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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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duftige Gebäude als Krone überragte, als der Bediente eintrat und mit stark deutscher Beimischung den echt aristokratisch französischen Namen des "Herrn Marquis de Chanteloup" anmeldete.

Die Gräfin stieß einen kleinen Schrei der Überraschung aus, und die niedliche Scheere entsank ihrer Hand. Der Marquis trat ein, und erst, nachdem er sich vor den Männern verbeugt, suchte sein scheuer Blick die Frau des Hauses, die mit erneuertem Eifer über ihre Blumen gebückt, seinen Eintritt nicht zu gewahren schien. Mit einer gewissen Unschlüssigkeit trat er ihr einen Schritt naher, da wandte sie ihm den rosig angehauchten Kopf mit einem so holdseligen, frohen, halb verschämten Lächeln zu, das ihm das Herz vor tief überraschter Wonne stille stand.

Mit den besten Vorsätzen war er gekommen, diese wahnsinnige, wider alle Vernunft und alles Recht streitende Liebe zu besiegen um jeden Preis.

Der Todtestag seiner Mutter war wiedergekehrt, und diese für ihn so heilige Erinnerung an sie hob sich wie eine reine Leuchte über die wilde Flut seiner Leidenschaft. Was seine Mutter von ihm verlangen würde, konnte darüber wohl ein Zweifel ihn ihm sein? Je tiefer er sich in ihr Andenken versenkte, desto klarer und unwidersprechlicher erschien ihm seine Pflicht, desto mehr regte sich auch in ihm der Wille, dieser Pflicht gewachsen zu sein. Er wollte die Stadt verlassen, seine Stelle aufgeben und in irgend einem unbekannten Winkel fern von Allem, was ihn hier so lockend umgab, sein Brod, wenn es sein mußte, mit seiner Hände Arbeit verdienen und auf diese Weise für die unwillkürliche Verirrung Buse thun. Das diese schönen Vorsatze ihm gekommen, nachdem er sich durch reifliches Nachdenken überzeugt, Leonie habe ihm gegenüber ganz unbefangen nur die Pflicht eines guten Herzens erfüllt und von seinen eigenen sündigen Gefühlen eben so wenig eine Ahnung, wie ein unschuldiges Kind, das machte

duftige Gebäude als Krone überragte, als der Bediente eintrat und mit stark deutscher Beimischung den echt aristokratisch französischen Namen des „Herrn Marquis de Chanteloup“ anmeldete.

Die Gräfin stieß einen kleinen Schrei der Überraschung aus, und die niedliche Scheere entsank ihrer Hand. Der Marquis trat ein, und erst, nachdem er sich vor den Männern verbeugt, suchte sein scheuer Blick die Frau des Hauses, die mit erneuertem Eifer über ihre Blumen gebückt, seinen Eintritt nicht zu gewahren schien. Mit einer gewissen Unschlüssigkeit trat er ihr einen Schritt naher, da wandte sie ihm den rosig angehauchten Kopf mit einem so holdseligen, frohen, halb verschämten Lächeln zu, das ihm das Herz vor tief überraschter Wonne stille stand.

Mit den besten Vorsätzen war er gekommen, diese wahnsinnige, wider alle Vernunft und alles Recht streitende Liebe zu besiegen um jeden Preis.

Der Todtestag seiner Mutter war wiedergekehrt, und diese für ihn so heilige Erinnerung an sie hob sich wie eine reine Leuchte über die wilde Flut seiner Leidenschaft. Was seine Mutter von ihm verlangen würde, konnte darüber wohl ein Zweifel ihn ihm sein? Je tiefer er sich in ihr Andenken versenkte, desto klarer und unwidersprechlicher erschien ihm seine Pflicht, desto mehr regte sich auch in ihm der Wille, dieser Pflicht gewachsen zu sein. Er wollte die Stadt verlassen, seine Stelle aufgeben und in irgend einem unbekannten Winkel fern von Allem, was ihn hier so lockend umgab, sein Brod, wenn es sein mußte, mit seiner Hände Arbeit verdienen und auf diese Weise für die unwillkürliche Verirrung Buse thun. Das diese schönen Vorsatze ihm gekommen, nachdem er sich durch reifliches Nachdenken überzeugt, Leonie habe ihm gegenüber ganz unbefangen nur die Pflicht eines guten Herzens erfüllt und von seinen eigenen sündigen Gefühlen eben so wenig eine Ahnung, wie ein unschuldiges Kind, das machte

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[0107] duftige Gebäude als Krone überragte, als der Bediente eintrat und mit stark deutscher Beimischung den echt aristokratisch französischen Namen des „Herrn Marquis de Chanteloup“ anmeldete. Die Gräfin stieß einen kleinen Schrei der Überraschung aus, und die niedliche Scheere entsank ihrer Hand. Der Marquis trat ein, und erst, nachdem er sich vor den Männern verbeugt, suchte sein scheuer Blick die Frau des Hauses, die mit erneuertem Eifer über ihre Blumen gebückt, seinen Eintritt nicht zu gewahren schien. Mit einer gewissen Unschlüssigkeit trat er ihr einen Schritt naher, da wandte sie ihm den rosig angehauchten Kopf mit einem so holdseligen, frohen, halb verschämten Lächeln zu, das ihm das Herz vor tief überraschter Wonne stille stand. Mit den besten Vorsätzen war er gekommen, diese wahnsinnige, wider alle Vernunft und alles Recht streitende Liebe zu besiegen um jeden Preis. Der Todtestag seiner Mutter war wiedergekehrt, und diese für ihn so heilige Erinnerung an sie hob sich wie eine reine Leuchte über die wilde Flut seiner Leidenschaft. Was seine Mutter von ihm verlangen würde, konnte darüber wohl ein Zweifel ihn ihm sein? Je tiefer er sich in ihr Andenken versenkte, desto klarer und unwidersprechlicher erschien ihm seine Pflicht, desto mehr regte sich auch in ihm der Wille, dieser Pflicht gewachsen zu sein. Er wollte die Stadt verlassen, seine Stelle aufgeben und in irgend einem unbekannten Winkel fern von Allem, was ihn hier so lockend umgab, sein Brod, wenn es sein mußte, mit seiner Hände Arbeit verdienen und auf diese Weise für die unwillkürliche Verirrung Buse thun. Das diese schönen Vorsatze ihm gekommen, nachdem er sich durch reifliches Nachdenken überzeugt, Leonie habe ihm gegenüber ganz unbefangen nur die Pflicht eines guten Herzens erfüllt und von seinen eigenen sündigen Gefühlen eben so wenig eine Ahnung, wie ein unschuldiges Kind, das machte

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/107>, abgerufen am 26.11.2024.