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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hüllte sich fröstelnd in einen Mantel. Solche Nachtwachen vergißt man in seinem Leben nicht.

Die Baronin that indessen auch ihre Schuldigkeit. Sie war die Ruhigste von Allen und hatte einen harten Stand gegen ihren Mann, dem Alles in dem schwärzesten Lichte erschien. Mit kluger Vorsicht, fast wie unbewußt, wußte sie ihres Mannes Geist darauf zurückzuleiten, auch sie habe zu verzeihen gehabt, und eine vernünftige Frau mache sich wenig aus solchen kleinen Verirrungen der Phantasie, wenn nur der Mann übrigens brav und ihr ergeben sei. Damit nahm sie den halben Zorn oder wenigstens dessen Berechtigung leise weg aus seiner aufgeregten Brust. Sie erinnerte ihn daran, welche endliche Anhänglichkeit der junge Marquis für ihn stets an den Tag gelegt, wie rein und offen sein Gemüth, und wußte alle Widersprüche seines Benehmens aus dem harten Kampf zu erklären, den er in der letzten Zeit mit sich gekämpft. Sie hatte eigentlich nie so recht ihres Mannes Begeisterung für die Gräfin getheilt, nun aber war sie es, die eine Entschuldigung um die andere für sie fand.

Selbst im schlimmsten Falle, setzte sie hinzu, mußt du bedenken, daß er keine Hoffnung hat, und das Mariens Glück nun einmal an ihn gebunden ist. Und dann, wie redet man nicht von einem Mädchen, dessen Verlobung zurückgegangen ist! -- Das war das rechte Wort.

Als der Baron eingeschlafen war, schlich sie sich hinaus. -- Es wird wohl Alles gut werden, sagte sie zu ihrer Tochter, die sie noch wach und angekleidet fand. Morgen wird der Vater gewiß zu Louis gehen. Sie küsste mit einer unbezwinglichen Rührung des Mädchens bleiche Stirn und wollte fort, aber ein bittender Händedruck Mariens hielt sie zurück. Sie blieb stehen, schien einen Augenblick zu schwanken und sah das Mädchen mit einem unschlüssigen Blicke an.

Wir wissen eigentlich gar nichts, sagte sie dann. Der Vater bildet sich ein, Louis habe eine andere

hüllte sich fröstelnd in einen Mantel. Solche Nachtwachen vergißt man in seinem Leben nicht.

Die Baronin that indessen auch ihre Schuldigkeit. Sie war die Ruhigste von Allen und hatte einen harten Stand gegen ihren Mann, dem Alles in dem schwärzesten Lichte erschien. Mit kluger Vorsicht, fast wie unbewußt, wußte sie ihres Mannes Geist darauf zurückzuleiten, auch sie habe zu verzeihen gehabt, und eine vernünftige Frau mache sich wenig aus solchen kleinen Verirrungen der Phantasie, wenn nur der Mann übrigens brav und ihr ergeben sei. Damit nahm sie den halben Zorn oder wenigstens dessen Berechtigung leise weg aus seiner aufgeregten Brust. Sie erinnerte ihn daran, welche endliche Anhänglichkeit der junge Marquis für ihn stets an den Tag gelegt, wie rein und offen sein Gemüth, und wußte alle Widersprüche seines Benehmens aus dem harten Kampf zu erklären, den er in der letzten Zeit mit sich gekämpft. Sie hatte eigentlich nie so recht ihres Mannes Begeisterung für die Gräfin getheilt, nun aber war sie es, die eine Entschuldigung um die andere für sie fand.

Selbst im schlimmsten Falle, setzte sie hinzu, mußt du bedenken, daß er keine Hoffnung hat, und das Mariens Glück nun einmal an ihn gebunden ist. Und dann, wie redet man nicht von einem Mädchen, dessen Verlobung zurückgegangen ist! — Das war das rechte Wort.

Als der Baron eingeschlafen war, schlich sie sich hinaus. — Es wird wohl Alles gut werden, sagte sie zu ihrer Tochter, die sie noch wach und angekleidet fand. Morgen wird der Vater gewiß zu Louis gehen. Sie küsste mit einer unbezwinglichen Rührung des Mädchens bleiche Stirn und wollte fort, aber ein bittender Händedruck Mariens hielt sie zurück. Sie blieb stehen, schien einen Augenblick zu schwanken und sah das Mädchen mit einem unschlüssigen Blicke an.

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[0096] hüllte sich fröstelnd in einen Mantel. Solche Nachtwachen vergißt man in seinem Leben nicht. Die Baronin that indessen auch ihre Schuldigkeit. Sie war die Ruhigste von Allen und hatte einen harten Stand gegen ihren Mann, dem Alles in dem schwärzesten Lichte erschien. Mit kluger Vorsicht, fast wie unbewußt, wußte sie ihres Mannes Geist darauf zurückzuleiten, auch sie habe zu verzeihen gehabt, und eine vernünftige Frau mache sich wenig aus solchen kleinen Verirrungen der Phantasie, wenn nur der Mann übrigens brav und ihr ergeben sei. Damit nahm sie den halben Zorn oder wenigstens dessen Berechtigung leise weg aus seiner aufgeregten Brust. Sie erinnerte ihn daran, welche endliche Anhänglichkeit der junge Marquis für ihn stets an den Tag gelegt, wie rein und offen sein Gemüth, und wußte alle Widersprüche seines Benehmens aus dem harten Kampf zu erklären, den er in der letzten Zeit mit sich gekämpft. Sie hatte eigentlich nie so recht ihres Mannes Begeisterung für die Gräfin getheilt, nun aber war sie es, die eine Entschuldigung um die andere für sie fand. Selbst im schlimmsten Falle, setzte sie hinzu, mußt du bedenken, daß er keine Hoffnung hat, und das Mariens Glück nun einmal an ihn gebunden ist. Und dann, wie redet man nicht von einem Mädchen, dessen Verlobung zurückgegangen ist! — Das war das rechte Wort. Als der Baron eingeschlafen war, schlich sie sich hinaus. — Es wird wohl Alles gut werden, sagte sie zu ihrer Tochter, die sie noch wach und angekleidet fand. Morgen wird der Vater gewiß zu Louis gehen. Sie küsste mit einer unbezwinglichen Rührung des Mädchens bleiche Stirn und wollte fort, aber ein bittender Händedruck Mariens hielt sie zurück. Sie blieb stehen, schien einen Augenblick zu schwanken und sah das Mädchen mit einem unschlüssigen Blicke an. Wir wissen eigentlich gar nichts, sagte sie dann. Der Vater bildet sich ein, Louis habe eine andere

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/96>, abgerufen am 27.11.2024.