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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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gegen sie war aufmerksam, so aufmerksam hatte sie ihn nie gesehen. Hatte er damals nur aus allgemeiner Überzeugung gesprochen, oder war sein Verdacht wirklich geweckt? Sie konnte daraus nicht klug werden; -- weder in Wort noch in Blick hatte er auf das gehabte Gespräch angespielt. Der Marquis wurde fast nicht erwähnt.

Louis kam selten, an ein Gespräch unter vier Augen war nicht zu denken, er fand die Gräfin keinen Augenblick allein. So konnte nun freilich der Fluchtplan nicht weiter besprochen werden, aber es entstand eine andere Gefahr. Er schrieb, durch Noten und Bücher ging der Verkehr; Leonie hatte weder den Muth zu antworten, noch sie zurückzuweisen, und immer schwebte sie über dem Abgrunde der höchsten Gefahr. Ein Blick, ein Lächeln reichte nicht mehr hin, ihn zu beschwichtigen, er wurde dringender mit jedem verfließenden Tag, und selbst eine Thräne, die er dem verschleierten Auge wie eine verstohlene Bitte um Schonung entschlüpfen sah, machte ihn zwar verstummen, aber vermehrte nur seine innere Aufregung. Wo er sie sah, sah er ihren Mann oder ihren Vater neben ihr. Ein böser Argwohn belastete seine Seele, das Glück, das ihm so nahe geschienen, wich wie ein Schatten unter seiner Hand. Er dachte, Leonie ziehe sich vor ihm zurück, und sein Verstummen war nur die Ruhe, die dem Ausbruche vorhergeht. -- Alles war zwischen ihnen anders geworden. Das Senfkorn des Mißtrauens, von der Leidenschaft so lange erstickt, fing an zu keimen und langsam die ersten giftigen Blättchen zu treiben.

Er glaubte ihr nicht mehr, und jetzt sagte er es sich auch.

Sie hoffte von einem Tage auf den andern. Das Frühjahr war angebrochen, ihren Mann hielten Geschäfte in der Stadt zurück, aber auch ihr Vater traf keine Anstalten, auf das Land zu gehen.

gegen sie war aufmerksam, so aufmerksam hatte sie ihn nie gesehen. Hatte er damals nur aus allgemeiner Überzeugung gesprochen, oder war sein Verdacht wirklich geweckt? Sie konnte daraus nicht klug werden; — weder in Wort noch in Blick hatte er auf das gehabte Gespräch angespielt. Der Marquis wurde fast nicht erwähnt.

Louis kam selten, an ein Gespräch unter vier Augen war nicht zu denken, er fand die Gräfin keinen Augenblick allein. So konnte nun freilich der Fluchtplan nicht weiter besprochen werden, aber es entstand eine andere Gefahr. Er schrieb, durch Noten und Bücher ging der Verkehr; Leonie hatte weder den Muth zu antworten, noch sie zurückzuweisen, und immer schwebte sie über dem Abgrunde der höchsten Gefahr. Ein Blick, ein Lächeln reichte nicht mehr hin, ihn zu beschwichtigen, er wurde dringender mit jedem verfließenden Tag, und selbst eine Thräne, die er dem verschleierten Auge wie eine verstohlene Bitte um Schonung entschlüpfen sah, machte ihn zwar verstummen, aber vermehrte nur seine innere Aufregung. Wo er sie sah, sah er ihren Mann oder ihren Vater neben ihr. Ein böser Argwohn belastete seine Seele, das Glück, das ihm so nahe geschienen, wich wie ein Schatten unter seiner Hand. Er dachte, Leonie ziehe sich vor ihm zurück, und sein Verstummen war nur die Ruhe, die dem Ausbruche vorhergeht. — Alles war zwischen ihnen anders geworden. Das Senfkorn des Mißtrauens, von der Leidenschaft so lange erstickt, fing an zu keimen und langsam die ersten giftigen Blättchen zu treiben.

Er glaubte ihr nicht mehr, und jetzt sagte er es sich auch.

Sie hoffte von einem Tage auf den andern. Das Frühjahr war angebrochen, ihren Mann hielten Geschäfte in der Stadt zurück, aber auch ihr Vater traf keine Anstalten, auf das Land zu gehen.

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[0166] gegen sie war aufmerksam, so aufmerksam hatte sie ihn nie gesehen. Hatte er damals nur aus allgemeiner Überzeugung gesprochen, oder war sein Verdacht wirklich geweckt? Sie konnte daraus nicht klug werden; — weder in Wort noch in Blick hatte er auf das gehabte Gespräch angespielt. Der Marquis wurde fast nicht erwähnt. Louis kam selten, an ein Gespräch unter vier Augen war nicht zu denken, er fand die Gräfin keinen Augenblick allein. So konnte nun freilich der Fluchtplan nicht weiter besprochen werden, aber es entstand eine andere Gefahr. Er schrieb, durch Noten und Bücher ging der Verkehr; Leonie hatte weder den Muth zu antworten, noch sie zurückzuweisen, und immer schwebte sie über dem Abgrunde der höchsten Gefahr. Ein Blick, ein Lächeln reichte nicht mehr hin, ihn zu beschwichtigen, er wurde dringender mit jedem verfließenden Tag, und selbst eine Thräne, die er dem verschleierten Auge wie eine verstohlene Bitte um Schonung entschlüpfen sah, machte ihn zwar verstummen, aber vermehrte nur seine innere Aufregung. Wo er sie sah, sah er ihren Mann oder ihren Vater neben ihr. Ein böser Argwohn belastete seine Seele, das Glück, das ihm so nahe geschienen, wich wie ein Schatten unter seiner Hand. Er dachte, Leonie ziehe sich vor ihm zurück, und sein Verstummen war nur die Ruhe, die dem Ausbruche vorhergeht. — Alles war zwischen ihnen anders geworden. Das Senfkorn des Mißtrauens, von der Leidenschaft so lange erstickt, fing an zu keimen und langsam die ersten giftigen Blättchen zu treiben. Er glaubte ihr nicht mehr, und jetzt sagte er es sich auch. Sie hoffte von einem Tage auf den andern. Das Frühjahr war angebrochen, ihren Mann hielten Geschäfte in der Stadt zurück, aber auch ihr Vater traf keine Anstalten, auf das Land zu gehen.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/166>, abgerufen am 24.11.2024.