Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wies ihn dieser zurück. Sie sind ohne Waffen, sagte er, und Sie sehen, hier klopfte er leicht auf den Deckel des Kästchens, das neben ihm stand, ich habe für Alles gesorgt. Sie wollen mich ermorden? frug der junge Mann bitter. Und wenn ich es thue, wer wird es mir wehren? antwortete der Graf mit höhnischen Ton. Wie ein Dieb und Räuber sind Sie in mein Haus eingedrungen im Dunkel der Nacht, und wenn ich Sie wie einen Dieb und Räuber erschieße, wer wird sagen, daß Sie es nicht sind? Ist der Mann, der die Ehre meines Hauses suhlt, kein Dieb? -- Aber dazu ist es später auch noch Zeit. Wie gesagt, ich kannte Ihren Herrn Vater in Paris, wo mich Baron Lohenstein ihm vorstellte. Es war kurze Zeit, bevor Ihre Mutter Paris mit Ihnen verließ. Ich selbst habe eine stürmische Jugend verlebt, Herr Marquis, und sah in den Sünden ihres Vaters nichts Anderes, als das gewöhnliche Vorrecht, welches Adel und Reichthum verleihen. Genug, wir wurden unzertrennliche Freunde. Aber der Strudel, in dem Ihr Vater lustig forttrieb, verlor sehr bald seine Reize für mich. Ich ermüdete in diesem Wettlauf jugendlicher Thorheiten und sehnte mich nach einem ruhigeren Glück. Da lernte ich ein Mädchen kennen, das alle meine Träume künftiger Seligkeit zu verwirklichen versprach. Hier wandte der Graf sich nach Leonie um, die vor diesem Blick sich noch tiefer in die Kissen des Ruhebettes vergrub. Die Schönheit der Tochter hat Eindruck auf Sie gemacht, Herr Marquis, sagte er dann; in meinen Augen übertraf die Mutter sie hundert Mal -- freilich, setzte er mit bitterer Ironie hinzu, bin ich in die Tochter nicht verliebt. Das Mädchen war arm; eine solche Kleinigkeit übte indessen keinen Einfluß auf mich aus; ich bot ihr wies ihn dieser zurück. Sie sind ohne Waffen, sagte er, und Sie sehen, hier klopfte er leicht auf den Deckel des Kästchens, das neben ihm stand, ich habe für Alles gesorgt. Sie wollen mich ermorden? frug der junge Mann bitter. Und wenn ich es thue, wer wird es mir wehren? antwortete der Graf mit höhnischen Ton. Wie ein Dieb und Räuber sind Sie in mein Haus eingedrungen im Dunkel der Nacht, und wenn ich Sie wie einen Dieb und Räuber erschieße, wer wird sagen, daß Sie es nicht sind? Ist der Mann, der die Ehre meines Hauses suhlt, kein Dieb? — Aber dazu ist es später auch noch Zeit. Wie gesagt, ich kannte Ihren Herrn Vater in Paris, wo mich Baron Lohenstein ihm vorstellte. Es war kurze Zeit, bevor Ihre Mutter Paris mit Ihnen verließ. Ich selbst habe eine stürmische Jugend verlebt, Herr Marquis, und sah in den Sünden ihres Vaters nichts Anderes, als das gewöhnliche Vorrecht, welches Adel und Reichthum verleihen. Genug, wir wurden unzertrennliche Freunde. Aber der Strudel, in dem Ihr Vater lustig forttrieb, verlor sehr bald seine Reize für mich. Ich ermüdete in diesem Wettlauf jugendlicher Thorheiten und sehnte mich nach einem ruhigeren Glück. Da lernte ich ein Mädchen kennen, das alle meine Träume künftiger Seligkeit zu verwirklichen versprach. Hier wandte der Graf sich nach Leonie um, die vor diesem Blick sich noch tiefer in die Kissen des Ruhebettes vergrub. Die Schönheit der Tochter hat Eindruck auf Sie gemacht, Herr Marquis, sagte er dann; in meinen Augen übertraf die Mutter sie hundert Mal — freilich, setzte er mit bitterer Ironie hinzu, bin ich in die Tochter nicht verliebt. Das Mädchen war arm; eine solche Kleinigkeit übte indessen keinen Einfluß auf mich aus; ich bot ihr <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0195"/> wies ihn dieser zurück. Sie sind ohne Waffen, sagte er, und Sie sehen, hier klopfte er leicht auf den Deckel des Kästchens, das neben ihm stand, ich habe für Alles gesorgt.</p><lb/> <p>Sie wollen mich ermorden? frug der junge Mann bitter.</p><lb/> <p>Und wenn ich es thue, wer wird es mir wehren? antwortete der Graf mit höhnischen Ton. Wie ein Dieb und Räuber sind Sie in mein Haus eingedrungen im Dunkel der Nacht, und wenn ich Sie wie einen Dieb und Räuber erschieße, wer wird sagen, daß Sie es nicht sind? Ist der Mann, der die Ehre meines Hauses suhlt, kein Dieb? — Aber dazu ist es später auch noch Zeit.</p><lb/> <p>Wie gesagt, ich kannte Ihren Herrn Vater in Paris, wo mich Baron Lohenstein ihm vorstellte. Es war kurze Zeit, bevor Ihre Mutter Paris mit Ihnen verließ. Ich selbst habe eine stürmische Jugend verlebt, Herr Marquis, und sah in den Sünden ihres Vaters nichts Anderes, als das gewöhnliche Vorrecht, welches Adel und Reichthum verleihen. Genug, wir wurden unzertrennliche Freunde. Aber der Strudel, in dem Ihr Vater lustig forttrieb, verlor sehr bald seine Reize für mich. Ich ermüdete in diesem Wettlauf jugendlicher Thorheiten und sehnte mich nach einem ruhigeren Glück. Da lernte ich ein Mädchen kennen, das alle meine Träume künftiger Seligkeit zu verwirklichen versprach.</p><lb/> <p>Hier wandte der Graf sich nach Leonie um, die vor diesem Blick sich noch tiefer in die Kissen des Ruhebettes vergrub.</p><lb/> <p>Die Schönheit der Tochter hat Eindruck auf Sie gemacht, Herr Marquis, sagte er dann; in meinen Augen übertraf die Mutter sie hundert Mal — freilich, setzte er mit bitterer Ironie hinzu, bin ich in die Tochter nicht verliebt.</p><lb/> <p>Das Mädchen war arm; eine solche Kleinigkeit übte indessen keinen Einfluß auf mich aus; ich bot ihr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
wies ihn dieser zurück. Sie sind ohne Waffen, sagte er, und Sie sehen, hier klopfte er leicht auf den Deckel des Kästchens, das neben ihm stand, ich habe für Alles gesorgt.
Sie wollen mich ermorden? frug der junge Mann bitter.
Und wenn ich es thue, wer wird es mir wehren? antwortete der Graf mit höhnischen Ton. Wie ein Dieb und Räuber sind Sie in mein Haus eingedrungen im Dunkel der Nacht, und wenn ich Sie wie einen Dieb und Räuber erschieße, wer wird sagen, daß Sie es nicht sind? Ist der Mann, der die Ehre meines Hauses suhlt, kein Dieb? — Aber dazu ist es später auch noch Zeit.
Wie gesagt, ich kannte Ihren Herrn Vater in Paris, wo mich Baron Lohenstein ihm vorstellte. Es war kurze Zeit, bevor Ihre Mutter Paris mit Ihnen verließ. Ich selbst habe eine stürmische Jugend verlebt, Herr Marquis, und sah in den Sünden ihres Vaters nichts Anderes, als das gewöhnliche Vorrecht, welches Adel und Reichthum verleihen. Genug, wir wurden unzertrennliche Freunde. Aber der Strudel, in dem Ihr Vater lustig forttrieb, verlor sehr bald seine Reize für mich. Ich ermüdete in diesem Wettlauf jugendlicher Thorheiten und sehnte mich nach einem ruhigeren Glück. Da lernte ich ein Mädchen kennen, das alle meine Träume künftiger Seligkeit zu verwirklichen versprach.
Hier wandte der Graf sich nach Leonie um, die vor diesem Blick sich noch tiefer in die Kissen des Ruhebettes vergrub.
Die Schönheit der Tochter hat Eindruck auf Sie gemacht, Herr Marquis, sagte er dann; in meinen Augen übertraf die Mutter sie hundert Mal — freilich, setzte er mit bitterer Ironie hinzu, bin ich in die Tochter nicht verliebt.
Das Mädchen war arm; eine solche Kleinigkeit übte indessen keinen Einfluß auf mich aus; ich bot ihr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/195 |
Zitationshilfe: | Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/195>, abgerufen am 16.02.2025. |