Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.Der Herakles der sage. Herakles als diener der üppigen Asiatin in einem satyrspiele Omphaleeinzuführen, und sie bezeugen, dass damals diese bereits eine Lyderin war, was wegen ihrer descendenz, der lydischen könige aus Herakles stamme, schon für viel frühere zeit unbestritten bleibt; aber der Herakles des Ion war weit entfernt sich im schosse der wollust zu vergessen. während das übrige gesinde noch in feierlicher stille den sinn auf das opfer ge- richtet hatte, verspeiste er nicht bloss den braten, sondern auch das holz und die asche, auf denen er gebraten war, mit: seine zähne erlaubten ihm diese leistung, denn er hatte drei reihen hinter einander 83). also gerade darin lag der reiz dieser spielenden erfindung, dass Herakles auch als knecht Herakles blieb und seine natur nicht verleugnete. hätte sich seine begierde zu der schönen königin erhoben (was unbeweisbar, aber mög- lich ist), so würde er höchstens wie Sir John von frau Page behandelt sein 84). das war schon eine umbildung, allein es war noch weit entfernt von der hellenistischen Omphaiesage, welche die erfahrung voraussetzt, dass die gewaltigen männer der tat ebenso gewaltig in dem sinnengenusse sind: Demetrios Poliorketes konnte ein solches bild eingeben 85). dagegen 83) Ion fgm. 29. 30. wenn er von Herakles gesagt haben sollte (59), dass er ein lydisches leinenhemd angezogen hätte, das ihm nur bis auf die mitte der schenkel reichte, so war damit nur seine grösse geschildert, und wie schlecht ihm die sclaven- tracht passte. die kupassis der Omphale, welche Diotimos der dichter der Heraklee (Anth. Pal. VI 358) als weihgeschenk eines Artemistempels besingt, hat mit dieser vertauschung der kleidung nichts zu tun; denn Omphale hat sie zwar ausgezogen, aber Herakles nicht angezogen. Diotimos sagt, das kleid war selig, bis sie es auszog, und ist es jetzt wieder, wo es im thesauros der Artemis als schaustück liegt, khaire moi abre kupassi, ton Omphalie pote Lude lusamene philotet elthen es Erakleous. olbios estha, kupassi, kai es (os cod.) tote kai palin os (os cod.) nin khruseon Artemidos tout epebes melathron. 84) Die worte der pseudojustinischen oratio ad gentiles 3 os nepios upo saturon katakumbalistheis, kai upo gunaikeiou erotos upo Ludes geloses kata glouton tuptomenos edeto würden den sinn gestatten, dass Herakles wie Falstaff geprellt wäre, und wenn man die satyrn in die Omphalefabel einbezieht, könnte man hier sogar an Ion denken. aber die satyrn sollen für sich stehen: sie bezeichnen nur das etton methes, wie Omphale das etton erotos. und die prügel sind die gewöhn- lichen des pantoffelhelden. das wird gesichert durch Lukian dial. deor. 13. Kyniker und christen bestreiten ihre polemik mit demselben aus grammatischen sammlungen entlehnten materiale. dieses war trefflich, und so wird Herakles der pantoffelheld allerdings eine erfindung der besten hellenistischen zeit sein. 85) Man täuscht sich, wenn man in der verbindung von Ares und Aphrodite
eine gleiche symbolik sieht: die ist eben auch erst in derselben hellenistischen zeit hineingetragen. der schwank, welcher Aphrodite sich zu dem strammen krieger lieber als zu dem biedern ehegespons Hephaistos halten lässt, heisst nichts anderes, als dass der weibliche geschmack zu Demodokos und Alkaios zeiten kein anderer Der Herakles der sage. Herakles als diener der üppigen Asiatin in einem satyrspiele Omphaleeinzuführen, und sie bezeugen, daſs damals diese bereits eine Lyderin war, was wegen ihrer descendenz, der lydischen könige aus Herakles stamme, schon für viel frühere zeit unbestritten bleibt; aber der Herakles des Ion war weit entfernt sich im schoſse der wollust zu vergessen. während das übrige gesinde noch in feierlicher stille den sinn auf das opfer ge- richtet hatte, verspeiste er nicht bloſs den braten, sondern auch das holz und die asche, auf denen er gebraten war, mit: seine zähne erlaubten ihm diese leistung, denn er hatte drei reihen hinter einander 83). also gerade darin lag der reiz dieser spielenden erfindung, daſs Herakles auch als knecht Herakles blieb und seine natur nicht verleugnete. hätte sich seine begierde zu der schönen königin erhoben (was unbeweisbar, aber mög- lich ist), so würde er höchstens wie Sir John von frau Page behandelt sein 84). das war schon eine umbildung, allein es war noch weit entfernt von der hellenistischen Omphaiesage, welche die erfahrung voraussetzt, daſs die gewaltigen männer der tat ebenso gewaltig in dem sinnengenusse sind: Demetrios Poliorketes konnte ein solches bild eingeben 85). dagegen 83) Ion fgm. 29. 30. wenn er von Herakles gesagt haben sollte (59), daſs er ein lydisches leinenhemd angezogen hätte, das ihm nur bis auf die mitte der schenkel reichte, so war damit nur seine gröſse geschildert, und wie schlecht ihm die sclaven- tracht paſste. die κύπασσις der Omphale, welche Diotimos der dichter der Heraklee (Anth. Pal. VI 358) als weihgeschenk eines Artemistempels besingt, hat mit dieser vertauschung der kleidung nichts zu tun; denn Omphale hat sie zwar ausgezogen, aber Herakles nicht angezogen. Diotimos sagt, das kleid war selig, bis sie es auszog, und ist es jetzt wieder, wo es im ϑησαυρός der Artemis als schaustück liegt, χαῖρέ μοι ἁβρὲ κύπασσι, τὸν Ὀμφαλίη ποτὲ Λυδὴ λυσαμένη φιλότητ̕ ἦλϑεν ἐς Ἡρακλέους. ὀλβιος ἦσϑα, κύπασσι, καὶ ἐς (ὡς cod.) τότε καὶ πάλιν ὡς (ὅς cod.) νῖν χρύσεον Ἀρτέμιδος τοῦτ̕ ἐπέβης μέλαϑρον. 84) Die worte der pseudojustinischen oratio ad gentiles 3 ὡς νήπιος ὑπὸ σατύρων κατακυμβαλισϑείς, καὶ ὑπὸ γυναικείου ἔρωτος ὑπὸ Λυδῆς γελώσης κατὰ γλουτῶν τυπτόμενος ἥδετο würden den sinn gestatten, daſs Herakles wie Falstaff geprellt wäre, und wenn man die satyrn in die Omphalefabel einbezieht, könnte man hier sogar an Ion denken. aber die satyrn sollen für sich stehen: sie bezeichnen nur das ἥττων μέϑης, wie Omphale das ἥττων ἔρωτος. und die prügel sind die gewöhn- lichen des pantoffelhelden. das wird gesichert durch Lukian dial. deor. 13. Kyniker und christen bestreiten ihre polemik mit demselben aus grammatischen sammlungen entlehnten materiale. dieses war trefflich, und so wird Herakles der pantoffelheld allerdings eine erfindung der besten hellenistischen zeit sein. 85) Man täuscht sich, wenn man in der verbindung von Ares und Aphrodite
eine gleiche symbolik sieht: die ist eben auch erst in derselben hellenistischen zeit hineingetragen. der schwank, welcher Aphrodite sich zu dem strammen krieger lieber als zu dem biedern ehegespons Hephaistos halten läſst, heiſst nichts anderes, als daſs der weibliche geschmack zu Demodokos und Alkaios zeiten kein anderer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0334" n="314"/><fw place="top" type="header">Der Herakles der sage.</fw><lb/> Herakles als diener der üppigen Asiatin in einem satyrspiele Omphale<lb/> einzuführen, und sie bezeugen, daſs damals diese bereits eine Lyderin war,<lb/> was wegen ihrer descendenz, der lydischen könige aus Herakles stamme,<lb/> schon für viel frühere zeit unbestritten bleibt; aber der Herakles des Ion<lb/> war weit entfernt sich im schoſse der wollust zu vergessen. während<lb/> das übrige gesinde noch in feierlicher stille den sinn auf das opfer ge-<lb/> richtet hatte, verspeiste er nicht bloſs den braten, sondern auch das holz<lb/> und die asche, auf denen er gebraten war, mit: seine zähne erlaubten ihm<lb/> diese leistung, denn er hatte drei reihen hinter einander <note place="foot" n="83)">Ion fgm. 29. 30. wenn er von Herakles gesagt haben sollte (59), daſs er<lb/> ein lydisches leinenhemd angezogen hätte, das ihm nur bis auf die mitte der schenkel<lb/> reichte, so war damit nur seine gröſse geschildert, und wie schlecht ihm die sclaven-<lb/> tracht paſste. die κύπασσις der Omphale, welche Diotimos der dichter der Heraklee<lb/> (Anth. Pal. VI 358) als weihgeschenk eines Artemistempels besingt, hat mit dieser<lb/> vertauschung der kleidung nichts zu tun; denn Omphale hat sie zwar ausgezogen,<lb/> aber Herakles nicht angezogen. Diotimos sagt, das kleid war selig, bis sie es auszog,<lb/> und ist es jetzt wieder, wo es im ϑησαυρός der Artemis als schaustück liegt, χαῖρέ<lb/> μοι ἁβρὲ κύπασσι, τὸν Ὀμφαλίη ποτὲ Λυδὴ λυσαμένη φιλότητ̕ ἦλϑεν ἐς Ἡρακλέους.<lb/> ὀλβιος ἦσϑα, κύπασσι, καὶ ἐς (ὡς cod.) τότε καὶ πάλιν ὡς (ὅς cod.) νῖν χρύσεον<lb/> Ἀρτέμιδος τοῦτ̕ ἐπέβης μέλαϑρον.</note>. also gerade<lb/> darin lag der reiz dieser spielenden erfindung, daſs Herakles auch als<lb/> knecht Herakles blieb und seine natur nicht verleugnete. hätte sich seine<lb/> begierde zu der schönen königin erhoben (was unbeweisbar, aber mög-<lb/> lich ist), so würde er höchstens wie Sir John von frau Page behandelt<lb/> sein <note place="foot" n="84)">Die worte der pseudojustinischen <hi rendition="#i">oratio ad gentiles</hi> 3 ὡς νήπιος ὑπὸ<lb/> σατύρων κατακυμβαλισϑείς, καὶ ὑπὸ γυναικείου ἔρωτος ὑπὸ Λυδῆς γελώσης κατὰ<lb/> γλουτῶν τυπτόμενος ἥδετο würden den sinn gestatten, daſs Herakles wie Falstaff<lb/> geprellt wäre, und wenn man die satyrn in die Omphalefabel einbezieht, könnte man<lb/> hier sogar an Ion denken. aber die satyrn sollen für sich stehen: sie bezeichnen nur<lb/> das ἥττων μέϑης, wie Omphale das ἥττων ἔρωτος. und die prügel sind die gewöhn-<lb/> lichen des pantoffelhelden. das wird gesichert durch Lukian <hi rendition="#i">dial. deor.</hi> 13. Kyniker<lb/> und christen bestreiten ihre polemik mit demselben aus grammatischen sammlungen<lb/> entlehnten materiale. dieses war trefflich, und so wird Herakles der pantoffelheld<lb/> allerdings eine erfindung der besten hellenistischen zeit sein.</note>. das war schon eine umbildung, allein es war noch weit entfernt<lb/> von der hellenistischen Omphaiesage, welche die erfahrung voraussetzt,<lb/> daſs die gewaltigen männer der tat ebenso gewaltig in dem sinnengenusse<lb/> sind: Demetrios Poliorketes konnte ein solches bild eingeben <note xml:id="note-0334" next="#note-0335" place="foot" n="85)">Man täuscht sich, wenn man in der verbindung von Ares und Aphrodite<lb/> eine gleiche symbolik sieht: die ist eben auch erst in derselben hellenistischen zeit<lb/> hineingetragen. der schwank, welcher Aphrodite sich zu dem strammen krieger<lb/> lieber als zu dem biedern ehegespons Hephaistos halten läſst, heiſst nichts anderes,<lb/> als daſs der weibliche geschmack zu Demodokos und Alkaios zeiten kein anderer</note>. dagegen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [314/0334]
Der Herakles der sage.
Herakles als diener der üppigen Asiatin in einem satyrspiele Omphale
einzuführen, und sie bezeugen, daſs damals diese bereits eine Lyderin war,
was wegen ihrer descendenz, der lydischen könige aus Herakles stamme,
schon für viel frühere zeit unbestritten bleibt; aber der Herakles des Ion
war weit entfernt sich im schoſse der wollust zu vergessen. während
das übrige gesinde noch in feierlicher stille den sinn auf das opfer ge-
richtet hatte, verspeiste er nicht bloſs den braten, sondern auch das holz
und die asche, auf denen er gebraten war, mit: seine zähne erlaubten ihm
diese leistung, denn er hatte drei reihen hinter einander 83). also gerade
darin lag der reiz dieser spielenden erfindung, daſs Herakles auch als
knecht Herakles blieb und seine natur nicht verleugnete. hätte sich seine
begierde zu der schönen königin erhoben (was unbeweisbar, aber mög-
lich ist), so würde er höchstens wie Sir John von frau Page behandelt
sein 84). das war schon eine umbildung, allein es war noch weit entfernt
von der hellenistischen Omphaiesage, welche die erfahrung voraussetzt,
daſs die gewaltigen männer der tat ebenso gewaltig in dem sinnengenusse
sind: Demetrios Poliorketes konnte ein solches bild eingeben 85). dagegen
83) Ion fgm. 29. 30. wenn er von Herakles gesagt haben sollte (59), daſs er
ein lydisches leinenhemd angezogen hätte, das ihm nur bis auf die mitte der schenkel
reichte, so war damit nur seine gröſse geschildert, und wie schlecht ihm die sclaven-
tracht paſste. die κύπασσις der Omphale, welche Diotimos der dichter der Heraklee
(Anth. Pal. VI 358) als weihgeschenk eines Artemistempels besingt, hat mit dieser
vertauschung der kleidung nichts zu tun; denn Omphale hat sie zwar ausgezogen,
aber Herakles nicht angezogen. Diotimos sagt, das kleid war selig, bis sie es auszog,
und ist es jetzt wieder, wo es im ϑησαυρός der Artemis als schaustück liegt, χαῖρέ
μοι ἁβρὲ κύπασσι, τὸν Ὀμφαλίη ποτὲ Λυδὴ λυσαμένη φιλότητ̕ ἦλϑεν ἐς Ἡρακλέους.
ὀλβιος ἦσϑα, κύπασσι, καὶ ἐς (ὡς cod.) τότε καὶ πάλιν ὡς (ὅς cod.) νῖν χρύσεον
Ἀρτέμιδος τοῦτ̕ ἐπέβης μέλαϑρον.
84) Die worte der pseudojustinischen oratio ad gentiles 3 ὡς νήπιος ὑπὸ
σατύρων κατακυμβαλισϑείς, καὶ ὑπὸ γυναικείου ἔρωτος ὑπὸ Λυδῆς γελώσης κατὰ
γλουτῶν τυπτόμενος ἥδετο würden den sinn gestatten, daſs Herakles wie Falstaff
geprellt wäre, und wenn man die satyrn in die Omphalefabel einbezieht, könnte man
hier sogar an Ion denken. aber die satyrn sollen für sich stehen: sie bezeichnen nur
das ἥττων μέϑης, wie Omphale das ἥττων ἔρωτος. und die prügel sind die gewöhn-
lichen des pantoffelhelden. das wird gesichert durch Lukian dial. deor. 13. Kyniker
und christen bestreiten ihre polemik mit demselben aus grammatischen sammlungen
entlehnten materiale. dieses war trefflich, und so wird Herakles der pantoffelheld
allerdings eine erfindung der besten hellenistischen zeit sein.
85) Man täuscht sich, wenn man in der verbindung von Ares und Aphrodite
eine gleiche symbolik sieht: die ist eben auch erst in derselben hellenistischen zeit
hineingetragen. der schwank, welcher Aphrodite sich zu dem strammen krieger
lieber als zu dem biedern ehegespons Hephaistos halten läſst, heiſst nichts anderes,
als daſs der weibliche geschmack zu Demodokos und Alkaios zeiten kein anderer
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