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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Parthern etc.
und Gestalten. Aus der Baukunst der Perser sieht man, daß sie häufige
Zierrathen liebeten, wodurch die an sich prächtigen Stücke an ihren Gebäuden
viel von ihrer Größe verliehren. Die großen Säulen zu Persepolis haben
vierzig hohle Reifen, aber nur von drey Zoll breit, da die Griechischen Säu-
len nur vier und zwanzig haben, welche aber zuweilen mehr, als eine starke
Spanne, halten. Die Reifen schienen ihren Säulen nicht Zierlichkeit genug
zu geben; sie arbeiteten über dem noch erhobene Figuren an dem Obertheile
derselben. Aus dem wenigen, was von der Kunst der alten Perser beyge-
bracht und gesaget worden, kann so viel geschlossen werden, daß für die Kunst
überhaupt nicht viel unterrichtendes würde gelehret werden können, wenn
sich auch mehrere Denkmale erhalten hätten.

In folgenden Zeiten, da in Parthien, einem Theile des ehemaligen Per-D.
Von der
Kunst bey den
Parthern.

sischen Reichs, sich Könige aufwarfen, und ein besonderes mächtiges Reich
stifteten, hatte auch die Kunst unter ihnen eine andere Gestalt bekommen.
Die Griechen, welche schon von Alexanders Zeiten so gar in Cappadocien 1)
ganze Städte bewohneten, und sich in den ältesten Zeiten 2) in Colchis nie-
dergelassen hatten, wo sie Scythische Achäer hießen, breiteten sich auch in
Parthien aus, und führeten ihre Sprache ein, so daß die Könige daselbst,
wie Orosdes, an ihrem Hofe 3) Griechische Schauspiele aufführen ließen.
Artabazes, König in Armenien, mit dessen Tochter Pacorus, des Orodes
Sohn, vermählt war, hatte so gar Griechische Trauerspiele, Geschichte und
Reden hinterlassen. Diese Neigung der Parthischen Könige gegen die Grie-
chen und gegen ihre Sprache, erstreckete sich auch auf Griechische Künstler,
und die Münzen dieser Könige mit Griechischer Schrift müssen von Künst-
lern dieser Nation gearbeitet seyn. Diese aber sind vermuthlich in diesen
Ländern erzogen und gelehret worden: denn das Gepräge dieser Münzen
hat etwas fremdes, und man kann sagen, barbarisches.

Ueber
1) Appian. Mithridat. p. 116. l. 16.
2) Ibid. p. 139. l. 25. p. 153. l. 26.
3) Id. Parth. p. 194. l. 17. seq.
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Von der Kunſt unter den Parthern ꝛc.
und Geſtalten. Aus der Baukunſt der Perſer ſieht man, daß ſie haͤufige
Zierrathen liebeten, wodurch die an ſich praͤchtigen Stuͤcke an ihren Gebaͤuden
viel von ihrer Groͤße verliehren. Die großen Saͤulen zu Perſepolis haben
vierzig hohle Reifen, aber nur von drey Zoll breit, da die Griechiſchen Saͤu-
len nur vier und zwanzig haben, welche aber zuweilen mehr, als eine ſtarke
Spanne, halten. Die Reifen ſchienen ihren Saͤulen nicht Zierlichkeit genug
zu geben; ſie arbeiteten uͤber dem noch erhobene Figuren an dem Obertheile
derſelben. Aus dem wenigen, was von der Kunſt der alten Perſer beyge-
bracht und geſaget worden, kann ſo viel geſchloſſen werden, daß fuͤr die Kunſt
uͤberhaupt nicht viel unterrichtendes wuͤrde gelehret werden koͤnnen, wenn
ſich auch mehrere Denkmale erhalten haͤtten.

In folgenden Zeiten, da in Parthien, einem Theile des ehemaligen Per-D.
Von der
Kunſt bey den
Parthern.

ſiſchen Reichs, ſich Koͤnige aufwarfen, und ein beſonderes maͤchtiges Reich
ſtifteten, hatte auch die Kunſt unter ihnen eine andere Geſtalt bekommen.
Die Griechen, welche ſchon von Alexanders Zeiten ſo gar in Cappadocien 1)
ganze Staͤdte bewohneten, und ſich in den aͤlteſten Zeiten 2) in Colchis nie-
dergelaſſen hatten, wo ſie Scythiſche Achaͤer hießen, breiteten ſich auch in
Parthien aus, und fuͤhreten ihre Sprache ein, ſo daß die Koͤnige daſelbſt,
wie Orosdes, an ihrem Hofe 3) Griechiſche Schauſpiele auffuͤhren ließen.
Artabazes, Koͤnig in Armenien, mit deſſen Tochter Pacorus, des Orodes
Sohn, vermaͤhlt war, hatte ſo gar Griechiſche Trauerſpiele, Geſchichte und
Reden hinterlaſſen. Dieſe Neigung der Parthiſchen Koͤnige gegen die Grie-
chen und gegen ihre Sprache, erſtreckete ſich auch auf Griechiſche Kuͤnſtler,
und die Muͤnzen dieſer Koͤnige mit Griechiſcher Schrift muͤſſen von Kuͤnſt-
lern dieſer Nation gearbeitet ſeyn. Dieſe aber ſind vermuthlich in dieſen
Laͤndern erzogen und gelehret worden: denn das Gepraͤge dieſer Muͤnzen
hat etwas fremdes, und man kann ſagen, barbariſches.

Ueber
1) Appian. Mithridat. p. 116. l. 16.
2) Ibid. p. 139. l. 25. p. 153. l. 26.
3) Id. Parth. p. 194. l. 17. ſeq.
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[77/0127] Von der Kunſt unter den Parthern ꝛc. und Geſtalten. Aus der Baukunſt der Perſer ſieht man, daß ſie haͤufige Zierrathen liebeten, wodurch die an ſich praͤchtigen Stuͤcke an ihren Gebaͤuden viel von ihrer Groͤße verliehren. Die großen Saͤulen zu Perſepolis haben vierzig hohle Reifen, aber nur von drey Zoll breit, da die Griechiſchen Saͤu- len nur vier und zwanzig haben, welche aber zuweilen mehr, als eine ſtarke Spanne, halten. Die Reifen ſchienen ihren Saͤulen nicht Zierlichkeit genug zu geben; ſie arbeiteten uͤber dem noch erhobene Figuren an dem Obertheile derſelben. Aus dem wenigen, was von der Kunſt der alten Perſer beyge- bracht und geſaget worden, kann ſo viel geſchloſſen werden, daß fuͤr die Kunſt uͤberhaupt nicht viel unterrichtendes wuͤrde gelehret werden koͤnnen, wenn ſich auch mehrere Denkmale erhalten haͤtten. In folgenden Zeiten, da in Parthien, einem Theile des ehemaligen Per- ſiſchen Reichs, ſich Koͤnige aufwarfen, und ein beſonderes maͤchtiges Reich ſtifteten, hatte auch die Kunſt unter ihnen eine andere Geſtalt bekommen. Die Griechen, welche ſchon von Alexanders Zeiten ſo gar in Cappadocien 1) ganze Staͤdte bewohneten, und ſich in den aͤlteſten Zeiten 2) in Colchis nie- dergelaſſen hatten, wo ſie Scythiſche Achaͤer hießen, breiteten ſich auch in Parthien aus, und fuͤhreten ihre Sprache ein, ſo daß die Koͤnige daſelbſt, wie Orosdes, an ihrem Hofe 3) Griechiſche Schauſpiele auffuͤhren ließen. Artabazes, Koͤnig in Armenien, mit deſſen Tochter Pacorus, des Orodes Sohn, vermaͤhlt war, hatte ſo gar Griechiſche Trauerſpiele, Geſchichte und Reden hinterlaſſen. Dieſe Neigung der Parthiſchen Koͤnige gegen die Grie- chen und gegen ihre Sprache, erſtreckete ſich auch auf Griechiſche Kuͤnſtler, und die Muͤnzen dieſer Koͤnige mit Griechiſcher Schrift muͤſſen von Kuͤnſt- lern dieſer Nation gearbeitet ſeyn. Dieſe aber ſind vermuthlich in dieſen Laͤndern erzogen und gelehret worden: denn das Gepraͤge dieſer Muͤnzen hat etwas fremdes, und man kann ſagen, barbariſches. D. Von der Kunſt bey den Parthern. Ueber 1) Appian. Mithridat. p. 116. l. 16. 2) Ibid. p. 139. l. 25. p. 153. l. 26. 3) Id. Parth. p. 194. l. 17. ſeq. K 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/127>, abgerufen am 14.05.2024.