Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Bündelchen auf den Tisch gelegt und sah, ihnen den Rücken zuwendend, zum Fenster hinaus.

Nehmen wir nur vor Allem Platz! sagte Julius und warf sich auf einen Stuhl am nächsten Tisch. Du mußt ohnehin noch eine Flasche Rothspohn mit mir trinken, Ohlerich; heut Nacht haben wir die Brüderschaft nur mit Rostocker Weißbier begossen!

In diesem Augenblick sah die junge Frau verwundert zu ihm herüber, und die beiden Männer zu ihr. Alle Drei starrten einander an. Liesbeth -- nicht in ihrer Warnemünder, sondern in städtischer Tracht -- zeigte ihr Gesicht, auf das sich mehr Erstaunen drängte, als es fassen wollte, während Ohlerich die Farbe wechselte, und Julius endlich in ein verlegenes, lautes Lachen ausbrach.

Hatt' ich nicht Recht, Ohlerich, rief er aus, dich hereinzuschleppen? Hatt' ich nicht Recht? -- Plötzlich aber besann er sich, wie es hier noch stand, glaubte sehr zur Unzeit gelacht zu haben und ward feuerroth. Guten Tag, Liesbeth! stammelte er, mit einem Blick auf Ohlerich's ernstes Gesicht. Ich will -- -- ich will etwas zu essen bestellen! -- Das ist gut! Das wird das Beste sein! setzte er hinzu, indem er seinen stillen Gedankengang verrieth. Niemand antwortete ihm etwas. Er nahm seinen Strohhut wieder auf, den er hingelegt hatte, suchte die Thür nach der Küche und ging schweigend hinaus.

Die beiden Eheleute sahen sich allein. Guten Tag, Ohlerich! sagte Liesbeth nach einer Weile, mehr erstaunt als beklommen. Ich höre ja, daß ihr euch duzt!

Ja, wir duzen uns, entgegnete Ohlerich sanft.

Daß ihr heut Nacht bei Rostocker Weißbier Brüderschaft mit einander getrunken habt!

Ja; da hast du ganz richtig gehört, Liesbeth: das ist geschehen. Warum sollten wir Beide auch nicht Brüderschaft trinken? Das kommt zwischen Mannsleuten vor, wenn sie lustig sind.

Bündelchen auf den Tisch gelegt und sah, ihnen den Rücken zuwendend, zum Fenster hinaus.

Nehmen wir nur vor Allem Platz! sagte Julius und warf sich auf einen Stuhl am nächsten Tisch. Du mußt ohnehin noch eine Flasche Rothspohn mit mir trinken, Ohlerich; heut Nacht haben wir die Brüderschaft nur mit Rostocker Weißbier begossen!

In diesem Augenblick sah die junge Frau verwundert zu ihm herüber, und die beiden Männer zu ihr. Alle Drei starrten einander an. Liesbeth — nicht in ihrer Warnemünder, sondern in städtischer Tracht — zeigte ihr Gesicht, auf das sich mehr Erstaunen drängte, als es fassen wollte, während Ohlerich die Farbe wechselte, und Julius endlich in ein verlegenes, lautes Lachen ausbrach.

Hatt' ich nicht Recht, Ohlerich, rief er aus, dich hereinzuschleppen? Hatt' ich nicht Recht? — Plötzlich aber besann er sich, wie es hier noch stand, glaubte sehr zur Unzeit gelacht zu haben und ward feuerroth. Guten Tag, Liesbeth! stammelte er, mit einem Blick auf Ohlerich's ernstes Gesicht. Ich will — — ich will etwas zu essen bestellen! — Das ist gut! Das wird das Beste sein! setzte er hinzu, indem er seinen stillen Gedankengang verrieth. Niemand antwortete ihm etwas. Er nahm seinen Strohhut wieder auf, den er hingelegt hatte, suchte die Thür nach der Küche und ging schweigend hinaus.

Die beiden Eheleute sahen sich allein. Guten Tag, Ohlerich! sagte Liesbeth nach einer Weile, mehr erstaunt als beklommen. Ich höre ja, daß ihr euch duzt!

Ja, wir duzen uns, entgegnete Ohlerich sanft.

Daß ihr heut Nacht bei Rostocker Weißbier Brüderschaft mit einander getrunken habt!

Ja; da hast du ganz richtig gehört, Liesbeth: das ist geschehen. Warum sollten wir Beide auch nicht Brüderschaft trinken? Das kommt zwischen Mannsleuten vor, wenn sie lustig sind.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <p><pb facs="#f0062"/>
Bündelchen auf                den Tisch gelegt und sah, ihnen den Rücken zuwendend, zum Fenster hinaus.</p><lb/>
        <p>Nehmen wir nur vor Allem Platz! sagte Julius und warf sich auf einen Stuhl am                nächsten Tisch. Du mußt ohnehin noch eine Flasche Rothspohn mit mir trinken,                Ohlerich; heut Nacht haben wir die Brüderschaft nur mit Rostocker Weißbier                begossen!</p><lb/>
        <p>In diesem Augenblick sah die junge Frau verwundert zu ihm herüber, und die beiden                Männer zu ihr. Alle Drei starrten einander an. Liesbeth &#x2014; nicht in ihrer Warnemünder,                sondern in städtischer Tracht &#x2014; zeigte ihr Gesicht, auf das sich mehr Erstaunen                drängte, als es fassen wollte, während Ohlerich die Farbe wechselte, und Julius                endlich in ein verlegenes, lautes Lachen ausbrach.</p><lb/>
        <p>Hatt' ich nicht Recht, Ohlerich, rief er aus, dich hereinzuschleppen? Hatt' ich nicht                Recht? &#x2014; Plötzlich aber besann er sich, wie es hier noch stand, glaubte sehr zur                Unzeit gelacht zu haben und ward feuerroth. Guten Tag, Liesbeth! stammelte er, mit                einem Blick auf Ohlerich's ernstes Gesicht. Ich will &#x2014; &#x2014; ich will etwas zu essen                bestellen! &#x2014; Das ist gut! Das wird das Beste sein! setzte er hinzu, indem er seinen                stillen Gedankengang verrieth. Niemand antwortete ihm etwas. Er nahm seinen Strohhut                wieder auf, den er hingelegt hatte, suchte die Thür nach der Küche und ging                schweigend hinaus.</p><lb/>
        <p>Die beiden Eheleute sahen sich allein. Guten Tag, Ohlerich! sagte Liesbeth nach einer                Weile, mehr erstaunt als beklommen. Ich höre ja, daß ihr euch duzt!</p><lb/>
        <p>Ja, wir duzen uns, entgegnete Ohlerich sanft.</p><lb/>
        <p>Daß ihr heut Nacht bei Rostocker Weißbier Brüderschaft mit einander getrunken                habt!</p><lb/>
        <p>Ja; da hast du ganz richtig gehört, Liesbeth: das ist geschehen. Warum sollten wir                Beide auch nicht Brüderschaft trinken? Das kommt zwischen Mannsleuten vor, wenn sie                lustig sind.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] Bündelchen auf den Tisch gelegt und sah, ihnen den Rücken zuwendend, zum Fenster hinaus. Nehmen wir nur vor Allem Platz! sagte Julius und warf sich auf einen Stuhl am nächsten Tisch. Du mußt ohnehin noch eine Flasche Rothspohn mit mir trinken, Ohlerich; heut Nacht haben wir die Brüderschaft nur mit Rostocker Weißbier begossen! In diesem Augenblick sah die junge Frau verwundert zu ihm herüber, und die beiden Männer zu ihr. Alle Drei starrten einander an. Liesbeth — nicht in ihrer Warnemünder, sondern in städtischer Tracht — zeigte ihr Gesicht, auf das sich mehr Erstaunen drängte, als es fassen wollte, während Ohlerich die Farbe wechselte, und Julius endlich in ein verlegenes, lautes Lachen ausbrach. Hatt' ich nicht Recht, Ohlerich, rief er aus, dich hereinzuschleppen? Hatt' ich nicht Recht? — Plötzlich aber besann er sich, wie es hier noch stand, glaubte sehr zur Unzeit gelacht zu haben und ward feuerroth. Guten Tag, Liesbeth! stammelte er, mit einem Blick auf Ohlerich's ernstes Gesicht. Ich will — — ich will etwas zu essen bestellen! — Das ist gut! Das wird das Beste sein! setzte er hinzu, indem er seinen stillen Gedankengang verrieth. Niemand antwortete ihm etwas. Er nahm seinen Strohhut wieder auf, den er hingelegt hatte, suchte die Thür nach der Küche und ging schweigend hinaus. Die beiden Eheleute sahen sich allein. Guten Tag, Ohlerich! sagte Liesbeth nach einer Weile, mehr erstaunt als beklommen. Ich höre ja, daß ihr euch duzt! Ja, wir duzen uns, entgegnete Ohlerich sanft. Daß ihr heut Nacht bei Rostocker Weißbier Brüderschaft mit einander getrunken habt! Ja; da hast du ganz richtig gehört, Liesbeth: das ist geschehen. Warum sollten wir Beide auch nicht Brüderschaft trinken? Das kommt zwischen Mannsleuten vor, wenn sie lustig sind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:21:33Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/62
Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/62>, abgerufen am 04.12.2024.