Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.Die Herakleen. Kreophylos. erbte auch mehr von ihm. in der Alkestissage hat die faust des Heraklesdie gnade der todesgöttin ersetzt, welche Apollon beschwor 99). und so ist die dienstbarkeit des Herakles auch eine parallelsage zu der dienst- barkeit des Apollon 100), die ursprünglich auf denselben fluren gespielt hat, und die bei beiden durch eine blutige tat begründet ist. es ist das wichtig. denn erst diese einsicht sichert davor, in der dienstbarkeit bei Omphale und etwa auch bei Syleus eine parallelsage zu dem dienste bei Eurystheus zu finden und somit dieses motiv als einen bestandteil der ursage an- zusehen. freilich wird sich jeder vor diesem misgriff schon dann hüten, wenn er den rechtlichen unterschied zwischen der dienstbarkeit des vasallen von der des sclaven zu würdigen weiss. In unserer überlieferung verknüpft, aber dennoch vielleicht von haus 99) Die hesiodische form der sage ist hergestellt Isyllos s. 70. durch sie wird das gemälde einer attischen pyxis erklärt (Wien. Vorleg. Bl. N. S. I 8, 5). Admetos führt lebhaft die Alkestis, welche ein mädchen geleitet, auf das haus zu, vor dem der alte Pheres steht, den ein anderes mädchen anspricht. die mädchen vertreten das hochzeitsgeleit. aber zwischen beiden gruppen stehen Apollon und Artemis, den blick voll ernster teilnahme auf das junge par gerichtet. man lese Eur. Alk. 915--25 nach, die stimmung zu finden; aber das gemälde wirkt durch die gegenwart der götter weit ergreifender: Apollon hat die ehe gestiftet; Artemis wird sie lösen. 100) Aischylos sagt kai paida gar toi phasin Alkmenes pote prathenta tlenai
doulias mazes bion, Ag. 1040. bei Euripides sagt Apollon etlen ego thessan tra- pezan ainesai theos per on (Alk. 1). man sieht, dass beides ganz gleich empfunden wird. O. Müller ist durch diese sagen zu seinem folgenreichen irrtume verführt, Herakles und Apollon überhaupt als ganz nahe verwandt zu betrachten. er hat verkannt, dass die sagen deshalb nicht älter sind, weil sie auf einem boden spielen, welchen die Dorer früher einnahmen, als sie in den Peloponnes zogen. die Dorer, welche fort- zogen, haben sie ja eben nicht erzeugt noch erhalten, sondern die am Oeta bleibende bevölkerung. und der Apollon, welcher hier verehrt ward, ist kein dorischer, sondern der althellenische, vgl. anm. 9. Die Herakleen. Kreophylos. erbte auch mehr von ihm. in der Alkestissage hat die faust des Heraklesdie gnade der todesgöttin ersetzt, welche Apollon beschwor 99). und so ist die dienstbarkeit des Herakles auch eine parallelsage zu der dienst- barkeit des Apollon 100), die ursprünglich auf denselben fluren gespielt hat, und die bei beiden durch eine blutige tat begründet ist. es ist das wichtig. denn erst diese einsicht sichert davor, in der dienstbarkeit bei Omphale und etwa auch bei Syleus eine parallelsage zu dem dienste bei Eurystheus zu finden und somit dieses motiv als einen bestandteil der ursage an- zusehen. freilich wird sich jeder vor diesem misgriff schon dann hüten, wenn er den rechtlichen unterschied zwischen der dienstbarkeit des vasallen von der des sclaven zu würdigen weiſs. In unserer überlieferung verknüpft, aber dennoch vielleicht von haus 99) Die hesiodische form der sage ist hergestellt Isyllos s. 70. durch sie wird das gemälde einer attischen pyxis erklärt (Wien. Vorleg. Bl. N. S. I 8, 5). Admetos führt lebhaft die Alkestis, welche ein mädchen geleitet, auf das haus zu, vor dem der alte Pheres steht, den ein anderes mädchen anspricht. die mädchen vertreten das hochzeitsgeleit. aber zwischen beiden gruppen stehen Apollon und Artemis, den blick voll ernster teilnahme auf das junge par gerichtet. man lese Eur. Alk. 915—25 nach, die stimmung zu finden; aber das gemälde wirkt durch die gegenwart der götter weit ergreifender: Apollon hat die ehe gestiftet; Artemis wird sie lösen. 100) Aischylos sagt καὶ παῖδα γάρ τοι φασὶν Ἀλκμήνης ποτὲ πραϑέντα τλῆναι
δουλίας μάζης βίον, Ag. 1040. bei Euripides sagt Apollon ἔτλην ἐγὼ ϑῆσσαν τρά- πεζαν αἰνέσαι ϑεός περ ὤν (Alk. 1). man sieht, daſs beides ganz gleich empfunden wird. O. Müller ist durch diese sagen zu seinem folgenreichen irrtume verführt, Herakles und Apollon überhaupt als ganz nahe verwandt zu betrachten. er hat verkannt, daſs die sagen deshalb nicht älter sind, weil sie auf einem boden spielen, welchen die Dorer früher einnahmen, als sie in den Peloponnes zogen. die Dorer, welche fort- zogen, haben sie ja eben nicht erzeugt noch erhalten, sondern die am Oeta bleibende bevölkerung. und der Apollon, welcher hier verehrt ward, ist kein dorischer, sondern der althellenische, vgl. anm. 9. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0339" n="319"/><fw place="top" type="header">Die Herakleen. Kreophylos.</fw><lb/> erbte auch mehr von ihm. in der Alkestissage hat die faust des Herakles<lb/> die gnade der todesgöttin ersetzt, welche Apollon beschwor <note place="foot" n="99)">Die hesiodische form der sage ist hergestellt Isyllos s. 70. durch sie wird<lb/> das gemälde einer attischen pyxis erklärt (Wien. Vorleg. Bl. N. S. I 8, 5). Admetos<lb/> führt lebhaft die Alkestis, welche ein mädchen geleitet, auf das haus zu, vor dem<lb/> der alte Pheres steht, den ein anderes mädchen anspricht. die mädchen vertreten<lb/> das hochzeitsgeleit. aber zwischen beiden gruppen stehen Apollon und Artemis,<lb/> den blick voll ernster teilnahme auf das junge par gerichtet. man lese Eur. Alk.<lb/> 915—25 nach, die stimmung zu finden; aber das gemälde wirkt durch die gegenwart<lb/> der götter weit ergreifender: Apollon hat die ehe gestiftet; Artemis wird sie lösen.</note>. und so<lb/> ist die dienstbarkeit des Herakles auch eine parallelsage zu der dienst-<lb/> barkeit des Apollon <note place="foot" n="100)">Aischylos sagt καὶ παῖδα γάρ τοι φασὶν Ἀλκμήνης ποτὲ πραϑέντα τλῆναι<lb/> δουλίας μάζης βίον, Ag. 1040. bei Euripides sagt Apollon ἔτλην ἐγὼ ϑῆσσαν τρά-<lb/> πεζαν αἰνέσαι ϑεός περ ὤν (Alk. 1). man sieht, daſs beides ganz gleich empfunden<lb/> wird. O. Müller ist durch diese sagen zu seinem folgenreichen irrtume verführt, Herakles<lb/> und Apollon überhaupt als ganz nahe verwandt zu betrachten. er hat verkannt, daſs<lb/> die sagen deshalb nicht älter sind, weil sie auf einem boden spielen, welchen die<lb/> Dorer früher einnahmen, als sie in den Peloponnes zogen. die Dorer, welche fort-<lb/> zogen, haben sie ja eben nicht erzeugt noch erhalten, sondern die am Oeta bleibende<lb/> bevölkerung. und der Apollon, welcher hier verehrt ward, ist kein dorischer, sondern<lb/> der althellenische, vgl. anm. 9.</note>, die ursprünglich auf denselben fluren gespielt hat,<lb/> und die bei beiden durch eine blutige tat begründet ist. es ist das wichtig.<lb/> denn erst diese einsicht sichert davor, in der dienstbarkeit bei Omphale<lb/> und etwa auch bei Syleus eine parallelsage zu dem dienste bei Eurystheus<lb/> zu finden und somit dieses motiv als einen bestandteil der ursage an-<lb/> zusehen. freilich wird sich jeder vor diesem misgriff schon dann hüten,<lb/> wenn er den rechtlichen unterschied zwischen der dienstbarkeit des<lb/> vasallen von der des sclaven zu würdigen weiſs.</p><lb/> <p>In unserer überlieferung verknüpft, aber dennoch vielleicht von haus<lb/> aus gesondert ist die sage von der werbung um Deianeira, die tötung<lb/> des Nessos, das vergiftete gewand und der tod des Herakles. diese vier<lb/> stücke bedingen einander. es fehlt in der erzählung, wie wir sie kennen,<lb/> ein unerläſsliches motiv, wenn die liebe zu Iole ausgesondert wird. aber<lb/> es ist zuzugeben, daſs die nötige eifersucht sehr gut auch durch irgend<lb/> ein anderes erbeutetes mädchen, z. b. Astydameia von Ormenion, erweckt<lb/> werden konnte. nicht Herakles sondern Deianeira hält diese sagen zu-<lb/> sammen; ihre bedrängung durch den ungeheuren freier, ihre eifersucht<lb/> und verzweiflung ist die seele der dichtung. sie ist Aetolerin, und die<lb/> frauen dieses stammes sind von der sage mit lebhaftesten zügen aus-<lb/> gestattet, da ist Althaia, Deianeiras mutter, die Meleagros durch eine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [319/0339]
Die Herakleen. Kreophylos.
erbte auch mehr von ihm. in der Alkestissage hat die faust des Herakles
die gnade der todesgöttin ersetzt, welche Apollon beschwor 99). und so
ist die dienstbarkeit des Herakles auch eine parallelsage zu der dienst-
barkeit des Apollon 100), die ursprünglich auf denselben fluren gespielt hat,
und die bei beiden durch eine blutige tat begründet ist. es ist das wichtig.
denn erst diese einsicht sichert davor, in der dienstbarkeit bei Omphale
und etwa auch bei Syleus eine parallelsage zu dem dienste bei Eurystheus
zu finden und somit dieses motiv als einen bestandteil der ursage an-
zusehen. freilich wird sich jeder vor diesem misgriff schon dann hüten,
wenn er den rechtlichen unterschied zwischen der dienstbarkeit des
vasallen von der des sclaven zu würdigen weiſs.
In unserer überlieferung verknüpft, aber dennoch vielleicht von haus
aus gesondert ist die sage von der werbung um Deianeira, die tötung
des Nessos, das vergiftete gewand und der tod des Herakles. diese vier
stücke bedingen einander. es fehlt in der erzählung, wie wir sie kennen,
ein unerläſsliches motiv, wenn die liebe zu Iole ausgesondert wird. aber
es ist zuzugeben, daſs die nötige eifersucht sehr gut auch durch irgend
ein anderes erbeutetes mädchen, z. b. Astydameia von Ormenion, erweckt
werden konnte. nicht Herakles sondern Deianeira hält diese sagen zu-
sammen; ihre bedrängung durch den ungeheuren freier, ihre eifersucht
und verzweiflung ist die seele der dichtung. sie ist Aetolerin, und die
frauen dieses stammes sind von der sage mit lebhaftesten zügen aus-
gestattet, da ist Althaia, Deianeiras mutter, die Meleagros durch eine
99) Die hesiodische form der sage ist hergestellt Isyllos s. 70. durch sie wird
das gemälde einer attischen pyxis erklärt (Wien. Vorleg. Bl. N. S. I 8, 5). Admetos
führt lebhaft die Alkestis, welche ein mädchen geleitet, auf das haus zu, vor dem
der alte Pheres steht, den ein anderes mädchen anspricht. die mädchen vertreten
das hochzeitsgeleit. aber zwischen beiden gruppen stehen Apollon und Artemis,
den blick voll ernster teilnahme auf das junge par gerichtet. man lese Eur. Alk.
915—25 nach, die stimmung zu finden; aber das gemälde wirkt durch die gegenwart
der götter weit ergreifender: Apollon hat die ehe gestiftet; Artemis wird sie lösen.
100) Aischylos sagt καὶ παῖδα γάρ τοι φασὶν Ἀλκμήνης ποτὲ πραϑέντα τλῆναι
δουλίας μάζης βίον, Ag. 1040. bei Euripides sagt Apollon ἔτλην ἐγὼ ϑῆσσαν τρά-
πεζαν αἰνέσαι ϑεός περ ὤν (Alk. 1). man sieht, daſs beides ganz gleich empfunden
wird. O. Müller ist durch diese sagen zu seinem folgenreichen irrtume verführt, Herakles
und Apollon überhaupt als ganz nahe verwandt zu betrachten. er hat verkannt, daſs
die sagen deshalb nicht älter sind, weil sie auf einem boden spielen, welchen die
Dorer früher einnahmen, als sie in den Peloponnes zogen. die Dorer, welche fort-
zogen, haben sie ja eben nicht erzeugt noch erhalten, sondern die am Oeta bleibende
bevölkerung. und der Apollon, welcher hier verehrt ward, ist kein dorischer, sondern
der althellenische, vgl. anm. 9.
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