Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Kunst unter den Aegyptern etc.
für eine Arbeit gehalten wird, welche zu Rom gemacht worden. Dieses
Vorgeben aber scheinet keinen Grund zu haben, und ist nur zum Behuf
seiner Meynung angenommen. Ich habe die Tafel selbst nicht untersuchen
können; die Hieroglyphen aber auf derselben, die sich an keinen von den
Römern nachgemachten Werken finden, geben einen Grund zur Behaup-
tung des Alterthums derselben, und zur Widerlegung jener Meynung.

Nebst den angeführten Statuen und erhobenen Werken gehören hier-
her die Canopi in Stein, welche sich erhalten haben, und geschnittene
Steine mit Aegyptischen Figuren und Zeichen. Von den Canopen späte-
rer Zeiten, besitzet der Herr Card. Alex. Albani die zween schönsten, in grü-
nem Basalt, von welchen der beste 1) bereits bekannt gemacht ist; ein an-
derer ähnlicher Canopus aus eben dem Steine, stehet im Campidoglio, und
ist, wie jene, in der Villa Hadriani zu Tivoli gefunden. Die Zeichnung
und Form der Figuren auf denselben, und sonderlich des Kopfs, lassen kei-
nen Zweifel über die Zeit, in welcher sie gemachet worden. Unter den
geschnittenen Steinen sind alle diejenigen Scarabei, deren erhobene runde
Seite einen Käfer, die flache aber eine Aegyptische Gottheit vorstellet, von
späteren Zeiten. Die Scribenten, welche dergleichen Steine 2) für sehr
alt halten, haben kein anderes Kennzeichen vom hohen Alterthume, als
die Ungeschicklichkeit, und von Aegyptischer Arbeit gar keins. Ferner sind
alle geschnittene Steine mit Figuren oder Köpfen des Serapis und Anu-
bis von der Römer Zeit. Serapis hat nichs Aegyptisches, und man sagt
auch, daß der Dienst dieser Gottheit aus Thracien gekommen, und aller-
erst 3) durch den ersten Ptolemäus in Aegypten eingeführet worden. Von
Steinen mit dem Anubis sind funfzehen in dem Stoßischen Museo, und
alle von späterer Zeit. Die geschnittenen Steine, welche man Abraxas

nennet,
1) Monum. a Borion. collect. n. 3.
2) Natter Pier. grav. fig. 3.
3) Macrob. Saturn. L. 1. c. 7. p. 179. conf. Huet. Dem. Evang. Prop. 4. c. 7. p. 100.
H 2

Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc.
fuͤr eine Arbeit gehalten wird, welche zu Rom gemacht worden. Dieſes
Vorgeben aber ſcheinet keinen Grund zu haben, und iſt nur zum Behuf
ſeiner Meynung angenommen. Ich habe die Tafel ſelbſt nicht unterſuchen
koͤnnen; die Hieroglyphen aber auf derſelben, die ſich an keinen von den
Roͤmern nachgemachten Werken finden, geben einen Grund zur Behaup-
tung des Alterthums derſelben, und zur Widerlegung jener Meynung.

Nebſt den angefuͤhrten Statuen und erhobenen Werken gehoͤren hier-
her die Canopi in Stein, welche ſich erhalten haben, und geſchnittene
Steine mit Aegyptiſchen Figuren und Zeichen. Von den Canopen ſpaͤte-
rer Zeiten, beſitzet der Herr Card. Alex. Albani die zween ſchoͤnſten, in gruͤ-
nem Baſalt, von welchen der beſte 1) bereits bekannt gemacht iſt; ein an-
derer aͤhnlicher Canopus aus eben dem Steine, ſtehet im Campidoglio, und
iſt, wie jene, in der Villa Hadriani zu Tivoli gefunden. Die Zeichnung
und Form der Figuren auf denſelben, und ſonderlich des Kopfs, laſſen kei-
nen Zweifel uͤber die Zeit, in welcher ſie gemachet worden. Unter den
geſchnittenen Steinen ſind alle diejenigen Scarabei, deren erhobene runde
Seite einen Kaͤfer, die flache aber eine Aegyptiſche Gottheit vorſtellet, von
ſpaͤteren Zeiten. Die Scribenten, welche dergleichen Steine 2) fuͤr ſehr
alt halten, haben kein anderes Kennzeichen vom hohen Alterthume, als
die Ungeſchicklichkeit, und von Aegyptiſcher Arbeit gar keins. Ferner ſind
alle geſchnittene Steine mit Figuren oder Koͤpfen des Serapis und Anu-
bis von der Roͤmer Zeit. Serapis hat nichs Aegyptiſches, und man ſagt
auch, daß der Dienſt dieſer Gottheit aus Thracien gekommen, und aller-
erſt 3) durch den erſten Ptolemaͤus in Aegypten eingefuͤhret worden. Von
Steinen mit dem Anubis ſind funfzehen in dem Stoßiſchen Muſeo, und
alle von ſpaͤterer Zeit. Die geſchnittenen Steine, welche man Abraxas

nennet,
1) Monum. a Borion. collect. n. 3.
2) Natter Pier. grav. fig. 3.
3) Macrob. Saturn. L. 1. c. 7. p. 179. conf. Huet. Dem. Evang. Prop. 4. c. 7. p. 100.
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0109" n="59"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Kun&#x017F;t unter den Aegyptern &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
fu&#x0364;r eine Arbeit gehalten wird, welche zu Rom gemacht worden. Die&#x017F;es<lb/>
Vorgeben aber &#x017F;cheinet keinen Grund zu haben, und i&#x017F;t nur zum Behuf<lb/>
&#x017F;einer Meynung angenommen. Ich habe die Tafel &#x017F;elb&#x017F;t nicht unter&#x017F;uchen<lb/>
ko&#x0364;nnen; die Hieroglyphen aber auf der&#x017F;elben, die &#x017F;ich an keinen von den<lb/>
Ro&#x0364;mern nachgemachten Werken finden, geben einen Grund zur Behaup-<lb/>
tung des Alterthums der&#x017F;elben, und zur Widerlegung jener Meynung.</p><lb/>
              <p>Neb&#x017F;t den angefu&#x0364;hrten Statuen und erhobenen Werken geho&#x0364;ren hier-<lb/>
her die Canopi in Stein, welche &#x017F;ich erhalten haben, und ge&#x017F;chnittene<lb/>
Steine mit Aegypti&#x017F;chen Figuren und Zeichen. Von den Canopen &#x017F;pa&#x0364;te-<lb/>
rer Zeiten, be&#x017F;itzet der Herr Card. Alex. Albani die zween &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten, in gru&#x0364;-<lb/>
nem Ba&#x017F;alt, von welchen der be&#x017F;te <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Monum. a Borion. collect. n. 3.</hi></note> bereits bekannt gemacht i&#x017F;t; ein an-<lb/>
derer a&#x0364;hnlicher Canopus aus eben dem Steine, &#x017F;tehet im Campidoglio, und<lb/>
i&#x017F;t, wie jene, in der Villa Hadriani zu Tivoli gefunden. Die Zeichnung<lb/>
und Form der Figuren auf den&#x017F;elben, und &#x017F;onderlich des Kopfs, la&#x017F;&#x017F;en kei-<lb/>
nen Zweifel u&#x0364;ber die Zeit, in welcher &#x017F;ie gemachet worden. Unter den<lb/>
ge&#x017F;chnittenen Steinen &#x017F;ind alle diejenigen <hi rendition="#fr">Scarabei</hi>, deren erhobene runde<lb/>
Seite einen Ka&#x0364;fer, die flache aber eine Aegypti&#x017F;che Gottheit vor&#x017F;tellet, von<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;teren Zeiten. Die Scribenten, welche dergleichen Steine <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Natter Pier. grav. fig. 3.</hi></note> fu&#x0364;r &#x017F;ehr<lb/>
alt halten, haben kein anderes Kennzeichen vom hohen Alterthume, als<lb/>
die Unge&#x017F;chicklichkeit, und von Aegypti&#x017F;cher Arbeit gar keins. Ferner &#x017F;ind<lb/>
alle ge&#x017F;chnittene Steine mit Figuren oder Ko&#x0364;pfen des Serapis und Anu-<lb/>
bis von der Ro&#x0364;mer Zeit. Serapis hat nichs Aegypti&#x017F;ches, und man &#x017F;agt<lb/>
auch, daß der Dien&#x017F;t die&#x017F;er Gottheit aus Thracien gekommen, und aller-<lb/>
er&#x017F;t <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Macrob. Saturn. L. 1. c. 7. p. 179. conf. Huet. Dem. Evang. Prop. 4. c. 7. p. 100.</hi></note> durch den er&#x017F;ten Ptolema&#x0364;us in Aegypten eingefu&#x0364;hret worden. Von<lb/>
Steinen mit dem Anubis &#x017F;ind funfzehen in dem Stoßi&#x017F;chen Mu&#x017F;eo, und<lb/>
alle von &#x017F;pa&#x0364;terer Zeit. Die ge&#x017F;chnittenen Steine, welche man Abraxas<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nennet,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0109] Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc. fuͤr eine Arbeit gehalten wird, welche zu Rom gemacht worden. Dieſes Vorgeben aber ſcheinet keinen Grund zu haben, und iſt nur zum Behuf ſeiner Meynung angenommen. Ich habe die Tafel ſelbſt nicht unterſuchen koͤnnen; die Hieroglyphen aber auf derſelben, die ſich an keinen von den Roͤmern nachgemachten Werken finden, geben einen Grund zur Behaup- tung des Alterthums derſelben, und zur Widerlegung jener Meynung. Nebſt den angefuͤhrten Statuen und erhobenen Werken gehoͤren hier- her die Canopi in Stein, welche ſich erhalten haben, und geſchnittene Steine mit Aegyptiſchen Figuren und Zeichen. Von den Canopen ſpaͤte- rer Zeiten, beſitzet der Herr Card. Alex. Albani die zween ſchoͤnſten, in gruͤ- nem Baſalt, von welchen der beſte 1) bereits bekannt gemacht iſt; ein an- derer aͤhnlicher Canopus aus eben dem Steine, ſtehet im Campidoglio, und iſt, wie jene, in der Villa Hadriani zu Tivoli gefunden. Die Zeichnung und Form der Figuren auf denſelben, und ſonderlich des Kopfs, laſſen kei- nen Zweifel uͤber die Zeit, in welcher ſie gemachet worden. Unter den geſchnittenen Steinen ſind alle diejenigen Scarabei, deren erhobene runde Seite einen Kaͤfer, die flache aber eine Aegyptiſche Gottheit vorſtellet, von ſpaͤteren Zeiten. Die Scribenten, welche dergleichen Steine 2) fuͤr ſehr alt halten, haben kein anderes Kennzeichen vom hohen Alterthume, als die Ungeſchicklichkeit, und von Aegyptiſcher Arbeit gar keins. Ferner ſind alle geſchnittene Steine mit Figuren oder Koͤpfen des Serapis und Anu- bis von der Roͤmer Zeit. Serapis hat nichs Aegyptiſches, und man ſagt auch, daß der Dienſt dieſer Gottheit aus Thracien gekommen, und aller- erſt 3) durch den erſten Ptolemaͤus in Aegypten eingefuͤhret worden. Von Steinen mit dem Anubis ſind funfzehen in dem Stoßiſchen Muſeo, und alle von ſpaͤterer Zeit. Die geſchnittenen Steine, welche man Abraxas nennet, 1) Monum. a Borion. collect. n. 3. 2) Natter Pier. grav. fig. 3. 3) Macrob. Saturn. L. 1. c. 7. p. 179. conf. Huet. Dem. Evang. Prop. 4. c. 7. p. 100. H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/109
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/109>, abgerufen am 27.11.2024.