Thukydides in einklang zu bringen versucht. was ist das für eine kritik, die erst bei Herodot pros Ithome conjicirt, und dann womöglich noch bei Pausanias den Isthmos vertreibt? von den andern schlachten sagt Herodot pros Tegeetas, pros Arkadas, pros Athenaious: was soll der genetiv o Messe- nion? offenbar hat er o Messenion pros to Isthmo geschrieben, weil auch für ihn das wort Isthmos ohne zusatz keine deutliche ortsbestimmung war. aber die schlacht "an der Messenier Isthmos" war deutlich, ist es nur nicht für uns: wir müssen den ort suchen, dessen name einen gewissen anhalt gibt. doch bedenke man, dass der westliche demos von Kos so heisst, bloss weil die insel eine schmale halsähnliche stelle hat. 11) Aus einem apophthegma Kimons, das Plutarch (17, 1, es gehört eng mit
dem vorigen zusammen) aus Ion gibt, ersieht man, dass der krieg mit Korinth, der Megara den Athenern in die arme trieb, schon zu der zeit im gange war, wo Kimon von Messene heimzog, also herbst 461. sobald Athen ihnen die passage im korin- thischen meerbusen sicherte, durch die besetzung von Naupaktos, fielen ihm die Megarer zu. III. 3. Chronologie der Pentekontaetie. die lage für Sparta sich 465 besonders bedrohlich gestaltet hat, so daſsdie Thasier noch kurz vorher zusicherungen erhalten hatten; es ist aber auch dem Thukydides zuzutrauen, daſs ihn eine falsche nachricht ge- täuscht hat, die Sparta einen bruch des bundes aufhalsen wollte: wir wissen von dem verlaufe des messenischen krieges ja so gut wie nichts10). auf jeden fall hat Thukydides sich, ganz wie wir es in der Themistokles- geschichte gefunden haben, misverständlich ausgedrückt, und dieses mis- verständnis hat weiter unheil gestiftet. mit der beseitigung dieses mis- verständnisses ist wieder ein fester punkt gewonnen, der fall von Ithome und die ansiedelung der Messenier in Naupaktos, also auch die vertrags- urkunde CIA IV p. 9 fallen in das jahr des Philokles 459, in dasselbe, den winter, der anschluſs von Megara11), unter Euthippos aber, 460, in dessen ersten monaten Kimons politik vom volke verworfen ward, die bündnisse mit Argos und Thessalien und die besitzergreifung von Nau- paktos. Damit sind die ereignisse, die Thukydides 104—7 erzählt, von beiden 10) Durch Herodot IX 35 kennen wir das nackte factum, daſs die Spartaner ‘am Isthmos’ nach den sehersprüchen des Teisamenes über die Messenier siegten. denn überliefert ist ἐπὶ δὲ ὁ (ἀγών nämlich) Μεσσηνίων ὁ πϱὸς τῷ (R: om. A) Ἰσϑμῷ, und das hat Pausanias gelesen (III 11, 8) und, ratlos wie wir, irgend wie mit den worten des Thukydides in einklang zu bringen versucht. was ist das für eine kritik, die erst bei Herodot πϱὸς Ἰϑώμῃ conjicirt, und dann womöglich noch bei Pausanias den Isthmos vertreibt? von den andern schlachten sagt Herodot πϱὸς Τεγεήτας, πϱὸς Ἀϱκάδας, πϱὸς Ἀϑηναίους: was soll der genetiv ὁ Μεσση- νίων? offenbar hat er ὁ Μεσσηνίων πϱὸς τῷ Ἰσϑμῷ geschrieben, weil auch für ihn das wort Isthmos ohne zusatz keine deutliche ortsbestimmung war. aber die schlacht “an der Messenier Isthmos” war deutlich, ist es nur nicht für uns: wir müssen den ort suchen, dessen name einen gewissen anhalt gibt. doch bedenke man, daſs der westliche demos von Kos so heiſst, bloſs weil die insel eine schmale halsähnliche stelle hat. 11) Aus einem apophthegma Kimons, das Plutarch (17, 1, es gehört eng mit
dem vorigen zusammen) aus Ion gibt, ersieht man, daſs der krieg mit Korinth, der Megara den Athenern in die arme trieb, schon zu der zeit im gange war, wo Kimon von Messene heimzog, also herbst 461. sobald Athen ihnen die passage im korin- thischen meerbusen sicherte, durch die besetzung von Naupaktos, fielen ihm die Megarer zu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0306" n="296"/><fw place="top" type="header">III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.</fw><lb/> die lage für Sparta sich 465 besonders bedrohlich gestaltet hat, so daſs<lb/> die Thasier noch kurz vorher zusicherungen erhalten hatten; es ist aber<lb/> auch dem Thukydides zuzutrauen, daſs ihn eine falsche nachricht ge-<lb/> täuscht hat, die Sparta einen bruch des bundes aufhalsen wollte: wir<lb/> wissen von dem verlaufe des messenischen krieges ja so gut wie nichts<note place="foot" n="10)">Durch Herodot IX 35 kennen wir das nackte factum, daſs die Spartaner<lb/> ‘am Isthmos’ nach den sehersprüchen des Teisamenes über die Messenier siegten.<lb/> denn überliefert ist ἐπὶ δὲ ὁ (ἀγών nämlich) Μεσσηνίων ὁ πϱὸς τῷ (R: om. A)<lb/> Ἰσϑμῷ, und das hat Pausanias gelesen (III 11, 8) und, ratlos wie wir, irgend wie<lb/> mit den worten des Thukydides in einklang zu bringen versucht. was ist das für<lb/> eine kritik, die erst bei Herodot πϱὸς Ἰϑώμῃ conjicirt, und dann womöglich noch<lb/> bei Pausanias den Isthmos vertreibt? von den andern schlachten sagt Herodot<lb/> πϱὸς Τεγεήτας, πϱὸς Ἀϱκάδας, πϱὸς Ἀϑηναίους: was soll der genetiv ὁ Μεσση-<lb/> νίων? offenbar hat er ὁ Μεσσηνίων πϱὸς τῷ Ἰσϑμῷ geschrieben, weil auch für<lb/> ihn das wort Isthmos ohne zusatz keine deutliche ortsbestimmung war. aber die<lb/> schlacht “an der Messenier Isthmos” war deutlich, ist es nur nicht für uns: wir<lb/> müssen den ort suchen, dessen name einen gewissen anhalt gibt. doch bedenke<lb/> man, daſs der westliche demos von Kos so heiſst, bloſs weil die insel eine schmale<lb/> halsähnliche stelle hat.</note>.<lb/> auf jeden fall hat Thukydides sich, ganz wie wir es in der Themistokles-<lb/> geschichte gefunden haben, misverständlich ausgedrückt, und dieses mis-<lb/> verständnis hat weiter unheil gestiftet. mit der beseitigung dieses mis-<lb/> verständnisses ist wieder ein fester punkt gewonnen, der fall von Ithome<lb/> und die ansiedelung der Messenier in Naupaktos, also auch die vertrags-<lb/> urkunde CIA IV p. 9 fallen in das jahr des Philokles 459, in dasselbe,<lb/> den winter, der anschluſs von Megara<note place="foot" n="11)">Aus einem apophthegma Kimons, das Plutarch (17, 1, es gehört eng mit<lb/> dem vorigen zusammen) aus Ion gibt, ersieht man, daſs der krieg mit Korinth, der<lb/> Megara den Athenern in die arme trieb, schon zu der zeit im gange war, wo Kimon<lb/> von Messene heimzog, also herbst 461. sobald Athen ihnen die passage im korin-<lb/> thischen meerbusen sicherte, durch die besetzung von Naupaktos, fielen ihm die<lb/> Megarer zu.</note>, unter Euthippos aber, 460, in<lb/> dessen ersten monaten Kimons politik vom volke verworfen ward, die<lb/> bündnisse mit Argos und Thessalien und die besitzergreifung von Nau-<lb/> paktos.</p><lb/> <p>Damit sind die ereignisse, die Thukydides 104—7 erzählt, von beiden<lb/> seiten so fest eingeengt, daſs ihnen nur noch ein platz bleibt. Megara<lb/> kann sich erst ende 459 an Athen angeschlossen haben; der zug der<lb/> Peloponnesier nach Phokis und Boeotien fällt in das frühjahr 457. folg-<lb/> lich bleibt das kriegsjahr 458 für die schlachten bei Halieis Kekryphaleia<lb/> Aegina Megara. das ist viel, und man würde sich davor scheuen, aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0306]
III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
die lage für Sparta sich 465 besonders bedrohlich gestaltet hat, so daſs
die Thasier noch kurz vorher zusicherungen erhalten hatten; es ist aber
auch dem Thukydides zuzutrauen, daſs ihn eine falsche nachricht ge-
täuscht hat, die Sparta einen bruch des bundes aufhalsen wollte: wir
wissen von dem verlaufe des messenischen krieges ja so gut wie nichts 10).
auf jeden fall hat Thukydides sich, ganz wie wir es in der Themistokles-
geschichte gefunden haben, misverständlich ausgedrückt, und dieses mis-
verständnis hat weiter unheil gestiftet. mit der beseitigung dieses mis-
verständnisses ist wieder ein fester punkt gewonnen, der fall von Ithome
und die ansiedelung der Messenier in Naupaktos, also auch die vertrags-
urkunde CIA IV p. 9 fallen in das jahr des Philokles 459, in dasselbe,
den winter, der anschluſs von Megara 11), unter Euthippos aber, 460, in
dessen ersten monaten Kimons politik vom volke verworfen ward, die
bündnisse mit Argos und Thessalien und die besitzergreifung von Nau-
paktos.
Damit sind die ereignisse, die Thukydides 104—7 erzählt, von beiden
seiten so fest eingeengt, daſs ihnen nur noch ein platz bleibt. Megara
kann sich erst ende 459 an Athen angeschlossen haben; der zug der
Peloponnesier nach Phokis und Boeotien fällt in das frühjahr 457. folg-
lich bleibt das kriegsjahr 458 für die schlachten bei Halieis Kekryphaleia
Aegina Megara. das ist viel, und man würde sich davor scheuen, aber
10) Durch Herodot IX 35 kennen wir das nackte factum, daſs die Spartaner
‘am Isthmos’ nach den sehersprüchen des Teisamenes über die Messenier siegten.
denn überliefert ist ἐπὶ δὲ ὁ (ἀγών nämlich) Μεσσηνίων ὁ πϱὸς τῷ (R: om. A)
Ἰσϑμῷ, und das hat Pausanias gelesen (III 11, 8) und, ratlos wie wir, irgend wie
mit den worten des Thukydides in einklang zu bringen versucht. was ist das für
eine kritik, die erst bei Herodot πϱὸς Ἰϑώμῃ conjicirt, und dann womöglich noch
bei Pausanias den Isthmos vertreibt? von den andern schlachten sagt Herodot
πϱὸς Τεγεήτας, πϱὸς Ἀϱκάδας, πϱὸς Ἀϑηναίους: was soll der genetiv ὁ Μεσση-
νίων? offenbar hat er ὁ Μεσσηνίων πϱὸς τῷ Ἰσϑμῷ geschrieben, weil auch für
ihn das wort Isthmos ohne zusatz keine deutliche ortsbestimmung war. aber die
schlacht “an der Messenier Isthmos” war deutlich, ist es nur nicht für uns: wir
müssen den ort suchen, dessen name einen gewissen anhalt gibt. doch bedenke
man, daſs der westliche demos von Kos so heiſst, bloſs weil die insel eine schmale
halsähnliche stelle hat.
11) Aus einem apophthegma Kimons, das Plutarch (17, 1, es gehört eng mit
dem vorigen zusammen) aus Ion gibt, ersieht man, daſs der krieg mit Korinth, der
Megara den Athenern in die arme trieb, schon zu der zeit im gange war, wo Kimon
von Messene heimzog, also herbst 461. sobald Athen ihnen die passage im korin-
thischen meerbusen sicherte, durch die besetzung von Naupaktos, fielen ihm die
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