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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 2. Von Kekrops bis Solon.
söhne hinab. wer ein landlos hatte, konnte den heerdienst leisten: so-
fort aber erhob sich als ein stand im stande der ritter empor, der zu
pferde zu dienen begütert genug war. und wenn gegenüber dem ge-
burtsadel der militärische, gegenüber dem grundbesitz der privatbesitz
ein unvermeidlicher culturfortschritt sein mag, so sah es vielleicht wie
eine art von gerechtigkeit aus, dass die höchstbegüterten zu den ge-
meindelasten stärker herangezogen wurden. dann blieb aber die im laufe
der zeiten unvermeidliche compensation von rechten und pflichten nicht
aus: die höchstbesteuerte classe, eine elite der ritter, qualificirte sich für
die gemeindeämter in erster linie. als alle die welche 500 scheffel ernteten
aus den rittern ausgesondert wurden, die über den spannfähigen bauern
und den proletariern sich vorher erhoben hatten, war der staat auf den
adel des gutes gegründet. es war nur noch eine frage der zeit, dass die
beiden mittleren stände auch an einen festen census gebunden wurden.
wann das geschehen ist, in welcher reihenfolge diese verschiedenen fort-
schritte der phylen-, stände-, classenteilung gemacht sind, entzieht sich
unserer kenntnis: um 650 war alles längst vollzogen.

Wir sehen im siebenten jahrhundert in Athen die rücksichtslose
herrschaft des adels am ruder, und dieser adel ist auf den besitz, schon
nicht mehr den grundbesitz, sondern ganz einfach auf das geld be-
gründet. diese herrschaft besteht zu recht, aber sie ist faul im kerne
und vermag nur geringen widerstand zu leisten. zwei mächte streben
darnach, sie zu stürzen, die demokratie und die tyrannis. diese beiden
sind einander feindlich, aber welche auch immer einen schritt vorwärts
tut, immer geschieht es auf kosten des bestehenden vorrechtes der be-
sitzenden. der alte staat ist dem Solon und dem Peisistratos ruhm-
los erlegen.

Die reform
von 683.
Einen sieg des demokratischen prinzipes stellt schon die reform
von 683 dar, indem die gemeinde, wenn auch irgendwie in der aus-
wahl gebunden28), neun jährige beamte erwählte und vermittelst dieser

28) Da die archonten der demokratie die phylen vertreten und aus einer vor-
schlagsliste derselben ausgewählt oder gelost werden, muss ein analogon für die
ältere zeit bestanden haben. aber wir wissen nichts als die verteilung auf die
stände im jahre 580. selbst das los ist keineswegs undenkbar. Platon sagt von
dem alten Sparta, dass das doppelkönigtum, das ihren staat begründet hat (wie er
im einklange mit Hellanikos angibt, 686), durch eine gnädige fügung die monar-
chische härte ausgeschlossen hätte, dann als gegengewicht der erblichen herrschaft
die gerusia zugetreten wäre (durch Lykurg, dessen namen er meidet, den er aber
durch phusis tis anthropine memeigmene theia tini dunamei deutlich bezeichnet),
endlich ein tritos soter den zügel der ephoren dem staate angelegt hätte, eggus

II. 2. Von Kekrops bis Solon.
söhne hinab. wer ein landlos hatte, konnte den heerdienst leisten: so-
fort aber erhob sich als ein stand im stande der ritter empor, der zu
pferde zu dienen begütert genug war. und wenn gegenüber dem ge-
burtsadel der militärische, gegenüber dem grundbesitz der privatbesitz
ein unvermeidlicher culturfortschritt sein mag, so sah es vielleicht wie
eine art von gerechtigkeit aus, dass die höchstbegüterten zu den ge-
meindelasten stärker herangezogen wurden. dann blieb aber die im laufe
der zeiten unvermeidliche compensation von rechten und pflichten nicht
aus: die höchstbesteuerte classe, eine elite der ritter, qualificirte sich für
die gemeindeämter in erster linie. als alle die welche 500 scheffel ernteten
aus den rittern ausgesondert wurden, die über den spannfähigen bauern
und den proletariern sich vorher erhoben hatten, war der staat auf den
adel des gutes gegründet. es war nur noch eine frage der zeit, daſs die
beiden mittleren stände auch an einen festen census gebunden wurden.
wann das geschehen ist, in welcher reihenfolge diese verschiedenen fort-
schritte der phylen-, stände-, classenteilung gemacht sind, entzieht sich
unserer kenntnis: um 650 war alles längst vollzogen.

Wir sehen im siebenten jahrhundert in Athen die rücksichtslose
herrschaft des adels am ruder, und dieser adel ist auf den besitz, schon
nicht mehr den grundbesitz, sondern ganz einfach auf das geld be-
gründet. diese herrschaft besteht zu recht, aber sie ist faul im kerne
und vermag nur geringen widerstand zu leisten. zwei mächte streben
darnach, sie zu stürzen, die demokratie und die tyrannis. diese beiden
sind einander feindlich, aber welche auch immer einen schritt vorwärts
tut, immer geschieht es auf kosten des bestehenden vorrechtes der be-
sitzenden. der alte staat ist dem Solon und dem Peisistratos ruhm-
los erlegen.

Die reform
von 683.
Einen sieg des demokratischen prinzipes stellt schon die reform
von 683 dar, indem die gemeinde, wenn auch irgendwie in der aus-
wahl gebunden28), neun jährige beamte erwählte und vermittelst dieser

28) Da die archonten der demokratie die phylen vertreten und aus einer vor-
schlagsliste derselben ausgewählt oder gelost werden, muſs ein analogon für die
ältere zeit bestanden haben. aber wir wissen nichts als die verteilung auf die
stände im jahre 580. selbst das los ist keineswegs undenkbar. Platon sagt von
dem alten Sparta, daſs das doppelkönigtum, das ihren staat begründet hat (wie er
im einklange mit Hellanikos angibt, 686), durch eine gnädige fügung die monar-
chische härte ausgeschlossen hätte, dann als gegengewicht der erblichen herrschaft
die gerusia zugetreten wäre (durch Lykurg, dessen namen er meidet, den er aber
durch φύσις τις ἀνϑϱωπίνη μεμειγμένη ϑείᾳ τινὶ δυνάμει deutlich bezeichnet),
endlich ein τϱίτος σωτήϱ den zügel der ephoren dem staate angelegt hätte, ἐγγὺς
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[52/0062] II. 2. Von Kekrops bis Solon. söhne hinab. wer ein landlos hatte, konnte den heerdienst leisten: so- fort aber erhob sich als ein stand im stande der ritter empor, der zu pferde zu dienen begütert genug war. und wenn gegenüber dem ge- burtsadel der militärische, gegenüber dem grundbesitz der privatbesitz ein unvermeidlicher culturfortschritt sein mag, so sah es vielleicht wie eine art von gerechtigkeit aus, dass die höchstbegüterten zu den ge- meindelasten stärker herangezogen wurden. dann blieb aber die im laufe der zeiten unvermeidliche compensation von rechten und pflichten nicht aus: die höchstbesteuerte classe, eine elite der ritter, qualificirte sich für die gemeindeämter in erster linie. als alle die welche 500 scheffel ernteten aus den rittern ausgesondert wurden, die über den spannfähigen bauern und den proletariern sich vorher erhoben hatten, war der staat auf den adel des gutes gegründet. es war nur noch eine frage der zeit, daſs die beiden mittleren stände auch an einen festen census gebunden wurden. wann das geschehen ist, in welcher reihenfolge diese verschiedenen fort- schritte der phylen-, stände-, classenteilung gemacht sind, entzieht sich unserer kenntnis: um 650 war alles längst vollzogen. Wir sehen im siebenten jahrhundert in Athen die rücksichtslose herrschaft des adels am ruder, und dieser adel ist auf den besitz, schon nicht mehr den grundbesitz, sondern ganz einfach auf das geld be- gründet. diese herrschaft besteht zu recht, aber sie ist faul im kerne und vermag nur geringen widerstand zu leisten. zwei mächte streben darnach, sie zu stürzen, die demokratie und die tyrannis. diese beiden sind einander feindlich, aber welche auch immer einen schritt vorwärts tut, immer geschieht es auf kosten des bestehenden vorrechtes der be- sitzenden. der alte staat ist dem Solon und dem Peisistratos ruhm- los erlegen. Einen sieg des demokratischen prinzipes stellt schon die reform von 683 dar, indem die gemeinde, wenn auch irgendwie in der aus- wahl gebunden 28), neun jährige beamte erwählte und vermittelst dieser Die reform von 683. 28) Da die archonten der demokratie die phylen vertreten und aus einer vor- schlagsliste derselben ausgewählt oder gelost werden, muſs ein analogon für die ältere zeit bestanden haben. aber wir wissen nichts als die verteilung auf die stände im jahre 580. selbst das los ist keineswegs undenkbar. Platon sagt von dem alten Sparta, daſs das doppelkönigtum, das ihren staat begründet hat (wie er im einklange mit Hellanikos angibt, 686), durch eine gnädige fügung die monar- chische härte ausgeschlossen hätte, dann als gegengewicht der erblichen herrschaft die gerusia zugetreten wäre (durch Lykurg, dessen namen er meidet, den er aber durch φύσις τις ἀνϑϱωπίνη μεμειγμένη ϑείᾳ τινὶ δυνάμει deutlich bezeichnet), endlich ein τϱίτος σωτήϱ den zügel der ephoren dem staate angelegt hätte, ἐγγὺς

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/62>, abgerufen am 27.11.2024.